Lebensmittelverschwendung ist ein enormes gesellschaftliches Problem, dessen Tragweite am „Tag der Lebensmittelrettung“ besonders deutlich wird: Weltweit wird jährlich so viel Essen weggeworfen – rund 40 Prozent der produzierten Lebensmittel –, dass rechnerisch gesehen alle vom Jahresbeginn bis zum 26. Mai produzierten Lebensmittel verschwendet werden. Österreich trägt dazu jedes Jahr über 900.000 Tonnen Lebensmittelmüll bei. Um diese Menge zu transportieren, bräuchte man rund 50.000 LKWs, die aneinandergereiht einen Stau von Wien bis nach Zürich bilden würden.
„Diese sinnlose Verschwendung ist nicht nur aus ethischer Sicht ein Wahnsinn, sondern auch für unseren Planeten fatal. Denn die Lebensmittelabfälle sind für rund zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Hinzu kommt der unnötige Flächen-, Wasser- und Energieverbrauch. Das können wir uns weder angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise noch in Hinblick auf die Ernährungssicherheit leisten,“ sagt Dominik Heizmann, WWF-Experte für nachhaltige Ernährung.
800 Euro pro Haushalt und Jahr landen im Müll
Die Ursprünge der Lebensmittelverschwendung finden sich in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung, im Handel und im Außer-Haus-Verzehr – vor allem aber im Privathaushalt. In Österreich werfen wir in den eigenen vier Wänden sogar sechsmal so viel weg wie Supermärkte und Großhandel zusammen.
Für Hannes Royer, Obmann des Vereins Land schafft Leben, zeigt diese Zahl den deutlichen Handlungsbedarf für die Konsumentinnen und Konsumenten: „Gerade beim Thema Lebensmittelverschwendung hat jede und jeder einzelne so viel Macht, etwas zu verbessern. Doch unser Konsumverhalten und unser Umgang mit Lebensmitteln sind teilweise völlig widersprüchlich: Wir kaufen zu viel vom Billigsten, nur um dann einen Teil davon wegzuwerfen – und das, obwohl die Lebensmittelpreise immer weiter ansteigen. Dabei könnten wir hier ganz einfach Geld sparen, indem wir weniger wegwerfen. Immerhin belaufen sich unsere Lebensmittelabfälle auf rund 800 Euro pro Haushalt und Jahr.“
WWF fordert zumindest eine Halbierung der Lebensmittelabfälle bis 2030
Bisher ging man davon aus, dass etwa ein Drittel der produzierten Lebensmittel verschwendet werden. Neue Untersuchungen für den Landwirtschaftssektor verschieben die Marke auf rund 40 Prozent. Der WWF fordert daher von der Bundesregierung zumindest eine Halbierung der Lebensmittelabfälle bis 2030: „Wir brauchen dringend eine verbesserte Datenlage entlang der gesamten Wertschöpfungskette, um die Entstehung der Verluste flächendeckend zu analysieren und verbindliche Reduktionsziele und Maßnahmen für alle betroffenen Akteure festzulegen,“ sagt Heizmann. „Die Politik muss alle relevanten Gesetze und Vorschriften auf ihr Potential zur Abfallentstehung prüfen und reformieren. Darüber hinaus muss das öffentliche Bewusstsein für die Wertigkeit unserer Lebensmittel gestärkt werden.“
Allein in Österreich fallen laut WWF jährlich über 900.000 Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen an – mehr als die gesamte Kärntner und Salzburger Bevölkerung isst. Neben Brot und Gebäck landet vor allem Obst und Gemüse am häufigsten im Mistkübel. Unter dem Motto „Kübel den Schönheitswahn, nicht dein Obst und Gemüse“ will der WWF Österreich daher mehr Bewusstsein für die Wertigkeit von Obst- und Gemüse schaffen. Denn bereits am Anfang der Wertschöpfungskette wird sehr viel genießbares Obst und Gemüse unnötig aussortiert.
Hauptursache dafür sind Handelsnormen, die einheitliche Größen, Formen oder Farbe vorgeben. Diese führen häufig dazu, dass einwandfrei genießbares Obst und Gemüse nicht im Verkauf landet – oder gar nicht erst geerntet wird: „Die Natur hält sich nicht an vom Markt vorgegebene ästhetische Normen. Kein Obst und Gemüse sollte wegen einer ungewöhnlichen Form oder rein äußerlicher Makel in der Tonne landen,“ fordert Heizmann. Der Handel müsse daher auch krummes Obst und Gemüse attraktiv im Supermarkt anbieten und mehr Absatzmärkte für diese sogenannten B-Waren schaffen.
Fleisch im Müll ist Klimakiller
Die größten negativen Umweltauswirkungen hat die Verschwendung von ressourcen-intensiven, tierischen Lebensmitteln wie Fleisch und Milchprodukten – daher sei mit diesen ein besonders achtsamer Umgang nötig: „Gerade in der Grillsaison verlocken Rabatte dazu, mehr einzukaufen, als auf den Teller passt. Von leicht verderblichen Produkten wie Fleisch sollte man daher nur so viel kaufen, wie man in den nächsten Tagen auch sicher verbrauchen kann. Das ist gut für die Geldbörse und die Umwelt,“ so Dominik Heizmann.
In diesem Sinn trägt auch der Handel eine große Verantwortung – Schleuderpreise auf Fleisch verführen Menschen dazu, mehr einzukaufen, als sie wirklich brauchen. „Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen, um die Lebensmittelverschwendung zu stoppen. Gleichzeitig können aber auch wir alle einen Beitrag leisten, indem wir beim Einkauf stärker auf die Produktion, Herkunft und Qualität der Lebensmittel achten und weniger auf die rein optischen Eigenschaften“, sagt Heizmann.
Mehr als nur ein Füllstoff
Selbstverständlich ist Lebensmittelverschwendung weit mehr als nur ein monetäres Problem. Sie trifft vor allem die Umwelt: Bis zu zehn Prozent der global produzierten Treibhausgasemissionen entstehen allein durch Produktion, Verpackung und Transport von Lebensmitteln, die weggeworfen werden. Auch für Royer braucht es vor allem mehr Bewusstsein für den Wert unserer Lebensmittel, damit weniger verschwendet wird.
„Lebensmittel sind nicht einfach nur ein Füllstoff für unseren Körper. Hinter ihnen stecken enorm viele Ressourcen – und dabei geht es nicht nur um den hohen Energieaufwand für Produktion, Verpackung und Transport, sondern auch um Menschen, die das Lebensmittel produzieren, um Tiere, die dafür geschlachtet werden und um Land, das für den Anbau genutzt wird und somit als wichtiger CO2-Speicher verloren geht. Es ist dringend an der Zeit, dass wir umdenken und uns den Wert unserer Lebensmittel bewusst machen. Denn was einem etwas wert ist, das wirft man auch nicht leichtfertig in den Müll.“
Service
Weitere Informationen zum Thema Lebensmittelverschwendung finden sie HIER auf der Seite des WWF sowie HIER auf der Seite von Land schafft Leben.
(Bilder: AdobeStock, Grafik: Land schafft Leben)