Anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen treten Menschen mit Behinderungen für ihr Recht auf Teilhabe, Selbstbestimmung und Inklusion ein. Das Recht auf ein „Selbstbestimmtes Leben und Inklusion in der Gemeinschaft“ ist im Artikel 19, der bereits 2008 ratifizierten Behindertenrechts-Konvention, verbrieft.
Mit dem neuen Leitfaden „Inklusion in Gemeinden“ unterstützt die Lebenshilfe Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, eigene Aktionspläne zur Umsetzung des Menschenrechts auf Wohnen und auf ein Leben in der Gemeinschaft zu entwickeln.
Wahlmöglichkeit des Wohnortes oft nicht gegeben
In den meisten Gemeinden ist dieses Bild von Inklusion noch nicht Realität. Selbstvertreter•innen und Angehörige der Lebenshilfe fordern daher ihr Recht auf selbstbestimmtes Wohnen und Leben ein. Selbstbestimmt Wohnen bedeutet, sich den Wohnort und die Wohnform selbst aussuchen zu können. Selbstbestimmtes Wohnen heißt auch, dass man frei entscheiden kann, ob man alleine oder mit wem man gemeinsam wohnen möchte.
„Für Selbstbestimmung und für die Möglichkeit frei zu entscheiden, braucht es das notwendige Angebot. Das ist bis heute nicht ausreichend bis gar nicht gegeben,“ erklärt Markus Neuherz, Generalsekretär der Lebenshilfe Österreich. Zentrale Aspekte für selbstbestimmtes Wohnen sind daher Wahlmöglichkeiten, Sozialraumorientierung, der Zugang zu notwendigen Unterstützungs- und Assistenzleistungen und ein barrierefreies Umfeld.
Noch ein weiter Weg zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen
Auf den Weg zu einer inklusiven Gesellschaft von Menschen mit Behinderungen ortet auch der ÖZIV Bundesverband – Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen – noch eine Vielzahl von Versäumnissen. „Zwar hat Österreich im Jahr 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben, aber fast 14 Jahre später sind wir von der Umsetzung der Konvention immer noch ein großes Stück entfernt,“ bewertet Rudolf Kravanja, Präsident des ÖZIV Bundesverbands, die aktuelle Situation enttäuscht.
„Trotz gesetzlicher Regelungen ist beispielsweise Barrierefreiheit in vielen Bereichen noch immer nicht vollständig umgesetzt, wie auch unsere regelmäßig durchgeführten Einkaufsstraßenstudien zeigen,“ hält Kravanja fest. Die Beseitigung von Barrieren ist essenziell, um Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe im Alltag zu ermöglichen. Zudem gehen die rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten nicht weit genug: zwar können bei bestehenden Barrieren und damit verbundener Diskriminierung Schlichtungen angestrengt werden, ein Rechtsanspruch auf Beseitigung dieser Barrieren besteht allerdings nach wie vor nicht.
Inklusion in Gemeinden ist der Schlüssel zur Selbstbestimmung
Länder und Gemeinden sind daher gefordert, diesbezüglich das entsprechende Umfeld sicherzustellen. „Wir freuen uns, dass es bereits Gemeinden mit eigenen Aktionsplänen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gibt,“ zeigt sich Hanna Kamrat, Vizepräsidentin und Selbstvertreterin der Lebenshilfe Österreich optimistisch. „Mit dem Leitfaden ‚Inklusion in Gemeinden‘ möchten wir die Verantwortlichen vor Ort unterstützen, eigene Aktionspläne zu erarbeiten. Ziel ist, die volle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen.“
Die Gemeinde Wiener Neudorf in Niederösterreich etwa geht als Inklusionsgemeinde mit gutem Beispiel voran. Im Leitfaden teilen die Verantwortlichen des Inklusionsteams und der Bürgermeister ihre Erfahrungen und rufen dazu auf, rasch erste Schritte zu setzen.
Aktionen in ganz Österreich: Menschen mit Behinderungen gehen aktiv auf Gemeinden zu
Die Lebenshilfe möchte weitere Gemeinden ermutigen, inklusive Maßnahmen und Ziele umzusetzen, richtungsweisend zu agieren und gemeinsam den Weg für eine chancengerechte Zukunft zu ebnen. Die Selbstvertreter•innen der Lebenshilfen in Österreich überreichen daher den Leitfaden für Inklusion in den Gemeinden in den kommenden Wochen und Monaten an zahlreiche Bürgermeister•innen und stehen als Expert•innen in eigener Sache für Fragen rund um das Thema Barrierefreiheit und Inklusion beratend zur Seite.
Unsere Vision: miteinander statt nebeneinander
Die Vision der Lebenshilfe ist, dass alle Menschen in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit anerkannt und wertgeschätzt zusammenleben können.
Menschen mit Behinderungen wohnen und leben mitten in der Gemeinschaft – von Anfang an. Kinder mit und ohne Behinderungen besuchen die gleichen Kindergärten und Schulen in ihrer Nachbarschaft. Ausbildung und Beruf finden gemeinsam in inklusiven Betrieben statt. In der Freizeit haben alle die Möglichkeit, in Sportvereinen, Theater- oder Musikgruppen nach ihrer Wahl mitmachen zu können. Das ist Inklusion.
Service
Mehr zum Thema Inklusion in den Gemeinden und der Leitfaden sind HIER abrufbar.
(Bilder: AdobeStock)