Prädiabetes wird viel zu selten erkannt und noch viel weniger wird dieser wenig bekannten Krankheit gegengesteuert. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft [ÖDG] klärt darüber auf, dass bereits ein Prädiabetes Schäden verursachen kann, die als Folgeerkrankungen des manifesten Diabetes bekannt sind. Studien zeigen: Würde der Prädiabetes häufiger diagnostiziert und therapeutisch begleitet, könnten nicht nur viele Diabeteserkrankungen verhindert, sondern auch ein breites Spektrum von Diabetesfolgen vermieden oder vermindert werden.
Sogar bei Covid-19 zeigt sich, dass bereits ein Prädiabetes gefährlich sein kann. Die Aufnahme des Hba1c-Wertes in die Vorsorgeuntersuchung wäre eine praktikable Möglichkeit, frühzeitig gegenzusteuern.
Unerkannt = unbehandelt
Die Stoffwechselstörung Prädiabetes ist grundsätzlich durch Insulinresistenz und gestörte Glukosetoleranz gekennzeichnet. Die Körperzellen reagieren bei dieser Störung nicht mehr adäquat auf das im Körper produzierte Insulin. Das führt zu einer Überbelastung der insulinproduzierenden Bauchspeicheldrüse, und zu viel Insulin im Blutkreislauf – was wiederum das metabolische Syndrom verstärkt. Eine Spirale, die, wenn nicht gehandelt wird, sehr oft zu Diabetes führt.
Univ. Prof.in Dr.in Susanne Kaser, Stv. Direktorin Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Innsbruck und Präsidentin der ÖDG erklärt: „Sechs Prozent der erwachsenen Bevölkerung haben einen Prädiabetes. Viele davon wissen es nicht und werden erst in ein paar Jahren mit einer manifesten Diabeteserkrankung diagnostiziert. Dabei kann gerade in der Phase des Prädiabetes viel erreicht werden, um Diabetes zu verhindern oder seine Folgen zu verringern.“
Eine „Vorstufe“ mit ernsten Folgen
Kaser führt aus: „Bereits der Prädiabetes geht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher.[1] Aber auch mikrovaskuläre Erkrankungen, wie vor allem die Neuropathie [Anmerkung: Sammelbegriff für viele Erkrankungen des peripheren Nervensystems, die keine traumatische Ursache haben], sind schon häufig bei Menschen mit Prädiabetes zu finden.[2] Diese Zuckerstoffwechselstörung schädigt somit die großen und die kleinen Gefäße im ganzen Körper und führt dazu, dass gefürchtete Diabetesfolgen, bereits Jahre vor einer manifesten Diabeteserkrankung, beginnen.“
Prädiabetes ist behandelbar
Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Harald Sourij, Stv. Abteilungsleiter der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der Medizinischen Universität Graz und Erster Sekretär der ÖDG, stellt fest: „Prädiabetes ist behandelbar. Die aktuelle Studienlage zeigt klar, dass Prädiabetes durch körperliche Bewegung, Gewichtsreduktion und Medikamente [Therapien, die das Ansprechen auf das körpereigene Insulin erhöhen] verbessert werden kann. Eine frühe Intervention kann das Outcome signifikant verbessern: Einerseits sinkt das Risiko einen manifesten Diabetes zu bekommen. Und andererseits können auch, sollte doch ein Diabetes auftreten, dessen Folgen reduziert werden.“[3]
Auch Prädiabetes erhöht die Gefahr von schweren Covid-Verläufen
Sourij berichtet von ersten Ergebnissen des Covid-19-Diabetes Registers der ÖDG, die sich auch mit weiteren Untersuchungen[4] decken: „Im Zusammenhang mit Covid-19 beobachten wir, dass die Prävalenz [Anmerkung: Krankheitshäufigkeit] von Prädiabetes bei kritischen Verläufen hoch ist. Wir sehen aber auch, dass bei Personen, die wegen einer Covid-19 Erkrankung stationär aufgenommen wurden, bei der Sterblichkeit kein Unterschied zwischen jenen mit Prädiabetes und jenen mit einem Typ 2 Diabetes vorliegt. Auch das untermauert die Notwendigkeit der Früherkennung und zu einer aktiven Intervention bei Prädiabetes.“
Gegensteuern kann nur, wer die Gefahr auch [er]kennt
Kaser weist darauf hin, dass strukturelle Voraussetzungen nötig sind, um den Zugang zu diesen notwendigen und schützenden Interventionen zu ermöglichen: „Nur wer eine Gefahr kennt, kann bewusst und ernsthaft gegensteuern. Daher müssen so früh wie möglich die Diagnose gestellt und entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Eine einfache Intervention in unserem Gesundheitssystem wäre die Aufnahme des Hba1c-Wertes in die Vorsorgeuntersuchung. Diese zentrale Forderung der ÖDG an die gesundheitspolitischen Entscheider könnte dazu beitragen, dass Prädiabetes viel häufiger und vor allem viel früher erkannt und behandelt wird.“
Österreichische Diabetes Gesellschaft [ÖDG]
Die Österreichische Diabetes Gesellschaft [ÖDG] ist die ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft der österreichischen Diabetes-Experten und Diabetes-Expertinnen. Ordentliche Mitglieder der Gesellschaft sind Ärzte und Ärztinnen und wissenschaftlich einschlägig orientierte Akademiker und Akademikerinnen. Assoziierte Mitglieder sind Diabetesberater und Diabetesberaterinnen und Diätologen und Diätologinnen.
Die Österreichische Diabetes Gesellschaft sieht es als ihre Aufgabe, die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu verbessern. Sie setzt sich daher für die Anliegen der Betroffenen ein. Sie fordert und fördert die stetige Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus. Sie unterstützt die Forschung und verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse aller den Diabetes berührenden Fachgebiete sowohl zur Verbesserung der medizinischen Betreuung als auch zur bestmöglichen Vorbeugung von Neuerkrankungen.
Quellenangaben
[1] Huang et al. BMJ 2016; Sourij et al. EHJ 2010
[2] The Maastricht Study, Sörensen et al. Circulation 2016
[3] Da Qing Diabetes Prevention Study, Guangwei et al. LancetDiabetes Endocrinol 2014
StopDiabetes, John et al. LancetDiabetes Endocrinol 2018
DIADEM-I, Shahrad et al. LancetDiabetes Endocrinol 2020
[4] Klein et al. Crit Care 2020
(Bilder: Pixabay.com, Wild und Team Salzburg, Sissy Furgler)