Auf der Alzheimer’s Association International Conference (AAIC) 2019 in Los Angeles präsentierte Forschungsergebnisse legen nahe: die Änderung verschiedener Lebensgewohnheiten – sprich eine gesunde Lebensweise – wirken sich im großen Maße positiv auf die Gesundheit des Gehirns aus. Dadurch kann möglicherweise das genetische und umweltbedingte Risiko für die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzerkrankungen verringert werden.
Auf der Konferenz wurde eine Rekordzahl an wissenschaftlichen Studien vorgestellt. Diese Berichte, bei denen vielfältige Ansätze zur Offenlegung der Ursachen, des Krankheitsverlaufs, der Risikofaktoren, der Behandlung und der Prävention von Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen herangezogen wurden, präsentierten einige der erfolgversprechendsten und hoffnungsvollsten Forschungsergebnisse.
Die neuen auf der Konferenz präsentierten Daten umfassen
- Fortschritte bei neuen Blutbiomarkern, die die Früherkennung, eine verbesserte Diagnose und eine bessere Patientenrekrutierung für klinische Studien auf dem Gebiet der Alzheimer-Krankheit, Demenzerkrankungen und andere neurodegenerative Krankheiten ermöglichen können;
- Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Biologie von Alzheimer, die erklären können, warum sich die Krankheit auf Männer und Frauen so unterschiedlich auswirkt;
- Neue klinische Daten und Studiendesigns aus klinischen Versuchen bezüglich der Bewertung neuartiger Behandlungsmethoden für Alzheimer;
„Grundsätzlich wird auf natürlich weiterhin intensiv an der Entwicklung von Behandlungsmethoden für Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen gearbeitet. Aber ist es ebenso wichtig, neue Ziele für die Behandlung zu setzen und zu ermitteln, durch welche Änderungen hin zu einer gesunden Lebensweise Patienten die Symptome verbessern oder den Fortschritt dieser Krankheiten verlangsamen können“, sagte Maria C. Carrillo, PhD, Chief Science Officer der Alzheimer’s Association.
„Die auf der AAIC präsentierten Daten aus klinischen Studien spiegeln die Vielfalt von Ansätzen wider, die bei der Entwicklung von Behandlungsmethoden für Alzheimer herangezogen werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass auf diesem Gebiet neuen Forschungsmöglichkeiten nachgegangen wird, um die Millionen Menschen, die an diesen Erkrankungen leiden, besser behandeln zu können“, erklärte Carrillo.
Gesunde Lebensweise kann hohes Alzheimer-Risiko verringern
Neueste Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Umstellung auf eine gesunde Lebensweise – darunter gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und kognitiver Stimulation – das Risiko von kognitivem Verfall und Demenz verringern kann. Gemäß einer Studie wiesen Teilnehmer, die vier oder fünf Maßnahmen für eine risikoarme Lebensweise umgesetzt hatten, ein um etwa 60% geringeres Alzheimer-Demenz-Risiko auf als Teilnehmer, die keine bzw. oder nur eine der Maßnahmen für eine risikoarme Lebensweise umgesetzt hatten.
Zwei weitere Studien zeigten, dass umsetzbare Änderungen der Lebensweise einem hohen Risiko einer Alzheimer-Erkrankung entgegenwirken können. In einem Bericht legten Forscher dar, dass Teilnehmer mit einem hohen genetischen Alzheimer-Risiko nach einer „vorteilhaften“ Umstellung ihrer Lebensweise ein um 32 % niedrigeres Risiko für Demenzerkrankungen aufwiesen als Teilnehmer mit einer „nachteiligen“ Lebensweise.
Eine weitere Studie bestätigte, dass Orte mit hoher Luftverschmutzung das Risiko für Alzheimer und andere Formen der Demenz erhöhen. Allerdings wurde in diesem Zusammenhang bei älteren Frauen mit einer höheren kognitiven Reserve – basierend auf der Bewertung kognitiver Funktionen, Anzahl der Ausbildungsjahre, Berufsstatus und physischer Aktivität – ein nur um 21 % erhöhtes umweltbedingtes Risiko beobachtet. Dagegen wurde bei Patienten mit einer geringeren kognitiven Reserve ein um 113 % erhöhten Risiko festgestellt.
Blutmarker könnten die Alzheimer-Diagnose verbessern
Auf der AAIC 2019 vorgelegte Daten erläuterten zudem Fortschritte bei der Blutuntersuchung zur Bewertung von Markern für Alzheimer und andere neurogenerative Erkennungen. Dazu zählen beispielsweise abnormale Formen des Amyloid-Proteins, das bei der Alzheimer-Krankheit eine wichtige Rolle spielt, sowie von alpha-Synuclein (Lewy-Körper-Demenz) und leichten Neurofilamenten (allgemeine Hirnzellschäden).
