„Einbindung aller Betroffener statt Drüberfahren“ – Sozialminister Rudi Anschober setzt bei der Konzeption der anstehenden Reform der Finanzierung und Neustrukturierung der Pflege, Stichwort #Pflegereform, auf den Wissenstransfer aus der Praxis: „Wir haben tausende höchst engagierte Pflegerinnen und Pfleger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen, und Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen. Sie alle verfügen über Know How, wissen wo in der täglichen Arbeit der Schuh drückt. Diesen Wissensschatz gilt es zu heben und bei den Reformüberlegungen einzubinden. Reine Schreibtischkonzepte sind angesichts der Herausforderungen, denen wir uns bei der Pflege gegenübersehen, nicht der richtige Ansatz. Die Stimmen aus der Praxis sind unerlässlich.“
Anschober verweist dabei auf die erfolgreiche Fragebogenaktion für in der Pflege Tätige: Beim digitalen Beteiligungsprozess hat es einen großartigen Rücklauf von mehr als 3.300 ausgefüllten Fragebögen gegeben. Davon 1.196 Rückmeldungen aus Einrichtungen und Institutionen. Hinter den Vorschlägen stehen also ganz viele! Die Rückmeldungen werden nun ausgewertet und die Ergebnisse fließen in den Reformprozess ein.
Praxis-Dialog fortführen – weiterer Fahrplan
„Ich habe gleich nach Amtsantritt eine Dialogtour gestartet, mit dem Ziel Erfahrungen aus der gelebten Praxis zu sammeln. Doch dann kam Corona.“ Anschober: „Ich werde diesen Dialog jetzt wieder aufnehmen und mich vom Neusiedlersee bis zum Bodensee mit Pflegerinnen und Pflegern, Managerinnen und Managern von sozialen Einrichtungen, pflegenden Angehörigen und Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, treffen und austauschen.“
Die Dialogtour hat das Ziel, ein Gesamtbild der Ist-Situation zu schaffen und Ideen für die Zukunft zu sammeln, wie eine professionelle, menschenwürdige Pflege in Österreich gelingen kann. Im Anschluss daran werden im Rahmen der Task-Force Pflege die notwendigen Neuerungen erarbeitet, die dann Anfang 2021 in die konkreten Umsetzungen gehen sollen – in einer Zielsteuerungskommission, in der Bund, Länder und Gemeinden erstmals gemeinsam den Bedarf erheben, gemeinsam planen und gemeinsam umsetzen.
Pflegereform kann nur mit Teamwork erfolgreich sein
Eine aktuelle Studie der WIFO zur Pflegevorsorge zeigt einen klaren Nachholbedarf bei der Koordination zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. „Es war immer klar, dass Pflege viele Zuständige hat. Daher braucht es eine gute Zusammenarbeit und einen guten Austausch aller Ebenen„, so Bedrana Ribo, Sprecherin für Senior*innen und Pflege der Grünen. „Nur gemeinsam werden wir es schaffen, Verbesserung zu erreichen und die Pflege zukunftsfit machen.“
Positiv herauszustreichen ist das Herangehen des Ministers Anschobers. Dieser lässt die Ergebnisse der Auswertung in den Entscheidungsprozess einfließen und arbeitet mit dem Ergebnis der Befragung der Pflegekräfte ein Konzept aus, dass deren Situation auch wirklich nachhaltig verbessert. Dieser inklusive Ansatz, nämlich die Betroffenen direkt in den Prozess miteinzubeziehen und deren Know-How zu verwenden, lässt auf eine erfolgreiche Reform hoffen, bei der gerade die am stärksten Betroffenen mitreden können und nicht über diese hinweg reformiert wird.
Ein erster Fixpunkt sind die regionalen Informationsstellen für Betroffene, die von der WIFO Studie empfohlen wurde. Dieses regionale Informationsmanagement kann durch die „Community Nurses“ abgedeckt werden. Diese stellen nicht nur einen niederschwelligen Zugang zu Gesundheit, sondern auch eine Aufwertung der nichtärztlichen Gesundheitsberufe dar.
Ressourcen für die Pflegearbeit statt zusätzlicher Bürokratie
„Das Letzte, was die Pflege und Betreuung in Österreich braucht, ist noch eine übergeordnete Instanz, die Ressourcen von dort wegverlagert, wo wir sie wirklich brauchen: in der Arbeit mit unseren KlientInnen“, kommentiert Volkshilfe Direktor Erich Fenninger die WIFO Studie des Gemeindebundes. Alles, was Geld aus der konkreten Pflegebeziehung abziehe, müsse doppelt und dreifach hinterfragt werden.
„Die Träger der mobilen Pflege und Betreuung sind neben der Angehörigenpflege die wichtigste Stütze der Langzeitpflege. Unsere KollegInnen können heute nur einen Bruchteil dessen anwenden, was sie in der Ausbildung über die sozialen Aspekte des Berufes gelernt haben. Denn nur die wenigsten Tätigkeiten können verrechnet werden. Denken wir etwa an den Bereich der Prävention„, stellt Fenninger mit seiner langjährigen Erfahrung als Vertreter eines der größten Träger der mobilen Pflege und Betreuung in Österreich fest.
Es brauche, so der Volkshilfe Direktor weiter, keine zusätzliche Bürokratie, um Beratung und Koordination von Pflegedienstleistungen anzubieten. Man würde durch die Verlagerung von Ressourcen hin zu nichtpflegerischen Tätigkeiten auch entgegen des internationalen Trends arbeiten. „Jedoch freue ich mich, wenn die Volkshilfe und die anderen Träger der mobilen Dienste, die flächendeckend in Österreich arbeiten, zusätzliche Ressourcen für die Beratung und Pflege erhalten“. Dann kann allen Pflegebedürftigen unabhängig von ihren finanziellen Mitteln ein Angebot gemacht werden, das sich nicht nur als Gesundheits-, sondern auch als Partner in der sozialen Arbeit versteht.
Die bestehenden österreichweiten Pflegestützpunkte der Organisationen kennen das regionale Angebot und den Pflege- und Betreuungsalltag am besten. In ihrer Beratung steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund und nicht der Profit internationaler Konzerne.“
Fenninger begrüßt Start der Pflegereform
Bezogen auf die Ankündigung des Ministers, wonach die Arbeitsgruppen der Pflegerefom nun endlich starten würden, sagt Fenninger: „Die Pflege und Betreuung in Österreich ist derzeit ein Flickwerk an Zuständigkeiten – so werden wir auch den Bedarf an professionellen Pflege- und Betreuungskräften in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nicht decken. Ich freue mich, dass auf das Wissen und die Erfahrung der ExpertInnen im Feld zurückgegriffen wird. Die Volkshilfe wird sich konstruktiv in die Arbeit einbringen“.
(Bilder: Pixabay.com, Sozialministerium/ BKA/ Hans Hofer, Volkshilfe/ Christopher Glanzl)