Der von der Austrian Wound Association – AWA gemeinsam mit der Initiative „Wund?Gesund!“ ins Leben gerufene Tag der Wunde findet heuer bereits zum sechsten Mal statt. „Die Omnipräsenz und die starke mediale Fokussierung auf die Corona-Krise hat dazu geführt, dass Wundbehandlung bei vielen Menschen mit chronischen Wunden auf der Strecke geblieben sind“, schildert Mag. Martina Laschet, Sprecherin der Initiative Wund?Gesund!.
Die Steigerung der Lebensqualität von Betroffenen mit chronischen Wunden ist eines der wichtigsten Ziele der Initiative Wund?Gesund!. Durch die Pandemie haben sich in den letzten eineinhalb Jahren die Wundverläufe bei sehr vielen Patient•innen verschlechtert. Vor allem ältere Patient•innen konnten ihre Verbandwechsel und Wundbegutachtung in den Wundambulanzen und -ordinationen nicht mehr wie gewohnt absolvieren und waren auf Hausbesuche von Wundexpert•innen angewiesen. „Speziell den diesjährigen Tag der Wunde möchten wir dazu nutzen, das Bewusstsein für eine moderne und qualitativ hochwertige Wundmedizin zu stärken. Denn in Zeiten in denen gesundheitsrelevante Anliegen von Betroffenen der Corona-Pandemie untergeordnet werden, ist es besonders wichtig aufzuzeigen, welchen maßgeblichen Beitrag eine nachhaltige ‚State of the Art‘-Wundmedizin zur Versorgung von Betroffenen leisten kann“, betont Laschet.
Awareness für Wundversorgung
„Anlässlich des Tag der Wunde möchte ich alle Anbieter und Kolleg•innen im Bereich des Wundmanagements einladen, ihre Kompetenz und ihre Leistungen sichtbar zu machen und Aktivitäten zu setzen, um auf die Wundpflege und Wundbehandlung aufmerksam zu machen. Gleichzeitig möchte ich die Betroffenen und ihre Angehörigen ermuntern: Holen sie sich wichtige Informationen zu moderner Wundversorgung und lassen sie sich gut beraten“, betonen die Präsidentin der AWA und die Obfrau des Wundmanagement Niederösterreich, DGKP Sonja Koller, MBA.
Laut Koller habe die Covid-19-Pandemie klar aufgezeigt hat, wo die Schwächen in der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden liegen. „Deswegen fordern wir gemeinsam mit der Initiative Wund?Gesund! und der österreichischen Gesellschaft für Wundbehandlung eine flächendeckende, wohnortnahe und vor allem leistbare Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden nach dem derzeit anerkannten wissenschaftlichen Stand der Medizin“.
Oberösterreich als Vorreiter im Bereich Dekubitusprävention
„Das wesentlichste Ziel der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden ist eine Verbesserung der Lebensqualität durch eine Verkürzung des Wundheilungsprozesses„, betont Oberösterreichs Gesundheitslandesrätin Mag. Christine Haberlander. „In Oberösterreich beschäftigen wir uns seit vielen Jahren mit dem Thema Wundmanagement und sind mit unseren Krankenanstalten Vorreiter in der aktiven Dekubitusprävention“, so Haberlander.
Dekubitus ist ein sogenanntes Drückgeschwür. Es kommt hier zur lokal begrenzten Schädigung der Haut und zählt zu den bedeutendsten chronischen Wunden in der Krankenpflege.
„Wir sind das einzige Bundesland, in dem alle Spitäler an einem bestimmten Stichtag im Jahr auf definierten Stationen und nach einheitlichen Kriterien erheben, ob Patientinnen und Patienten Druckgeschwüre haben. Zusätzlich werden regelmäßig gegenseitig Maßnahmen zur Vermeidung von Dekubitus präsentiert“, so Haberlander.
