Die Zukunft der Therapieplanung liegt im Arzt-Patienten-Gespräch und im gemeinsamen „Shared Decision Making“ sozusagen auf Augenhöhe. Die Myelom- und Lymphomhilfe Österreich rund um Elfi Jirsa zeigt, wie eine derartige gemeinsame Entscheidungsfindung funktionieren kann und stellt außerdem einen interaktiven „Entscheidungscoach“ für Patientinnen und Patienten zur Verfügung.
Je mehr man sich selbst einbringt, desto besser kann die Behandlung auf seine persönlichen Bedürfnisse abgestimmt werden
„Die Fragen, die bei der Diagnose einer seltenen bzw. schweren Erkrankung auftauchen sind für Patientinnen und Patienten oft überwältigend. Viele ziehen sich deshalb aus wichtigen Entscheidungen hinsichtlich Therapie und weiterer Vorgehensweise zurück und treten diese allein an das Behandlungsteam ab,“ sagt Elfi Jirsa, Präsidentin der Myelom- und Lymphomhilfe Österreich und selbst seit 1989 Myelom-Patientin.
„Dabei sollte man aber genau das Gegenteil tun. Denn je mehr man sich selbst einbringt, desto besser können die Ärztinnen und Ärzte auf die persönlichen Bedürfnisse eingehen. Die aktive Beteiligung sorgt dafür, dass die Therapie bestmöglich in den eigenen Alltag passt und erleichtert dem Behandlungsteam die Arbeit.“ Das bestätigen auch mehrere internationale Studien aus Australien, England und den USA.
Das Problem dabei ist, dass diese gemeinsame Entscheidungsfindung, oder „Shared Decision Making“ noch nicht ganz im medizinischen Alltag angekommen ist. Dafür gibt es mehrere Gründe. Eine Untersuchung der Hadassah-Hebrew University Medical Center, des Israel Center for Medical Simulation [MSR] und des Chaim Sheba Medical Center zeigt zum Beispiel, dass vor allem Zeitmangel die Ärztinnen und Ärzte daran hindert, Shared Decision Making stärker zu implementieren. Auf der anderen Seite halten viele Patientinnen und Patienten bewusst und unbewusst wichtige Informationen zurück. Laut zwei US-Studien hauptsächlich aus Angst davor, belehrt oder gering geschätzt zu werden.
„Hier nehmen wir als Selbsthilfegruppe die Rolle eines Vermittlers ein. Wir motivieren Patientinnen und Patienten dazu sich zu informieren und stellen ihnen das Wissen auch jederzeit gerne zu Verfügung. Gleichzeitig versuchen wir bei den Ärztinnen und Ärzten für mehr Bewusstsein für die Ängste und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zu sorgen,“ informiert Elfi Jirsa.
Interaktiver „Entscheidungscoach“
Genau deshalb hat die Myelom- und Lymphomhilfe einen interaktiven „Entscheidungscoach“ entwickelt, der für alle Patientinnen und Patienten frei zugänglich ist. „Die Idee dazu wurde bereits mit dem internationalen ImpactHeme Award ausgezeichnet. Jetzt haben wir das Projekt unter dem Namen „Gute Entscheidungen treffen bei Blutkrebs„ zusammen mit dem Onkologen OA Dr. Martin Schreder, dem Psychoonkologen Mag. Philipp Schütze und dem Team von selpers.com umgesetzt.“
In einer interaktiven Schulung werden Patientinnen und Patienten dabei bei sehr wichtigen und nicht einfachen Entscheidungsfindungen begleitet: Welche Therapie ist die für mich Richtige? Woher weiß ich, welche Möglichkeiten der Therapie es gibt? Welchen Einfluss kann ich auf die Entscheidungsfindung nehmen? Und was, wenn die vorgeschlagene Therapie so gar nicht zu meinen Vorstellungen passt? All diese Fragen werden darin zusammen mit den Expertinnen und Experten aufgearbeitet.
Einzigartiges Projekt im deutschsprachigen Raum
„Informierte und selbstbestimmte Patientinnen und Patienten spielen eine immer wichtigere Rolle in der Behandlung. Ich freue mich, dass wir mit diesem einzigartigen Projekt einen wertvollen Beitrag dazu leisten können, die Idee der gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen Patientinnen und Patienten auf der einen Seite und Ärztinnen und Ärzten auf der anderen Seite im deutschsprachigen Raum zu etablieren,“ so Elfi Jirsa abschließend.
„Gute Entscheidungen treffen bei Blutkrebs“ ist ab sofort
kostenlos und ohne Anmeldung HIER abrufbar.
Hintergrundinformation
Die Aufgabe und Ziel des Vereines Myelom- und Lymphomhilfe Österreich ist es, Krebspatientinnen und -patienten, die an Multiplem Myelom, einer Lymphom-Erkrankung oder MDS leiden, zu unterstützen, ebenso wie deren Angehörige und Nahestehende, sowie deren Interessen zu vertreten.
In diesem Sinn bietet der Verein
- umfangreiche Beratung aus Sicht der Patientinnen und Patienten aufgrund der Erfahrungen aus dem eigenen Krankheits- und Therapieverlauf. [Anmerkung: Dies kann aber niemals ausführliche Gespräche mit Ärztinnen und Ärzten ersetzen.];
- Veranstaltungen für Betroffene, Angehörige und Interessierte mit Fachvorträgen spezialisierter Ärzt•innen oder Gastreferent•innen;
- Informationen über neueste Therapiemöglichkeiten und laufende Studien;
- Zusammenarbeit mit fachkompetenten Ärzt•innen und Institutionen;
- Zusammenarbeit mit anderen Patientenhilfsorganisationen und Öffentlichkeitsarbeit;
- Erfahrungsaustausch und Gespräche mit Gleichbetroffenen;
- verlässliche Links und Informationsmaterial.
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