Frühlingszeit ist Pollenzeit ist Allergiezeit. Doch wer nur dem verstärkten Pollenflug die Schuld an tränenden Augen und laufender Nase gibt, greift zu kurz, wie der globale Forschungsbericht der International Union of Forest Research Organizations [IUFRO] zeigt. Luftverschmutzung, Klimawandel, ein gestörtes Verhältnis zwischen Mensch und Natur oder auch falsche Baumarten in bewohnten Gebieten seien unter anderem die Gründe für die Zunahme von Pollenallergien. Der Forschungsbericht wurde vor kurzem vor dem UN-Waldforum in New York präsentiert.
Positive gesundheitliche Auswirkungen von Wäldern, Bäumen und Grünflächen überwiegen
Der jüngst veröffentlichte Forschungsbericht „Forests and Trees for Human Health: Pathways, Impacts, Challenges and Response Options“ [Wald, Bäume und menschliche Gesundheit: Prozesse, Wirkungen, Herausforderungen und Handlungsoptionen] des Global Forest Expert Panels [GFEP] zu Wald und menschlicher Gesundheit unter Leitung der IUFRO bewertet erstmals die wissenschaftliche Datenlage zu den vielfältigen gesundheitsfördernden Wirkungen von Wäldern, Bäumen und Grünflächen weltweit.
Eines der zentralen Ergebnisse: Die positiven gesundheitlichen Auswirkungen von Wäldern, Bäumen und Grünflächen – wie unter anderem Steigerung des psychischen Wohlbefindens, Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und allgemeine Verringerung der Sterblichkeit – überwiegen die negativen bei weitem. Zu den negativen Auswirkungen werden beispielsweise das Auftreten von Zoonosen und Allergien gezählt – doch hier müsse man differenziert bewerten.
Zunahme an Pollenallergien als Ergebnis eines naturfernen und ungesunden Lebensstils
„Die negativen Auswirkungen sind meist auf ein gestörtes Verhältnis von Mensch und Natur zurückzuführen“, sagt Dr. Matilda van den Bosch, Medizinerin und Senior Researcher am Barcelona Institute for Global Health [ISGlobal]. So liegt etwa ein Missverständnis vor, wenn man städtische Grünflächen und Bäume für verstärkte Pollenallergien verantwortlich macht. Die allgemeine Zunahme an Allergien betrifft vornehmlich reichere Länder und ist hauptsächlich das Ergebnis eines naturfernen und ungesunden Lebensstils, verstärkt durch den Klimawandel, der unter anderem durch höhere Temperaturen die Pollensaison verlängert, so der Bericht. „Wir sehen hier eine falsche Entwicklung im Verhältnis von Mensch und Natur, der durch politische Entscheidungen und Maßnahmen gegengesteuert werden muss“, ergänzt Dr. van den Bosch.
„Auch die Verringerung der Luftverschmutzung ist ein wichtiger Weg, um die Gesundheit der Menschen zu verbessern. Das gilt ebenfalls in Zusammenhang mit Allergien. Einige Studien deuten darauf hin, dass Luftschadstoffe die Allergenität von Pollen erhöhen“, erläutert Dr. van den Bosch. Umgekehrt tragen Bäume und Grünflächen insgesamt zu einer gesünderen Umwelt bei und können die Luftverschmutzung, insbesondere in Städten, verringern.
„Was Erkrankungen wie Asthma oder Allergien betrifft, so gibt es keine einheitlichen wissenschaftlichen Ergebnisse, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen mehr Grünflächen und einem stärkeren oder schwächeren Auftreten der Beschwerden bestätigen würden“, sagt Dr. Payam Dadvand, Mediziner und Umweltepidemiologe am Barcelona Institute for Global Health [ISGlobal]. Eine Studie in mehreren europäischen Ländern zeigt zum Beispiel bei einigen Untersuchungsgruppen positive Effekte, bei anderen keine oder negative Effekte. „Deshalb sollten Pollenallergien grundsätzlich kein Argument gegen die Begrünung von Städten sein“, ergänzt Dr. Dadvand.
Botanischer Sexismus sorgt für mehr Pollen
In der Grünraumplanung in Städten wird oft auf männliche Bäume gesetzt, da diese im Gegensatz zu den weiblichen keine Samen und damit weniger Abfall produzieren. Doch wenn die weiblichen Exemplare fehlen, können die Pollen der männlichen Bäume nicht durch weibliche Blüten eingefangen und in Schranken gehalten werden. „Um Allergien vorzubeugen, sollten Stadtplanerinnen und Stadtplaner daher einerseits Arten auswählen, die weniger allergen sind – wie etwa Tulpenbäume und Magnolien – und andererseits auch verstärkt weibliche Bäume pflanzen”, so Dr. van den Bosch.
Immunsystem gegen Allergene trainieren
Umsichtig geplante Grünflächen in Städten können auch dafür sorgen, dass das Immunsystem junger Menschen gegen Allergien trainiert wird. „Sind Menschen bereits in ihrer frühen Kindheit vielfältigen Mikroorganismen ausgesetzt, entwickelt unser Immunsystem ein Gedächtnis für verschiedene Erreger oder Allergieauslöser, erkennt sie als schädlich oder nicht schädlich. Es wird angenommen, dass eine geringere Exposition gegenüber einer natürlichen, biodiversen Umgebung einer der Gründe für die Zunahme von Allergien ist “, erklärt Dr. van den Bosch.
Präsentation des Forschungsberichts vor UN-Waldforum
Der Bericht „Forests and Trees for Human Health: Pathways, Impacts, Challenges and Response Options“ wurde im Rahmen der 18. Sitzung des Waldforums der Vereinten Nationen in New York politischen Entscheidungsträger•innen vorgestellt. Das Waldforum [United Nations Forum on Forests, UNFF], das auf langfristige, gemeinsam formulierte waldpolitische Ziele ausgerichtet ist, ist eine zwischenstaatliche Einrichtung des Wirtschafts- und Sozialrats der UNO und widmet sich als einziges UN-Organ ausschließlich den Wäldern und ihrer Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung.
Dr. Christoph Wildburger, Leiter des Science-Policy Programms der IUFRO, zu der auch die Initiative der Global Forest Expert Panels [GFEP] gehört, präsentierte den globalen Forschungsbericht und die damit einhergehenden Empfehlungen für die Politik. „Der Bericht unterstreicht die wichtigen Beiträge von Wäldern und Bäumen zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und deren Zielen [Sustainable Development Goals / SDGs]. Besonders im Fokus ist SDG3, ‚ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und das Wohlergehen zu fördern‘“, so Dr. Wildburger.
Service
Den gesamten Report können sie HIER in Englischer Sprache downloaden.
(Bilder: AdobeStock, Iufro.org/ Nelson Grima, M. van den Bosch, P. Dadvand, Moritz Wildburger)