Dank der modernen Medizin erreichen immer mehr Diabetiker ein hohes Alter. Im Alter sind die Lebens- und Essgewohnheiten allerdings einem Wandel unterzogen. Auch der Körper hat sich mit den Jahren verändert, oft sind bereits Spätfolgen des Diabetes aufgetreten. Um dem Einzelnen eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes zu ersparen und dennoch eine möglichst hohe Lebensqualität zu erhalten, gilt es die Therapie an die Einzelne/ den Einzelnen anzupassen.
Anpassung der Blutzucker-Zielwerte
OÄ Dr.in Eva Geberth, Fachärztin für Innere Medizin mit Additivfach Geriatrie im Göttlicher Heiland Krankenhaus hat eine gute Nachricht: „Die Blutzucker-Zielwerte werden mit zunehmendem Alter bei langjährigem Diabetes nicht mehr so streng gesehen. Denn die Medizin unterscheidet hier nach dem Allgemeinzustand, der Selbständigkeit und bereits bestehenden Folgeschäden an Organen.“
Bei funktionell unabhängigen Menschen mit wenigen Begleiterkrankungen und einer Lebenserwartung von über 15 Jahren gilt ein Ziel-HbA1c von 6,5-7,5% und ein Ziel-Blutzucker vor den Mahlzeiten von 100-130 mg/ dl. Anders ist das bei sehr alten oder multimorbiden Patienten, die bereits in mehreren Belangen auf Unterstützung angewiesen sind. Für sie reicht ein Ziel-HbA1c von bis zu 8% bzw. ein Ziel-Blutzucker von 100-150 mg/ dl vor dem Essen.
Auch die Blutdruckziele ändern sich im Alter. Bei über 80-Jährigen sollte der Blutdruck unter 150/ 90 mm Hg liegen, der systolische („obere“) Wert aber auch nicht unter 130 mm Hg.
Gefahr der Unterzuckerung
Mit zunehmender Diabetesdauer kommt es häufig zu größeren Blutzuckerschwankungen. Ein Grund dafür ist, dass sich der Magen langsamer entleert und der Zucker so erst verzögert ansteigt. Gleichzeitig wirken blutzuckersenkende Medikamente manchmal sogar stärker als früher, weil sie langsamer vom Körper abgebaut werden.
Eine Unterzuckerung kann aber gerade bei älteren Patientinnen und Patienten zu Stürzen oder im schlimmsten Fall sogar zum Koma führen. Eva Geberth betont: „Um hier keine gefährliche Unterzuckerung („Hypo“) zu riskieren, werden bei höherem Lebensalter und langer Diabetesdauer höhere Zielwerte angestrebt.“ Diese werden abhängig von der Gesamtsituation vom betreuenden Arzt festgelegt.
Als Grenze werden auch bei sehr alten Menschen nüchtern 180 mg/ dl und nach dem Essen 300 mg/ dl gesehen. Eine Überschreitung kann zu Austrocknung, Infektionen, Verwirrtheit und Gewichtsabnahme führen.
Umgehen mit Folgeschäden
Neben der Blutzuckereinstellung sind das Erkennen und der Umgang mit den von der Erkrankung verursachten Folgeschäden wichtig. Wesentlich ist es, diese zu erfassen und behandeln zu lassen. Hier ist der Hausarzt die Schaltstelle, der auch notwendige weitere Facharztbesuche empfiehlt. Zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten stehen dabei zur Verfügung:
- Blutaustritte an der Netzhaut, die zur Erblindung führen können, können mit Laser verödet werden.
- Verkalkte Gefäße, die zu Durchblutungsstörungen in Gehirn, Herz, Nieren, Darm oder Beinen führen können, sind einer Dehnung oder einer OP zugänglich, um einem Schlaganfall, Herzinfarkt oder Fußwunden vorzubeugen, oftmals noch bis ins höhere Alter.
- Bei Gefühlsstörungen in den Füßen („Bamstigkeit“) ist gutes, ausreichend weites Schuhwerk ohne harte Nähte wichtig, um Druckstellen und Verletzungen zu vermeiden, da die Wundheilung bei Diabetes oft gestört ist. Die tägliche Fußinspektion mit dem Handspiegel wird wärmstens empfohlen!
- Auch auf die Nierenfunktion muss geachtet werden, da sie schon beim Nicht-Diabetiker mit dem Alter stetig abnimmt. Beim Diabetiker ist das Risiko einer Verschlechterung noch höher. Manche „Zuckermedikament““ müssen dann in der Dosis reduziert oder sogar abgesetzt werden. Daher wird eine Laborkontrolle über den Hausarzt oder Internisten alle 3-6 Monate dringend empfohlen, natürlich auch im Hinblick auf andere Körperfunktionen oder die Vitaminversorgung mit Vitamin B12, Vitamin D und Folsäure.
Diabetes und die Psyche
Doch neben den körperlichen Auswirkungen von Diabetes gibt es auch einen engen Zusammenhang mit der Psyche. Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) beschäftigt sich seit nunmehr fünf Jahren mit dem Bereich der psychischen Belastungen von Menschen mit Diabetes. Ziele der eigens eingerichteten Arbeitsgruppe „Psychodiabetologie“ sind neben psychologischer Behandlung, Beratung und Betreuung von Menschen mit Diabetes auch Aufklärung und Bewusstseinsbildung.
Aus diesem Grund wurde auch der Folder „Diabetes und Psyche. Blutzucker und Seele im Blick behalten“ entwickelt und nun neu aufgelegt. Diese informiert über psychische Aspekte der Erkrankung bei Diagnosestellung und im weiteren Krankheitsverlauf. Er gibt Anregungen, wie Betroffene und deren Angehörige die Diagnose akzeptieren und mit diabetesbezogenen Sorgen und Ängsten umgehen – nicht zuletzt um damit auch ihre Lebensqualität zu verbessern.
„Dass klinisch-psychologische Unterstützung und Begleitung ein sehr wichtiger Baustein bei der Behandlung von Diabetes ist, hat sich in den letzten Jahren eindeutig gezeigt – eine Erkenntnis, die sich international und auch in Österreich endlich durchgesetzt hat“, erklärt BÖP-Präsidentin a.o. Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger.
Adäquater Lebensstil bis ins hohe Alter
Auch im fortgeschrittenen Alter wird eine abwechslungsreiche, ausgewogene Mischkost empfohlen. Eva Geberth weist darauf hin: „Eine strenge Diabetes-„Diät“ ist zu vermeiden! Das ist aber keine Empfehlung für Mehlspeisen.“ Und sie betont: „Bewegung bleibt auch mit steigendem Alter ein wesentliches Element für die Stoffwechselkontrolle zur Blutzuckersenkung. Darüber hinaus ist jede körperliche Aktivität eine Einzahlung auf das Konto der Selbständigkeit und Unabhängigkeit!“
#BewegungISTgesund
(Bilder: Pixabay.com (2x), Göttlicher Heiland Krankenhaus)