Eine neu gestaltete Vitrine im ersten Stock des Naturhistorischen Museum Wien [NHM] behandelt die dringliche Thematik des Artenschutzes mit einem Fokus auf Reptilien. Schlangen und viele andere Reptilien werden zur Gewinnung von Leder verwendet. Sehr oft handelt es sich dabei um sogenannte Wildfänge – und das, obwohl die meisten Schlangenarten rund um den Globus eigentlich streng geschützt sind. Der neue Ausstellungsbereich soll unter anderem auf diese Problematik aufmerksam machen und zur Aufklärung über den Schutz dieser Arten beitragen.
Grausam und darüber hinaus zumeist auch noch illegal
Die Ledergewinnung bei Schlangenlederprodukten findet oft auf eine sehr grausame Art und Weise statt – und zudem auch noch oft anhand illegal getöteter Schlangenarten, da sehr viele davon streng geschützt sind. Sehr oft werden die gefangenen Tiere bei lebendigem Leib mit Wasser gefüllt, um die Haut besser abziehen zu können. Danach werden sie lebend gehäutet – ein qualvoller stiller Tod.
„Reptilien-Leder hat [leider] wieder an Beliebtheit gewonnen. Viele Designerinnen und Designer verwenden Schlangenleder für Gürtel, Taschen oder Schuhe. In den letzten 15 Jahren wurden zu diesem Zweck mehrere Millionen Häute und Hautstücke in die Europäische Union importiert. Alle in der Vitrine ausgestellten Schlangenleder-Produkte wurden vom österreichischen Zoll beschlagnahmt oder stammen aus Nachlässen und sind so ans Naturhistorische Museum Wien gekommen,“ so Kuratorin Dr. Silke Schweiger, Leiterin der Herpetologischen Sammlung.
Massiver Rückgang der Population der Tigerpython in Südostasien
Neben unterschiedlichen Schlangenlederprodukten ist unter anderem auch ein dunkler Tigerpython [Python bivittatus] in der Vitrine zu sehen. Die kommerzielle Ausbeutung des Tigerpythons für die Lederindustrie hat in zahlreichen Ländern in Südostasien einen signifikanten Rückgang der Population bewirkt.
In Ländern wie Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam war der Tigerpython in den 1970er Jahren noch weit verbreitet und relativ häufig. Die Nutzung der Art für die Lederindustrie stieg aber in den folgenden Jahren massiv an. Durch rigorose Handelsbeschränkungen zum Schutz des Tigerpythons in Thailand konnte sich die Population bis 2003 in einigen Teilen Thailands erholen und die Schlangen wurden wieder häufiger gesichtet. Auch in Indonesien wurde der Tigerpython bereits im Jahr 1978 unter Schutz gestellt. Seitdem werden keine Exportbewilligungen mehr für den Handel mit Tigerpython-Häuten erteilt.
Artenschutz geht uns alle an
Leider ist die Lederindustrie in Laos, Kambodscha und Vietnam noch immer ein bedeutender Wirtschaftszweig und – trotz diverser Beschränkungen und Schutzmaßnahmen für die Tiere – nach wie vor wesentlich für den Populationsrückgang unter anderem des Tigerpythons verantwortlich. Das Kahlschlagen von Wäldern, Waldbrände, Bodenerosionen, die Ausdehnung der Landwirtschaft und die wachsende Bevölkerung tragen ebenfalls zur Einschränkung des Lebensraumes, zur Schrumpfung und letztendlich zur Ausrottung dieser Schlangenart bei. Der dunkle Tigerpython gilt als schutzbedürftig, unterliegt Ausfuhrbeschränkungen und wird heute auf der Liste der vom Aussterben bedrohter Tierarten geführt.
Die neugestaltete Vitrine ist seit Mitte Jänner 2021 im Saal 27 des NHM Wien ausgestellt und nach dem Ende des Covid-19-bedingten Lockdowns für Besucherinnen und Besucher zu sehen. Der fünf Meter lange Tigerpython aus Java [Südostasien] befindet sich schon seit ca. 1900 in der Sammlung des NHM Wien. Zusätzlich zu dieser Riesenschlange werden unzählige Produkte aus Schlangenleder wie zum Beispiel ausgestopfte Kobras, Geldbörsen, Hosen, Schuhe und Taschen gezeigt.
Auch vom Kauf von Reptilienleder-Produkten wird abgeraten. Denn mit jedem Kauf werden grausame Tötungsmethoden und Verstöße gegen das Artenschutzgesetz gefördert. Oder anders formuliert: wir Konsumentinnen und Konsumenten habe es in der Hand: wenn niemand Produkte aus Reptilienleder kauft und nachfragt, werden auch keine mehr produziert.
Über 200 Jahre im Dienste der Wissenschaft
Die Herpetologische Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien umfasst etwa 220.000 Alkoholpräparate und 6.000 Trockenpräparate. Im Laufe von mehr als 200 Jahren haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Erweiterung und Erforschung der Sammlungsbestände bemüht und unzählige Publikationen verfasst.
Für alle, die es schon vor Ende des Lockdowns ins Museum „zieht“: HIER haben sie die Möglichkeit, zumindest virtuell durch die eine und andere Ausstellung des NHM zu spazieren 🙂
(Bilder: NHM Wien/ Christina Rittmannsperger)