Rund eine Million Menschen in Österreich leidet daran: Migräne, eine ebenso quälende wie komplexe neurologische Erkrankung, die die Lebensqualität drastisch einschränkt – oft mit weitreichenden Auswirkungen auf den Alltag und auf das soziale Leben. In vielen Fällen helfen altbewährte Hausmittel gegen Migräne, um die Schmerzen und Beschwerden zumindest zu lindern.
Für die Betroffenen sind aber nicht nur die Migräneanfälle selbst qualvoll, auch die Angst vor dem Auftreten der nächsten Attacke beeinträchtigt das Leben massiv. Von entscheidender Bedeutung ist daher, auf eine wirkungsvolle prophylaktische Therapie vertrauen zu können. Moderne, spezifisch für Migräne entwickelte Antikörpertherapien sind gut wirksam und gut verträglich.[1]
Doch nicht jede bzw. jeder, die•der an Migräne leidet und für den diese Prophylaxe in Frage käme, erhält diese Therapien auch. Die Präsidentin der österreichischen Kopfschmerzgesellschaft, Dr.in Sonja-Maria Tesar, mahnt daher, Migräne immer ernst zu nehmen und den Arzt oder die Ärztin aufzusuchen. Denn der Weg bis zur richtigen Diagnose, aber vor allem bis zur adäquaten Therapie, ist oftmals ein langer.
Unbehandelte Migräne – negative Folgen
Weltweit leiden rund 13 Prozent der Bevölkerung an Migräne[1], in Österreich sind dies mehr als eine Million Menschen. Die Erkrankung wird aber von Außenstehenden oft nicht ernst genommen, die Betroffenen leiden dann „im Verborgenen“. Dr.in Sonja-Maria Tesar: „Viele Migräne-Patientinnen und -Patienten thematisieren ihre Erkrankung nicht, da sie davon ausgehen, dass weder Arbeitgeber noch Familienangehörige verstehen und nachvollziehen können, worunter sie leiden.“
Auch der Weg zu einer korrekten Migräne-Diagnose und adäquaten Therapie ist in der Praxis oft ein langer, so Tesar, medizinische Direktorin des LKH Wolfsberg und Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Klinikum Klagenfurt. Ein Umstand, der sich als umso ungünstiger erweist, da Migräne diagnostiziert und behandelt gehört. „Sonst wird ein Fortschreiten der Erkrankung gefördert und aus einer episodischen Migräne kann sich eine chronische Migräne entwickeln. Auch die Gefahr des sogenannten Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerzes steigt.“
Dazu kommt, dass mit steigender Häufigkeit der Attacken auch Angst und Depression zunehmend als Begleitsymptom auftreten.[2]
Spezifische Migräneprophylaxe – Paradigmenwechsel in der Migränetherapie
Die medikamentöse Prophylaxe von Migräneattacken hat sich dank der Entwicklung einer Therapie mit monoklonalen Antikörpern grundlegend verändert, denn diese greifen gezielt in das Krankheitsgeschehen ein. Tesar: „Für die gesamte Klasse der sogenannten CGRP-Antikörper konnte eine ausgezeichnete Wirksamkeit gezeigt werden. Sie hemmen das bei Migräneattacken von den Nervenzellen freigesetzte Neuropeptid CGRP[3] und zeigen im Vergleich zu den unspezifisch wirkenden Substanzen, wie zum Beispiel Betablockern, antiepileptischen Medikamenten oder Antidepressiva, eine effizientere Wirksamkeit bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit.“
Die seit fünf Jahren verfügbaren CGRP-Antikörper werden zumeist monatlich mittels Injektion oder Pen verabreicht. Neuerdings steht außerdem eine Kurzinfusion zur Migräneprophylaxe zur Verfügung, die lediglich vier Mal im Jahr gegeben wird. Unter diesen modernen Therapieformen nehmen die Frequenz und Intensität der Attacken ab und die Lebensqualität zu, so Tesar, und weiter: „Von wirksamer Prophylaxe spricht man bei einer Reduktion der Anfallshäufigkeit von 50 Prozent oder mehr bei episodischer Migräne und bei chronischer Migräne von 30 Prozent oder mehr. Es geht aber nicht nur um eine Reduktion der Migränetage, sondern vor allem auch um die Verbesserung der Lebensqualität.“
Studien zeigen, dass eine erfolgreiche Prophylaxe auch den Bedarf an Akutmedikation senkt.
Prophylaxe – wichtiger Bestandteil der Migränetherapie
Leider gebe es noch erhebliche Probleme bei der Umsetzung: Nicht einmal jeder dritte Patient bzw. jede dritte Patientin, der•die auch für eine medikamentöse Attackenprophylaxe geeignet wäre, erhält diese auch.[4]
Daher appelliert Kopfschmerz-Spezialistin Tesar: „Bei Kopfschmerzen bzw. Migräne immer ärztliche Hilfe suchen! Ihr Arzt bzw. ihre Ärztin wird ihnen sagen, ob sie für eine Antikörper-Migräneprophylaxe in Frage kommen.“
Die spezifischen Migräneprophylaktika werden vom Facharzt•Fachärztin erstverschrieben, können dann aber von den jeweiligen Hausärzten verabreicht bzw. weiterverschreiben werden.
Quellenangaben
[1] Brössner G. et al., DFP-Literaturstudium: Migräne. Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2021
[2] Ishii R et al., Mayo Clin Proc 2020; 95(10):2079–2089
[3] CGRP steht für Calcitonin Gene-Related Peptide
[4] Lipton RB et al., Headache 2022; 62(2):122–140 l
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