Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an älteren Menschen betont Dr. Peter Kostelka, Präsident des unabhängigen Pensionistenverbandes Österreichs [PVÖ], die Notwendigkeit von effizienten Maßnahmen gegen Gewalt an älteren Menschen: „Laut Auskunft der Weltgesundheitsorganisation WHO werden geschätzt 10.000 ältere Menschen in Europa täglich misshandelt – die Dunkelziffer liegt vermutlich noch deutlich höher. Wir müssen dabei raus aus der Tabuzone, wir dürfen nicht wegschauen, nicht darüber hinwegsehen, wir müssen informieren, unterstützen und im Verdachtsfall auch rasch reagieren! Nur so kann Gewalt verhindert werden!“
Opfer können oftmals nicht mehr selbst um Hilfe ansuchen
Besonders häufig sind laut Studien Frauen mit erhöhtem Pflegebedarf oder fortgeschrittener Demenz betroffen. Die Opfer können oftmals nicht mehr selbst um Hilfe ansuchen, oder sie haben Angst Hilfe zu suchen. Hier muss das Umfeld, der Hausarzt bzw. die Hausärztin, die mobile Pflegekraft, aufmerksam sein. Aber auch Pensionistenverbände spielen hier eine wichtige Rolle und haben eine hohe Verantwortung. „Wenn der Verdacht besteht, so muss dies unbedingt sensibel und behutsam angesprochen werden“, so der PVÖ-Präsident.
„Gewalt hat viele Gesichter, wird oft versteckt, ist nicht immer sichtbar, sie wird verschwiegen, aber sie verletzt immer – physisch und psychisch! Deshalb ist es dem PVÖ ein besonderes Anliegen, auf dieses Tabuthema aufmerksam zu machen, zu sensibilisieren und den Opfern zur Seite zu stehen“, betont Kostelka und unterstreicht, dass sich Betroffene, aber auch Freunde, Bekannte oder Verwandte beim Pensionistenverband jederzeit professionelle Hilfe bei der PVÖ-Lebenshilfe holen können.
Gewalt als Folge psychischer und/ oder körperlicher Überlastung
„Gewalt passiert leider auch oft zu Hause hinter verschlossenen Türen und ist meist eine Folge von Überforderung“, so Kostelka. Um Gewalt durch Überforderung zu verhindern, braucht es noch mehr Unterstützung für pflegende Angehörige wie zum Beispiel die Einrichtung von Informationsstellen, an die sich pflegende Angehörige mit fachlichen Fragen aber auch bei eigener psychischer und/ oder körperlicher Überlastung wenden können, sowie den Ausbau von Einrichtungen wie Tageszentren, die mit von Demenz betroffenen Menschen ein adäquates Aktivitätenprogramm durchführen und so die pflegenden Angehörigen zumindest kurzzeitig entlasten können. Weiters müsse, so Kostelka, auch der mobile Bereich durch den Ausbau der mobilen Einrichtungen wie Heimhilfe, Altenhilfe, Besuchsdienst, Hauskrankenpflege gestärkt werden.
Gewalt gegen Ältere schadet uns allen und muss verhindert werden!
„Gewalt darf in keinem Alter akzeptiert werden. Und gerade Gewalt gegen ältere Menschen wird gerne tabuisiert und in den Debatten zur Seite geschoben. Hier leiden besonders Frauen unter körperlicher und insbesondere psychischer Gewalt und sozialer Isolation, oft durch die eigenen Partner. Die Betroffenen suchen oft keine Hilfe – einerseits aus Scham, andererseits, weil die Ansprechpersonen fehlen. Diesen Teufelskreis müssen wir durch Sensibilisierung und Aufklärung durchbrechen!“, fordert auch Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec.
Sie erinnert daran, dass Gewalt viele Gesichter hat. „Viele denken zuerst an körperliche Gewalt. Aber auch Vernachlässigung, herabwürdigende Behandlung, beispielsweise durch Infantilisierung, die Einschränkung des freien Willens oder respektlose Kommunikation sind Facetten von Gewalt.“ Gewalt gegen ältere Menschen, etwa durch pflegende Angehörige, kann auch eine tragische Folge von Überlastung sein, weswegen sich Korosec weiter für zusätzliche Entlastungen pflegender Angehöriger im Rahmen der Pflegereform einsetzt. „Dazu brauchen wir insbesondere den Ausbau mobiler Dienste, Tageszentren sowie einheitliche und professionelle Pflegeangebote, die in allen Bundesländern gleich leistbar sind!“
Die Seniorenbund-Präsidentin fordert neben einem Ausbau des Gewaltschutzes und verstärkter Präventionsarbeit mit dem Fokus auf ältere Menschen vor allem größere Anstrengungen zu einer gesamtgesellschaftlichen Sensibilisierung. „Jeder Mensch hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben – egal in welchem Alter. Ohne eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung wird sich die Gewaltspirale immer weiter drehen – das schadet uns allen. Denn jene, die jetzt ältere Menschen marginalisieren und diskriminieren, werden im Alter das ernten, was sie gesät haben“.
Mehr Gewaltschutz für ältere Menschen
Physio Austria-Präsidentin Constance Schlegl unterstreicht ebenfalls die Forderung der Pensionistenverbände, dass dieses „Thema aus der Tabuzone raus muss und im Verdachtsfall rasch informiert und reagiert werden muss. Zum Gewaltschutz insbesondere dieser vulnerablen Personengruppe gehört auch eine vereinheitlichte Anzeigepflicht für die gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe. Physio Austria hat die bereits 2020 gesetzliche Verankerung dieser einheitlichen Anzeigepflicht sehr begrüßt. Wir übernehmen die Verantwortung, die mit der Erkennung und Meldung im Falle eines begründeten Gewaltverdachts einhergeht.“
Diese gesetzlich verankerte Vereinheitlichung sichert die Rechte und Interessen der betroffenen Personen und zeigt auf, dass die gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe gleichen Qualitätsgrundsätzen im Sinne der Patientinnen- und Patientensicherheit folgen. Gewalt und Gewaltverdacht sind ein Themenbereich, bei dem vor allem konkrete Informationen und Handlungsempfehlungen gefragt sind, die die Physiotherapeut•innen in ihrer Handlungsfähigkeit stärken und absichern sollen.
Physio Austria stellt dementsprechende Informationen und Handlungsempfehlungen für die Berufsangehörigen zur Verfügung.
(Bilder: AdobeStock, PVÖ/ Ludwig Schedl, Österreichischer Seniorenbund)