Sommerzeit ist Reisezeit. Leider kann es ab und an zu ärgerlichen Zugverspätungen und -ausfällen kommen. „In solchen Fällen sollten Fahrgäste ihre Rechte kennen“, erklärt Maria-Theresia Röhsler, Leiterin der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) – eine unabhängige Schlichtungsstelle für den Bahn- Bus- Flug- und Schiffsverkehr, die Reisende regelmäßig über ihre Rechte informiert und Betroffene im Streitfall unterstützt – und das immer kostenlos und provisionsfrei.
Informationspflichten bei Störungen für Unternehmen und Fahrgast
Grundsätzlich haben Unternehmen und Fahrgäste gemäß den nationalen und EU-Fahrgastrechten im Bahnverkehr jedenfalls folgende Rechte bzw. Pflichten:
Unternehmen
Fahrgäste sind vom Unternehmen über allfällige Störungen schnellst- und bestmöglich (je nach Kenntnisstand des Bahnunternehmens) zu informieren. Die Information muss über sämtliche vorhandenen Kommunikationskanäle (zB Personenschalter, Fahrkartenautomat, Aushänge, Monitore) ergehen. Eine erhöhte Informationsverpflichtung trifft die Unternehmen dann, wenn ihnen Daten der Reisenden vorliegen (etwa bei personenbezogenen Buchungen über das Internet).
Fahrgast
Auch der Fahrgast hat sich angemessen und rechtzeitig über allfällige Störungen zu informieren – etwa über Verspätungen und Zugausfälle.
Fahrpreisentschädigung wenn der Zug Verspätung hat
Es bestehen unterschiedliche Rechte bei Verspätungen, Zugausfällen oder versäumten Anschlusszügen, je nachdem ob Bahnreisende eine Einzel-, Wochen-, Monats- oder Jahreskarte nutzen.
Achtung: wenn sie als Fahrgast bereits vor dem Kauf der Fahrkarte über die Verspätung informiert wurden, erhalten sie keine Entschädigung!
Einzelfahrkarte
Reisende mit einer Einzelfahrkarte (ausgenommen Regionalverkehr) haben bei einer Verspätung von mehr als 60 Minuten Anspruch auf eine Entschädigung in der Höhe von 25 Prozent des Ticketpreises, ab 120 Minuten auf 50 Prozent.
Eine Entschädigung wird üblicherweise erst ab einem Mindestbetrag von vier Euro ausbezahlt, darunter kann das Unternehmen eine Entschädigung ausschließen.
Wochen- und Monatsfahrkarte
Wochen- und Monatsfahrkarten-Besitzerinnen und -Besitzer, denen während der Gültigkeitsdauer ihrer Zeitfahrkarte wiederholt Verspätungen oder Zugausfälle widerfahren, müssen eine angemessene Entschädigung erhalten. Die genaue Entschädigungshöhe können die Unternehmen selbst festlegen – sie müssen jedoch angemessen sein.
Die ÖBB-Personenverkehr beispielsweise entschädigt mit einem Pauschalsatz von 1,50 Euro je Verspätung über 20 Minuten (Mindestauszahlungshöhe ist 4 Euro).
Achtung: Fahrgäste müssen sich hier eine Bestätigung für die Verspätung ausstellen lassen und vorweisen können!
Die WESTbahn wendet – wie bei den Jahreskarten – das Modell der Pünktlichkeitsgrade an. Wird der Pünktlichkeitsgrad von 90,01 Prozent im Gültigkeitszeitraum der Wochen- oder Monatskarte unterschritten, beträgt die Entschädigung 10 Prozent des Kartenwerts.
(Verbund-)Jahreskarte
Besitzerinnen und Besitzer von (Verbund-)Jahreskarten erhalten eine Entschädigung, wenn der gesetzlich festgelegte Pünktlichkeitsgrad (für den Regionalverkehr) in Höhe von mindestens 95 Prozent pro Monat im Regionalverkehr nicht erreicht wird. Die monatlichen Pünktlichkeitsgrade werden von den Unternehmen auf den Websites veröffentlicht.
