Schilddrüsenerkrankungen sind weit verbreitet. In Österreich hat jede•r Dritte im Laufe seines Lebens Probleme mit dem den Hormonhaushalt regulierenden Organ. Die Schilddrüse beeinflusst sehr viele Vorgänge im menschlichen Körper, ihre Hauptfunktion ist dabei die Regelung des Energiestoffwechsels. Ist das schmetterlingsförmige Organ aus dem Lot, können vielfältige Symptome auftreten.
Dennoch wird die Mehrheit der Schilddrüsenerkrankungen erst entdeckt, wenn sich Symptome von anderen Folgeerkrankungen zeigen. Wird eine Schilddrüsenerkrankung nicht diagnostiziert, kann dies zu zahlreichen Beschwerden, wie zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen und Gewichtsprobleme führen. Werden die Veränderungen der Schilddrüse jedoch frühzeitig erkannt, können Schilddrüsenoperationen und viele Folgeerkrankungen oftmals vermieden werden.
Risikofaktoren für eine Schilddrüsenerkrankung
Als Risikofaktoren gelten eine familiäre genetische Prädisposition, ein Typ-I-Diabetes sowie Down- oder Turner-Syndrom. Auch neigen Personen mit zunehmendem Alter vermehrt zu Schilddrüsenerkrankungen.
Bei Frauen im gebärfähigen Alter sind Schilddrüsenfunktionsstörungen die zweithäufigste endokrinologische Erkrankung. Eine Unter- wie Überfunktion der Schilddrüse stellen eine der häufigsten Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch dar. Auch in der Schwangerschaft besteht häufig ein Zusammenhang zwischen Fehlgeburten und Schilddrüsenfunktionsstörungen. Eine Vorsorgeuntersuchung auf Schilddrüsenfunktionsstörungen ist in solchen Fällen immer ratsam.
Nuklearmediziner•innen: Spezialisten in Behandlung und Diagnose bei Schilddrüsenerkrankungen
Grundsätzlich wird bei Erkrankungen der Schilddrüse zwischen Fehlfunktionen [Über- oder Unterfunktion] und Veränderungen in Größe und Beschaffenheit [Vergrößerungen, Knoten, Tumore] unterschieden. Häufig bestehen Überschneidungen und Mischformen. Dabei sagt eine strukturelle Veränderung allerdings noch nichts über die Funktion des Organs aus und umgekehrt. Eine vergrößerte Schilddrüse wird als Struma bezeichnet.
„Der deutsche Ausdruck für Struma ist Kropf. Strumen sind außerordentlich häufig und sollten von Fachärzt•innen in einem entsprechenden Zentrum abgeklärt werden,“ erklärt Dr.med.univ. Wolfgang Buchinger, Präsident der Österreichischen Schilddrüsengesellschaft. Er rät zu einer raschen Abklärung. Die Basisuntersuchungen bei Verdacht auf eine Struma sind die Ultraschalluntersuchung des Halses und die Bestimmung der wichtigsten Schilddrüsenwerte im Blut.
Diagnostik von Knoten in der Schilddrüse
„Zur primären Diagnostik gehört eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse und eine Blutuntersuchung zur Bestimmung der Schilddrüsenhormonspiegel und gegebenenfalls weiterer Werte. Häufig ist eine Schilddrüsenszintigraphie erforderlich,“ führt Dr. Buchinger weiter aus.
„Bei Schilddrüsenknoten führen wir Nuklearmediziner•innen eine Szintigraphie durch. Dabei wird Patienten eine geringe Menge einer leicht radioaktiven Substanz in eine Armvene gespritzt. Diese wird innerhalb von 15 bis 20 Minuten von den Schilddrüsenzellen aufgenommen und die dadurch sichtbaren Veränderungen von einer sogenannten Gamma-Kamera erfasst. Die Strahlenbelastung ist gering,“ erklärt Univ.-Prof. Dr. Siroos Mirzaei, Leiter der Gruppe Schilddrüsenerkrankungen der OGNMB und Institutsvorstand für Nuklearmedizin am Klinikum Otterkring Wien. Bei den meisten Patient•innen handelt es sich um gutartige Knoten, die nur in speziellen Fällen einer definitiven Sanierung bedürfen.
Radiofrequenzwellen – die minimal-invasive Methode kann eine OP ersetzen
Durch den Einsatz von Radiofrequenzwellen steht seit einigen Jahren eine minimal-invasive Technik zur Behandlung von Schilddrüsenknoten und -zysten zur Verfügung. Mit dieser Methode kann eine Operation an der Schilddrüse vermieden werden. „Dieses Vorgehen eignet sich besonders gut bei multimorbidem und älteren Patienten•innen. Während der Schwangerschaft wird die Radiofrequenzablation aus Sicherheitsgründen nicht durchgeführt,“ erklärt Univ.-Prof. Dr. Siroos Mirzaei.
