Der 12. Mai ist der „Tag der Pflegenden“ – ein Tag, der mit dem Ziel gegründet wurde, sowohl die formellen also auch die informellen Leistungen der Pflege in den Vordergrund zu stellen. Er ruft die engagierte und verdienstvolle Arbeit der Menschen in den Pflegeberufen in Erinnerung und gibt uns Gelegenheit ihnen zu danken.
Im heurigen Jahr stehen die Pfleger*innen und Betreuer*innen auf Grund des Coronavirus bereits seit einiger Zeit schon im Zentrum der Aufmerksamkeit, denn sie gelten als systemrelevant, erhalten also – auch in Zeiten der Covid-19-Pandemie – das Pflege- und Betreuungssytem aufrecht. Gerade die letzten Wochen haben gezeigt, mit wie viel Engagement und Professionalität sie ihre Arbeit verrichten.
Anerkennung auch über die Corona-Krise hinaus
Allein in Wien werden bis zum Jahr 2030, also in gerade einmal zehn Jahren, mehr als 300.000 Menschen leben, die älter als 65 Jahre sind. Bis zum Jahr 2050 ist in ganz Österreich mit einem Anstieg pflegebedürftiger Menschen von derzeit 450.000 auf 750.000 Menschen zu rechnen. Demenz- und psychosoziale Erkrankungen nehmen zu. Die Pflege kommt bereits heute immer wieder an ihre „Grenzen“, der Beruf ist herausfordernd und belastend, immens wichtig und lohnend.
Die Pfleger*innen und Betreuer*innen des Landes leisten Wertvolles, damit ältere und/ oder kranke Menschen in ihrem eigenen zu Hause bleiben können. Denn das eigene zu Hause ist – nach wie vor – das größte Pflegeheim des Landes, sprich die meisten Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. Diese Pflegekräfte werden jetzt als Held*innen gefeiert, aber wie lange wird das andauern und vor allem, was wird nach der Corona-Krise sein? Werden wir sie schnell wieder vergessen und weiter als selbstverständliche, billige Arbeitskräfte behandeln, oder wird sich im Pflege- und Betreuungssektor Substantielles ändern?
Denn damit alle Pfleger*innen und Betreuer*innen eine gewohnt qualitätsvolle Arbeit leisten können, braucht es neben der Wertschätzung auch eine entsprechende finanzielle Honorierung und entsprechend gute Rahmenbedingungen wie beispielsweise die aktuelle Kollektivvertragseinigung mit einer Reduktion auf 37 Stunden. Bund und Länder sind jedenfalls gefordert, in einer gemeinsamen Anstrengung die Attraktivität der Pflegeberufe zu erhöhen und möglichst viele Wege in diesen Sektor zu ebnen. Eine immer älter werdende Gesellschaft kann es sich einfach nicht leisten, an der Pflege interessierte Menschen an andere Branchen zu verlieren.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
2020 wurde von der Regierung als „Jahr der Pflege“ ausgerufen inklusive einer geplanten großen Reform in vielen wichtigen Bereichen der Pflege. Dann kam Corona. Doch gerade die Krise zeigt, wie wichtig eine rasche Umsetzung ist. „Ohne eine weitreichende Pflegereform werden wir uns in der nächsten Krise nicht mehr auf die Pflege stützen können“, mahnt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich.
Wohlwissend, dass im Gesundheitsministerium derzeit rund um die Uhr an Maßnahmen gegen die Corona-Krise gearbeitet wird, fordert Fenninger die angekündigte Pflegereform wie geplant anzugehen. „Die Pflegerinnen und Pfleger, aber auch die Gepflegten selbst, haben es sich verdient, dass die lang fällige Pflegereform trotz, oder gerade wegen Corona, jetzt nicht verschoben wird. Für die Pflege gab es kein Homeoffice, Schutzausrüstung war Mangelware. Dennoch haben diese Menschen in den letzten Monaten ihre Arbeit fortgesetzt. Jetzt muss aus den Danksagungen von Politik und Öffentlichkeit eine nachhaltige Pflegereform werden“, so Fenninger weiter.
Die Volkshilfe Österreich fordert seit Jahren eine grundlegende Reform des Pflegesektors und bekräftigt einmal mehr die Forderungen nach Ausbau der flächendeckenden, leistbaren [teil]stationären Betreuungs- und Entlastungsangebote, die Ausrollung der Demenzstrategie und den Rechtsanspruch auf Pflege- und Betreuungsleistungen sowie Anwesenheitsdienste.
Pflegereform mit Einbindung der Expert*innen im Feld
Eine solch grundlegende Reform des Pflegesektors könne nur mit der Einbindung von Expert*innen geplant und umgesetzt werden. „Eine Pflegereform braucht die Erfahrung und das Wissen der am Gemeinwohl orientierten freien Trägerorganisationen der mobilen und stationären Pflege sowie der unterschiedlichen Betreuungsdienstleistungen“, so Fenninger. „Unsere Hand zur Zusammenarbeit ist ausgestreckt.“
Die Pandemie zeigt uns, dass gut ausgebildete Fachkräfte im Pflegebereich eine überlebenswichtige Ressource sind, die ein System zum Kippen bringen kann. Pflege ist daher kein Thema, das man auf später vertagen darf, warnt auch Ewald Sacher, Präsident der Volkshilfe Österreich: „Wenn wir nur zehn Jahre in die Zukunft schauen, braucht Österreich über 75.000 Menschen mehr in der Pflege. Worauf wollen wir noch warten?„
Nicht nur am Tag der Pflegenden – „smarte“ Pflege ist „fancy“
„Der Pflegebereich ist einem starken Wandel unterworfen und folgt zum Glück schon lange nicht mehr den antiquierten Konzepten mit riesigen Schlafsälen und eintöniger Breikost für die älteren Menschen“, erklärt Samariterbund-Geschäftsführer Mag. Wolfgang Dihanits. „Mit einer starken Qualitäts- und Image-Offensive zeigt sich, dass Pflege durchaus ’smart‘ sein kann und durch den Einsatz von moderner Technologie und Digitalisierung ‚fancy‘ wird. Dabei stehen aber nicht nur die Kosten im Fokus, sondern vor allem die Qualität der Services sowie die Nachhaltigkeit und die Umweltverträglichkeit dieser modernen Projekte“, so Dihanits.
„Die Pflege braucht eine Imageaufwertung„, fordert Dihanits. „Neue Konzepte zur Entlastung pflegender Angehöriger müssen erarbeitet werden.“ „Wir müssen sicherstellen, dass Menschen auch in Zukunft Pflege- und Betreuungsberufe ergreifen. Eine breit angelegte Ausbildungsoffensive und eine Erweiterung und Flexibilisierung des Ausbildungsangebots werden dem drohenden Mangel entgegenwirken,“ so der zuständige Bundesminister Rudolf Anschober.
Zusätzlich dazu braucht es aber auch weitere Maßnahmen wie beispielsweise eine jährliche Valorisierung des Pflegegeldes, gesetzlich zugesicherte Pflegekarenz und Pflegeteilzeit oder auch den gründlichen Ausbau aller Pflegedienstleistungen [mobile, stationäre Pflege, 24-Stunden-Betreuung, Tagesheime etc.].
Und das wichtigste dabei: diese Maßnahmen dürfen nicht auf irgendwelchen Papieren in irgendwelchen Schubladen verschwinden, sondern müssen [dringend] auch wirklich umgesetzt werden!
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