Aufgrund häufig zu enger westlicher Schuhmode leiden über 80 Prozent aller Österreicherinnen über 45 Jahren an Fehlstellungen des Vorderfußes wie Hallux valgus, Hammerzehen und Spreizfüßen. Wie diese Fehlstellungen am Fuß am besten behandelt werden können und welche Vor- und Nachteile neue Operationstechniken wie minimalinvasive Verfahren und der Einsatz von Knochenschrauben haben, darüber wurde beim internationalen Fußkongress der deutschen und österreichischen Fachgesellschaften im Austria Center Vienna diskutiert.
Mit Physiotherapie bereits acht Wochen nach einer Operation wieder gesundes Gangbild
„Der Fuß hat mit 26 Knochen, über 33 Gelenken, mehr als 100 Bändern und etwa 20 Muskeln eine äußerst komplexe Struktur. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch die Fußchirurgie eine hochspezialisierte Disziplin ist. Hier gibt es unzählige Operationstechniken, für die es Spezialwissen und Erfahrung braucht. Mindestens genauso wichtig ist aber auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten, denn eine erfolgreiche Behandlung braucht beides – präzise Operation und fachgerechte Nachbehandlung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Hans-Jörg Trnka, einer der beiden Kongresspräsidenten beim Fußkongress, Facharzt für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie sowie Mitbegründer des Fußzentrums Wien.
Als Beispiel dafür nennt er die Unterschiede beim Gangbild. So zeigen Patienten, die nach der Operation eine Physiotherapie erhalten, bereits ab acht Wochen nach der Operation wieder ein gesundes Gangbild während Patienten, die anschließend keine Physiotherapie erhalten haben, häufig selbst nach einem Jahr noch nicht gesund gehen können.
Hallux valgus – Leiden von über 75 Prozent aller Frauen über 45
„Hallux valgus ist die häufigste Fehlstellung des Vorderfußes. 80 Prozent aller Frauen über 45 leiden darunter. Bei 40 Prozent aller Frauen über 45 ist die Erkrankung so fortgeschritten, dass operiert werden muss“, so Trnka. Hauptgrund dieses Krankheitsbildes ist die westliche Schuhmode mit zu engem Schuhwerk. Nur sechst bis zehn Prozent der Erkrankungsfälle sind genetisch bedingt. Daher sind 90 Prozent aller Hallux-valgus-Patienten Frauen.
Hallux valgus, auch bekannt als „Überbein“, „Ballenzeh“, „Frostballen“ oder „Schiefzehe“, ist damit eine degenerative, zivilisationsbedingte Erkrankung. „Zu hoffen ist, dass sich der aktuelle Trend zu Sneaker-Schuhen positiv auf die Erkrankungshäufigkeit auswirken wird. Das sehen wir allerdings erst in 20 Jahren“, erklärt der renommierte Fußspezialist.
Behandlung von Hallux valgus – über 300 Operationsmethoden
Der Hallux valgus ist eine Fehlstellung, bei der die Großzehe aus der Reihe tanzt, indem sich das Grundgelenk der Großzehe nach außen neigt. Dadurch wird der Fuß breiter, es kommt zu einer charakteristischen Wölbung am Großzehengrundgelenk und unbehandelt schiebt sich die große Zehe dann unter oder über die Kleinzehen. Dies führt zu weiteren Fußdeformationen und schmerzhaften Entzündungen.
Je nach Leidensdruck des Patienten und der Winkelmessung aus den Röntgenaufnahmen wird entschieden, wann konservative Behandlungen nicht mehr ausreichen und eine operative Korrektur der Knochen notwendig wird. „Alleine für die Operation des Hallux valgus gibt es über 300 verschiedene OP-Techniken, wobei sich international an die fünf Techniken durchgesetzt haben“, so Trnka.
Minimalinvasive Fußchirurgie im Vormarsch
Große Fortschritte in der Fußchirurgie gibt es bei minimalinvasiven Operationen, vor allem in der Behandlung von Spreizfüßen. Dabei handelt es sich um eine häufige Fußdeformation, bei der sich die Querwölbung des Fußes vermindert, der Vorfuß verbreitert und druckungewohnte Stellen belastet werden. Die Mittelfußknochen gehen auseinander und es entstehen schmerzhafte Schwielen und Druckstellen. „Da mit der Höhe des Schuhstöckels auch der Druck auf den Fußballen erhöht wird, ist der Spreizfuß ebenfalls ein frauendominantes Erkrankungsbild. Da beim Spreizfuß – im Gegensatz zum Hallux valgus – die Knochen im Zuge der Operation nicht fixiert werden müssen, kann hier schon seit einigen Jahren eine minimalinvasive Operation angewandt werden“, betont der Fußorthopäde.
Die Vorteile dieser neuen Technik liegen auf der Hand: kleinere Operationsschnitte, schnellere Operationszeit, geringeres Infektionsrisiko für den Patienten und das Gelenk hat – aufgrund der geringeren Narbenbildung – eine bessere Beweglichkeit. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass der Fuß bei der minimal invasiven Operationsmethode nicht so schnell belastbar ist. „Daher wird es immer eine Abwägungssache bleiben, welche Operationsmethode für welchen Patienten sinnvoller ist“, so Trnka. An der Erweiterung der minimalinvasiven OP-Methoden auch für andere Fehlstellungen des Vorfußes wird gerade intensiv gearbeitet und geforscht.
Knochenschrauben als neues Operationsmaterial
Ganz innovativ sind auch Knochenschrauben. Ist das betroffene Fußgelenk – wie bei einer Hammerzehe – nicht zu starkem Druck ausgesetzt, können anstelle von herkömmlichen Stahlschrauben auch Knochenschrauben, die aus Spenderknochen hergestellt werden, eingesetzt werden. „Großer Vorteil bei dieser Methode ist, dass die Knochenschraube, wie körpereigener Knochen auch, dem natürlichen, ständigen Knochenstoffwechsel unterzogen wird und innerhalb kurzer Zeit zu neuem, körpereigenem, ideal angepasstem Knochengewebe umgebaut wird. Eine Operation zur Metallentfernung ist dann nicht mehr notwendig“, erklärt Trnka.
Über die IAKW-AG und den Fußkongress
Die IAKW-AG [Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien, AG] ist verantwortlich für die Erhaltung des Vienna International Centre [VIC] und den Betrieb des Austria Center Vienna. Das Austria Center Vienna ist mit 21 Sälen, 134 Meetingräumen sowie rund 26.000 m² Ausstellungsfläche Österreichs größtes Kongresszentrum und gehört zu den Top-Playern im internationalen Kongresswesen.
Der Fußkongress wurde erstmals gemeinschaftlich von der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk e. V. [D.A.F.] und der Österreichischen Gesellschaft für Fußchirurgie [ÖGF] durchgeführt. Er beschäftigt sich mit aktuellen Themen rund um den Bereich Fuß- und Sprunggelenk.
(Bilder: AdobeStock, Fußzentrum Wien, acv.at/ Walter Luttenberger)