Oberösterreich habe auch mit der Österreichischen Gesundheitskasse ein gemeinsames Projekt zum Thema Wundversorgung. „Ziele sind unter anderem die Erstellung einer Wundversorgungs-Landkarte für Oberösterreich und die Etablierung eines Prozesses zur Versorgung chronischer Wundpatientinnen und -patienten. Hier sollen auch die nicht-ärztlichen Gesundheitsdienstleister mit eingebunden werden.“
Den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen
DGKP Brigitte Wirth, Obfrau des Vereins Wundmanagement Oberösterreich, appelliert angesichts des Tag der Wunde 2021: „In der professionellen Behandlung und Betreuung von Menschen mit chronischen Wunden darf nicht vergessen werden, dass hinter jeder Wunde ein Mensch steht. Ein Mensch mit all seinen Sorgen, Nöten und Bedürfnissen, die gehört und in der Behandlung und Betreuung berücksichtigt werden müssen.“ Laut Brigitte Wirth kommen bei der modernen Wundmedizin Produkte zum Einsatz, die den natürlichen Heilungsverlauf unterstützen und zu einem schnelleren Behandlungserfolg führen. „Durch weniger Wundschmerzen, weniger Wundgeruch, einer geringeren Belastung durch die Behandlung und einer geringeren Einschränkung bei Freizeitaktivitäten oder im Berufsleben wird die Lebensqualität der Betroffenen gesteigert„, schildert sie die Vorteile.
Die stillen Helden der Pandemie
„Ärztinnen und Ärzte sowie Kolleginnen und Kollegen aus den Pflegeberufen bzw. Experten im Bereich Wundmanagement haben – trotz der widrigen Bedingungen während der Corona-Pandemie – Betroffenen mit chronischen Wunden die notwendige Versorgung zukommen lassen. Sie haben durch ihren Einsatz und Engagement zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen Menschen beigetragen sind dadurch zu den ‚stillen Helden der Pandemie‘ geworden“, betont Wirth. „Seitens des Vereins Wundmanagement Oberösterreich und im Namen der Betroffenen möchte ich mich herzlich bei diesen stillen Heldinnen und Helden der Pandemie für dieses Engagement bedanken“, so Wirth.
„In der Covid-19-Krise kommt es weiterhin zu Einschränkungen beim Zugang zu Versorgungsmöglichkeiten für Menschen mit chronischen Wunden. In Ordinationen oder Institutionen war die Aufrechterhaltung der gewohnten Versorgung aufgrund der Einschränkungen teilweise nicht mehr möglich. Trotz der schwierigen Situation haben sowohl Kolleg•innen im extramuralen Bereich als auch in den Kliniken durch ihr hohes Engagement eine bestmögliche Versorgung der Patient•innen ermöglicht„, sagt Koller, die sich ebenfalls bei den „stillen Held•innen der Pandemie“ bedankt .
Alarmierend: Kaum fachgerechte Versorgung chronischer Wunden in Österreich
Das es sich beim Thema Wundversorgung um keine Lappalie handelt, zeigen die [erschreckenden] Zahlen: Rund 255.000 Österreicherinnen und Österreicher leiden derzeit unter einer chronischen Wunde. Jährlich kommen 68.000 hinzu. Unter einer chronischen Wunde versteht man einen Gewebsdefekt, der trotz intensiver Behandlung innerhalb von sechs Wochen nicht abheilt.
Neben dem Leid für die Patient•innen hat die Erkrankung auch eine volkswirtschaftliche Dimension: Allein die Materialkosten für chronische Ulzera [Geschwüre] werden auf über 225 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. In Österreich werden allerdings rund 61 Prozent aller chronischen Wunden nicht regelrecht behandelt. In vielen Fällen sind die Wunden auch nach einem Jahr noch nicht abgeheilt. „Jodsalbe und einfache Gaze sind keine moderne Wundbehandlung, sondern nur die phasengerechte Versorgung der Wunde, um die Lebensqualität zu verbessern, erklärt die Wundpflegeexpertin und Herausgeberin des Ratgebers „Hilfe zur Selbsthilfe – Wunden besser verstehen und versorgen“, Michaela Krammel, DGKP, WDM®.
„Das Leid der Patient•innen ist enorm, die Folgen sind dramatisch. 85 Prozent aller Amputationen werden auf chronische Wunden zurückgeführt. Die häufigste Ursache sind dabei Gefäßerkrankungen. Covid-19 hat den Zugang zur Behandlung von chronischen Wunden für viele erschwert“, so Prim. PD Dr. Afshin Assadian, Co-Autor, Vorstand der Gefäßchirurgie Klinik Ottakring und wissenschaftlicher Sprecher des Gefäßforums Österreich.