Es besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen, kostengünstigen, nicht-invasiven und leicht verfügbaren Werkzeugen für die Alzheimer-Diagnose. Solche Diagnosemethoden, die eine frühere Erkennung im Krankheitsverlauf sowie eine bessere und schnellere Planung und Bereitstellung der Behandlung ermöglichen könnten, würden für Familien, die aktuell oder künftig mit Alzheimer konfrontiert sind, von großem Nutzen sein.
Diese neuen Testtechnologien, die derzeit in der Industrie und in der wissenschaftlichen Forschung entwickelt werden, könnten möglicherweise auch bei der Beurteilung von Therapien in klinischen Studien Anwendung finden.
Alzheimer-Risiko, Krankheitsverlauf und Widerstandsfähigkeit nach Geschlecht
Weitere Forschungsergebnisse zeigen zudem mehrere Unterschiede in puncto Biologie, Verlauf und Risiko einer Alzheimer-Erkrankung zwischen Männern und Frauen. Vier Studien zu geschlechterspezifischen Unterschieden könnten auf einzigartige Risikoprofile hinweisen. Das könnte Forschern helfen, besser zu verstehen, warum die Mehrheit der an Alzheimer erkrankten Patienten Frauen sind.
Im Rahmen zweier Studien wurde 11 neue geschlechtsspezifische Risikogene für Alzheimer entdeckt. Außerdem wurden Unterschiede in den strukturellen und funktionalen Verbindungen im Gehirn von Frauen, die zur schnelleren Verbreitung des abnormen Tau-Proteins beitragen könnten, identifiziert. Das weist wiederum auf einen engen Zusammenhang mit dem kognitiven Verfall bei Alzheimer- und Demenzerkrankungen hin.
Eine weitere Studie legt nahe, dass Frauen einen höheren Verbrauch an Gehirnenergie als Männer aufweisen. Dies könnte eine Erklärung für ein besseres verbales Gedächtnis sein und sie in die Lage versetzen, die ersten durch Alzheimer verursachten Veränderungen im Gehirn besser auszugleichen.
Laut einer vierten Studie zeigten Frauen, die zwischen dem jungen Erwachsenenalter und dem mittleren Lebensalter berufstätig waren, im späten Alter eine langsamere Abnahme der Gedächtnisleistung gegenüber nicht berufstätigen Frauen.
Neuartige Behandlungsansätze getestet
Auf der AAIC 2019 veröffentlichten Forscher auch die Ergebnisse einer Open-Label-Verlängerung der SNIFF-Studie, eine Phase-II/ III-Studie zur Bewertung der Verwendung von intranasalem Insulin für Patienten mit einer leicht kognitiven Beeinträchtigung oder Alzheimer. Die Studie ergab, dass die mit Insulin behandelten Teilnehmer bedeutend bessere kognitive und funktionale Testergebnisse hatten als diejenigen, denen ein Placebo verabreicht wurde. Allerdings sind hier trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse Nachfolgestudien erforderlich.
In einer weiteren Studie wurde der Beginn der GAIN-Studie verfolgt, einer groß angelegten Phase-II/ III-Studie zu leichten bis mittelschweren Alzheimer-Erkrankungen. Die Studie ist die erste große, internationale Studie zur Evaluierung eines therapeutischen Ansatzes, der auf neuen Daten basiert. Diese deuten darauf hin, dass das allgemein mit Zahnfleischerkrankungen assoziierte Bakterium Porphyromonas gingivalis das Gehirn infizieren und zu Alzheimer führen kann.
Über die Alzheimer´s Association
Die Alzheimer’s Association ist die weltgrößte freiwillige Gesundheitsorganisation, die sich Pflege, Unterstützung und Erforschung von Alzheimer zum Ziel gesetzt hat.
Die Alzheimer Association International Conference (AAIC) stellt das führende jährliche Forum für die Vorstellung und Erörterung der neuesten Ergebnisse aus der Alzheimer- und Demenzforschung dar. Sie verfolgt das Ziel, schneller Durchbrüche auf dem Gebiet der Demenzforschung zu erreichen.
Auf der AAIC 2019 kamen etwa 6.000 führende Experten und Forscher aus aller Welt zusammen. Dabei wurden über 3.400 wissenschaftliche Präsentationen veranstaltet.
(Bilder v.o.n.u.: AAIC, Pixabay.com(2x))