Die Corona-Krise führt derzeit zu einem regelrechten Boost telemedizinischer Möglichkeiten. Im Zuge des jüngsten Gipfelgesprächs der Initiative PRAEVENIRE zum Thema „Digital Health“ gingen Expertinnen und Experten der Frage nach, wie wir medizinischen Herausforderungen mittels digitaler Technologien begegnen können und welche Türen die Digitalisierung im Umfeld der Gesundheitsversorgung öffnet. Wichtig sei jetzt eine klare Analyse dessen, was gut funktioniert und welche Prozesse in Zukunft gestärkt werden müssen, so einer der gemeinsamen Nenner.
Das österreichische Gesundheitssystem erlebt durch den Trigger Coronavirus einen erzwungenen Digitalisierungsschritt, der in den letzten Jahren nicht für möglich gehalten wurde. Die Stoßrichtung ist klar: Es darf jetzt kein Zurück mehr geben. Nach den Erfahrungsberichten der Expertinnen und Experten sei sowohl auf Seite der Patientinnen und Patienten, als auch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten eine große Zufriedenheit hinsichtlich telemedizinischer Begleitung zu beobachten. Die Nachfrage nach e-Medikation, telefonischer Beratung, Telerehabilitation oder auch virtueller Psychotherapie sei groß und es gäbe den Wunsch, diese digitalen Dienste auch nach der Krise aufrecht zu halten.
Als beispielhaft wurde in diesem Zusammenhang auch die digitale Erweiterung der 1450 Hotline durch eine vorgeschaltete App beschrieben. Generell sollen medizinische Konsultationen dort digitalisiert werden, wo es Sinn macht, wo Arbeitsschritte vereinfacht werden und volkswirtschaftliche Versorgungskosten gesenkt werden können, wie beispielsweise im Zuge von Folgekonsultationen oder beim Verschreiben von Dauermedikationen. Klinische Untersuchungen bleiben aber dort unerlässlich, wo im persönlichen Kontakt wertvolle Informationen aufgenommen werden können, die in einer rein telemedizinischen Konsultation verloren gingen.
Die Teilnehmenden waren sich einig: Digitalisierung ist dann erfolgreich, wenn mehr Zeit geschaffen wird für die „echte“ Arzt-Patienten-Kommunikation. Sinnvolle Digitalisierungsmaßnahmen sollen die ärztliche Arbeit vereinfachen, unterstützen und ergänzen, nicht ersetzen. Die Diskutantinnen und Diskutanten sprachen sich für vielfältige Formen gemischter Systeme aus, die menschliche Expertise mit technischen Möglichkeiten vereinen. Ziel muss es sein, ein Modell zu finden, das Ärztinnen und Ärzte befähigt, eine noch bessere Arbeit zu leisten.
Digital Health: Zwei Welten – ein gemeinsames Verständnis
Befunde, die in eine einfache Sprache übersetzt werden, e-Diagnosen, die den raschen Expertise-Austausch unter Ärztinnen und Ärzten sowie mit Gesundheitsberufe-Dienstleistern unterstützen, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Umgang mit großen Datenmengen, Service orientierte Apps, die ein pro-aktives Gesundheitsmanagement der Patientinnen und Patienten ermöglichen oder die Erstellung von Registern und ihre Nutzung für eine verbesserte Versorgung mit Big Data Methoden [was sich insbesondere in der Onkologie bisher als sehr erfolgreich erweist] – das Portfolio ist bunt und erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Essenziell sei dabei immer die Benutzerfreundlichkeit und die Einbindung jener Personen in den Entwicklungsprozess, die mit diesen Anwendungen dann letztendlich auch klar kommen sollen, sprich diese nutzen.
Gemeinsam mit Start-Ups müssen technische Schnittstellen und Kollaborationen geschaffen werden, die ein innovatives Öko-System überhaupt erst möglich machen. Wichtig sei es, den Blick auf die Digital Natives zu richten, um so mit den Besten intuitive Lösungen zu kreieren. Diese sollten gemeinsam gestaltet werden und jene Akteure zusammenbringen, die einerseits die Sprache der Medizin sprechen und andererseits die Sprache der Digitalisierung verstehen. Denn in Punkto Digital Health treffen oftmals zwei Welten aufeinander, die neben einem klar definierten Ziel vor allem ein gemeinsames Verständnis brauchen.
Schaffung einer zentralen Plattform: Datenschatz erfordert Datenschutz
Das Gesundheitssystem brauche eine zentrale Plattform, die jene Datenschätze vereint, die in der österreichischen Sozialversicherung vorhanden sind und diese für die klinische Forschung zugänglich macht. Voraussetzung dafür sind klare Regeln für die Nutzung sowie State-of-the-Art Schutzmechanismen inklusive Anonymisierung und Programmier-Schnittstellen.
Dabei stelle sich die Frage, auf welchem Fundament wir zukünftig aufbauen sollten. Wünschenswert sei es, die ELGA-Technologie auf den heutigen Stand zu bringen und die „User Experience“ für Ärztinnen und Ärzte wesentlich zu verbessern. Allerdings dürfen nicht alle bisherigen Bemühungen und Investitionen über Bord geworfen werden.
Essenziell sei weiterhin ein verantwortungsvoller Umgang mit Daten nach europäischen Datenschutzrichtlinien. Nur so ist sichergestellt, dass wichtige gesundheitstechnologische Agenden nicht amerikanischen Datengiganten überlassen werden.
Wie eine aktuelle Studie des Gallup-Instituts, die sich auf eine medizinisch-wissenschaftliche Forschungsinitiative zum Coronavirus stützt, zeigt, gibt es in der österreichischen Bevölkerung eine große Bereitschaft, bisher gesammelte Patientinnen- und Patientendaten für die wissenschaftliche Forschung zugänglich zu machen.
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