Der neue, im Verlagshaus der Ärzte und in Kooperation mit dem Gefäßforum Österreich erscheinende Patient•innenratgeber „Hilfe zur Selbsthilfe – Wunden besser verstehen und versorgen“ soll nun Abhilfe schaffen und die Wundversorgung durch Vermittlung von umfassendem Praxiswissen in der Laienpflege verbessern. Ergänzt wird das Buch durch die Website www.selbsthilfe-wunde.at, die zusätzlich zu wertvollen und laufend aktualisierten Infos sowie Kontaktdaten auch [Lern-]Videos, Checklisten und Community-Bereiche für Betroffene, Angehörige und Expert•innen zur Verfügung stellen wird.
Ursachen für chronische Wunden
Patient•innen mit Unterschenkelgeschwüren und Fußwunden leiden sehr häufig an Schmerzen und Wundinfektionen, die sich auch auf das Allgemeinbefinden negativ auswirken. Die Lebensqualität ist durch nässende und oft übel riechende Wunden stark reduziert, nicht selten kommt es zu Isolation und sozialem Rückzug. „Unser erstes Ziel muss es werden, Patient•innen und deren Angehörige zu motivieren, auch bei kleineren Wunden – also früh im Krankheitsverlauf – Hilfe zu suchen und anzunehmen„, so Co-Autor Dr. Assadian.
Hilfesuchende Betroffene und die Herausforderung der hohen Kosten
Zusätzlich zur hohen psychischen Belastung der Betroffenen ist die Versorgung von chronischen Wunden besonders kostenintensiv. Die Belastung pro Woche kann zwischen 100 und 2.000 Euro pro Patient•in betragen. Die Kosten werden in der Regel nicht oder nur gering anteilig von der Krankenkasse übernommen. Die Regelung ist dabei von Bundesland zu Bundesland verschieden. Insgesamt werden in Österreich 1,2 bis 2,2 Milliarden Euro für die Behandlung aufgebracht.
Eine fachgerechte Laienversorgung durch die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen, die hier eine deutliche Verbesserung der Situation herbeiführen könnte, fehlt bis dato aufgrund mangelnden Wissens. Die Herausforderungen sind insgesamt groß: Es fehlt an ausreichenden Wundambulanzen, an kassenunterstützten Ordinationen mit Schwerpunkt Wundmanagement sowie an der Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsträger.
Verbesserte Laienpflege als Teil der Lösung
Mit dem neuen Ratgeber soll die Laienpflege gefördert werden. Fachgerechte Laienpflege kann die Wundsituation stabilisieren, verbessern und somit zur Erhaltung der Autonomie der Betroffenen beitragen. „Uns ist es ein großes Anliegen, mit dem Patient•innenratgeber und der Website den Patient•innen und ihren Angehörigen ein Werkzeug und Nachschlagewerk in die Hand zu geben, das gemeinsam von allen Disziplinen mit Input der Betroffenen verfasst wurde“, so Mag. Barbara Rajtora, Projektverantwortliche im Verlagshaus der Ärzte, das seine Verantwortung darin sieht, einen solchen dringend benötigten Ratgeber herauszubringen und Ärzteschaft, Gesundheitsberufe und Patient•innen miteinander zu vernetzen. Ökonom•innen schätzen, dass mit innovativer Wundversorgung bis zu 180,5 Million Euro über einen Zeitrahmen von 16,4 Wochen eingespart werden könnten.
Hintergrundinformationen
Über die Initiative „Wund?Gesund!“
Die Initiative Wund?Gesund! ist ein Zusammenschluss aus Unternehmen und Kooperationspartnern aus dem Gesundheitswesen. Durch effiziente und innovative Wundmedizin kann der Genesungsprozess beschleunigt, [Folge-]Kosten reduziert und das Patientenwohl gesteigert werden. Die Initiative Wund?Gesund! will daher verstärkt über Chancen und Möglichkeiten einer modernen Wundversorgung aufklären und mehr Transparenz im Bereich Verbandstoffe für die optimale Patientenversorgung erreichen.
Weitere Informationen zur Initiative Wund?Gesund! finden sie unter www.wund-gesund.at.
Patient•innenratgeber „Hilfe zur Selbsthilfe – Wunden besser verstehen und versorgen“
Erhältlich ab 29.09.2021 im Buchhandel und unter www.aerzteverlagshaus.at
Euro 24,90
ISBN: 978-3-99052-245-5
200 Seiten
(Bilder: AdobeStock, Buchcover: Ärzteverlagshaus)