Welche Funktionsstörungen können bei Schilddrüsenerkrankungen vorliegen?
Hinsichtlich der möglichen Funktionsstörungen der Schilddrüse informiert Dr. Buchinger in folgendem Video:
State-of-the-Art der Schilddrüsenbehandlung
„In der aktuellen Diskussion über Kassenfachärzt•innen und Wahlärzt•innen wird oftmals wenig berücksichtigt, dass es in Österreich medizinische Sonderfächer gibt, die aufgrund fehlender Kassenverträge keine wahlärztliche Verrechnungsmöglichkeiten haben. Diese Möglichkeit ist Fachärztinnen und Fachärzten für Nuklearmedizin im Gegensatz zu Deutschland bislang verwehrt“, bestätigt Univ.-Doz. Dr. Hans-Jürgen Gallowitsch.
Fachärzt•innen für Nuklearmedizin bieten alle diagnostischen und nahezu alle therapeutischen Behandlungen bei den Erkrankungen der Schilddrüse an. „Die Möglichkeit der komplexen Abklärung mittels Sonographie, Szintigraphie und Feinnadelpunktion und die nötigen Laboruntersuchungen werden von uns Nuklearmedizinern in einem »One-Stop-Shop« ermöglicht. Neben einzelnen Instituten sind diese Untersuchungen lediglich in Krankenhäusern gegeben, welche über eine nuklearmedizinische Einrichtung verfügen.
Viele dieser Schilddrüsen-Untersuchungen könnten bei entsprechendem Leistungsangebot jedoch auch in Kassenpraxen für Nuklearmedizin bestens erbracht werden“, bestätigt Dr. Gallowitsch.
Spitalsambulanz: Zentren für akute und komplexe Schilddrüsenerkrankungen
Die Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung [OGNMB] ist sich einig, dass Spitalsambulanzen primär die Anlaufadresse für akute und komplexe Fragestellungen für Schilddrüsenerkrankungen sein sollten. Derzeit werden die Krankenhäuser, die auch tatsächlich über eine nuklearmedizinsiche Abteilung verfügen, mit den Routineuntersuchungen und -kontrollen wie Nachuntersuchungen nach Schilddrüsenoperationen überlaufen. Diese Tatsache führt zu entsprechend langen Wartezeiten in den Spitalsambulanzen. Damit verbunden ist ein Fachärztemangel, die fehlende Niederlassungsmöglichkeit erscheint für viele angehende Mediziner•innen weniger attraktiv.
Nuklearmedizinische Untersuchungen liefern präzise, zuverlässige Bildinformationen. Bei Schilddrüsenerkrankungen sind sie die erste und kompetente Ansprechstelle. „Es bleibt zu hoffen, dass Gespräche über künftige ärztliche Leistungen, die mit den Sozialversicherungen geführt werden, diese Problematik berücksichtigen und lösen“, wünscht sich Dr. Gallowitsch für die Zukunft der Nuklearmedizin.
Schilddrüsenuntersuchung durch Fachärzt•innen für Nuklearmedizin: Behandlung mit Durchblick
Die Schilddrüsenszintigraphie benutzt bestimmte Radiopharmaka, die in ihren chemischen Eigenschaften mit dem stabilen Iod identisch sind oder ihm ähneln. Sollte so beispielsweise eine Erkrankung der Schilddrüse bis hin zu Schilddrüsenkrebs diagnostiziert werden, besteht keine unbedingt lebensgefährliche Situation, da fast alle bösartigen Erkrankungen der Schilddrüse heilbar sind – wenn sie früh genug und richtig behandelt werden. Diese werden mit großem Erfolg klassisch mit der Radiojodtherapie behandelt.
Nach einer Operation an der Schilddrüse wird mit Hilfe der risikoarmen Radiojodtherapie das verbliebene Schilddrüsengewebe und darin eventuell vorhandener Tumorzellen komplett ausgeschaltet. Bei diesem nuklearmedizinischen Therapieverfahren nehmen die Tumorzellen radioaktives Jod-131 auf. Die im Gewebe nur kurz reichende ß-Strahlung dieses radioaktiven Stoffes wird dabei genutzt, um das Restgewebe der Tumore wirkungsvoll abzutöten. Für die Patient•innen ist im Anschluss an eine solche nuklearmedizinische Schilddrüsenkrebstherapie wieder ein normales Leben möglich.
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