Fahrgäste mit einer Jahreskarte erhalten für jeden unpünktlichen Monat mindestens zehn Prozent der monatlichen Kosten, und zwar am Ende der Gültigkeit ihrer Jahreskarte
„Wenn Fahrgäste sich nicht sicher sind, ob ihnen eine Verspätungsentschädigung zusteht, geben die Expertinnen und Experten der apf gerne telefonisch Auskunft. Außerdem können hilfreiche Informationen über unsere Website abgerufen werden“, so Maria-Theresia Röhsler.
Hilfeleistungen – Hotel, Taxi, Verpflegung
Eine Hotelübernachtung oder ein Taxi zahlen die Bahnunternehmen nur in Ausnahmefällen. Zunächst sind alternative Verbindungen zu nutzen. Wenn Fahrgäste nicht mehr am selben Tag an ihren Zielbahnhof ankommen, haben sie aber ggf. Anspruch auf eine Unterkunft oder Nutzung eines Taxis.
Im Nah- und Regionalverkehr ist der Höchstbetrag für eine Hotelübernachtung mit 80 Euro pro Person und für eine Taxifahrt mit 50 Euro pro Person festgelegt. Grundsätzlich ist zu empfehlen, sich vorher an das jeweilige Unternehmen zu wenden.
Die apf konnte erwirken, dass ab 60 Minuten Verspätung im Zug oder Bahnhof – sofern vor Ort vorhanden und möglich – alkoholfreie Getränke bzw. kleinere Mahlzeiten ausgeteilt werden müssen bzw. am Bahnhof bei den ÖBB-Ticketschaltern – gegen Vorweisen ihres von der Verspätung betroffenen Tickets – 5 Euro je vollendeten 60 Minuten Verspätung in bar ausbezahlt wird.
Fahrgastrechte und Beschwerdemöglichkeiten für Fahrgäste
Bahnunternehmen und Verkehrsverbünde haben die Verpflichtung, Fahrgäste über ihre Rechte aktiv zu informieren. Außerdem ist das Personal verpflichtet, Fahrgästen die Abnahme von Tickets zu bestätigen und sich auf Wunsch des Reisenden auszuweisen.
Erste Anlaufstelle bei Beschwerden ist immer das Unternehmen. Wenn dieses nicht zufriedenstellend oder binnen vier Wochen überhaupt nicht antwortet, können sich Passagiere an die apf wenden. Über das Web-Formular unter www.passagier.at können Reisende im Streitfall einfach und rasch ihre Beschwerden einbringen. Sollte das nicht möglich sein, kann die Beschwerde mit allen notwendigen Beilagen auch per Post an die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, Bereich Bahn, Linke Wienzeile 4/ 1/ 6, 1060 Wien übermittelt werden.
Die apf prüft den Sachverhalt und leitet gegebenenfalls ein Schlichtungsverfahren ein. Für Rückfragen sind die Mitarbeiter des Fachbereichs Bahn auch telefonisch unter +43 1 50 50 707 710 erreichbar.
Worüber können sie sich bei der apf beschweren?
Die wichtigsten Fälle, in denen die apf in allen vier Verkehrsbereichen vermitteln kann, sind:
- Entschädigungen für Verspätungen,
- Entschädigungen und Erstattungen für Ausfälle bzw. Annullierungen von Fahrten oder Flügen,
- Entschädigungen bei Überbuchung bzw. Nichtbeförderung,
- fehlende Hilfeleistungen (Verpflegung, Unterkunft, Transport),
- mangelhafte oder fehlende Informationen über Fahr- und Fluggastrechte, sowie
- Nichteinhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen, zB bei fehlender Hilfeleistung.
Im Bahnverkehr vermittelt die apf zusätzlich auch etwa bei Problemen im Zusammenhang mit Buchungen, Strafzahlungen (zB für fehlende Tickets), Erstattungen von (zB nicht genutzten) Fahrkarten sowie beschädigtem oder verlorenem Gepäck.
(Bilder: Pixabay.com)