Raus in die Natur, lautet für viele Menschen derzeit die Devise. Dabei werden vor allem Österreichs Berge wieder neu entdeckt. Allerdings kommt es mit dem Berg-Boom, der auch für die kommende Saison erwartet wird, kommt es auch zu zahlreichen Unfällen und Verletzungen. Um Berg-Unfälle in diesem Jahr gering zu halten, appellieren nun die großen Bergrettungs- und Präventionsorganisationen, der Österreichische Bergrettungsdienst [ÖBRD], das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit [ÖKAS] gemeinsam mit Alpinpolizei und Kuratorium für Verkehrssicherheit [KFV], Risiken am Berg ernst zu nehmen. Wichtige Sicherheitstipps in den Bergen sollten immer[!] beachtet werden, so die Profis.
Berg-Boom schon im letzten Jahr spürbar
Während sich die einen durch die geänderten Lebensbedingungen in ihre eigenen vier Wände zurück zogen, motivierten die Einschränkungen andere wiederum in Sport-Bereiche aufzubrechen, die sonst nicht unmittelbar zur Wochenendgestaltung gehörten. „Die Pandemie hat den Massentourismus ausgebremst, die heimischen Berge wurden neu entdeckt. Dieser Berg-Boom war schon im letzten Jahr spürbar. Wir hatten viele Einsätze, die uns durch die zusätzlichen Anforderungen der Corona-Pandemie gefordert haben,“ so der Bundesgeschäftsführer des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Ing. Martin Gurdet.
2020: 261 Menschen am Berg tödlich verunglückt, 7.466 Verletzte
Wie aus der Alpinunfallstatistik des ÖKAS/ BM.I Alpinpolizei hervorgeht, kamen im Jahr 2020 zwischen 1. Januar und 31. Dezember 261 Menschen in Österreichs Bergen ums Leben. Das Zehnjahresmittel liegt bei 290 Toten pro Jahr. Im Jahr 2020 starben österreichweit 42 Frauen [16 Prozent] und 219 Männer [84 Prozent] am Berg. Der Berg-Boom zeigt sich [auch] an einer weiteren Statistik: Im Jahr 2020 sind 7.466 Verletzte in der Alpinunfalldatenbank zu verzeichnen – etwa 500 Verletzte mehr als im Vorjahr 2019. „Im besten Fall passieren Unfälle erst gar nicht. Die richtige Selbsteinschätzung und Eigenverantwortung, vor allem wenn man mit Kindern unterwegs ist, ist besonders wichtig,“ so Dr. Peter Paal, Präsident des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit ÖKAS.
Wanderungen oft ungenügend geplant
Vor jeder Bergtour sollten die körperliche Verfassung und Bergerfahrung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer realistisch eingeschätzt werden. Darauf basierend kann der Schwierigkeitsgrad der Route und die Länge der Tour bestimmt werden. In der Realität ist das jedoch nicht immer der Fall. In einer Erhebung des KFV während der letzten Wandersaison konnte jede•r 7. befragte Wander•in [15 Prozent] nicht angeben, welchen Schwierigkeitsgrad der Weg aufweist, auf dem er gerade unterwegs ist. „Um Fehleinschätzungen, Überforderung oder Übermüdung vorzubeugen, ist eine sorgfältige Routenplanung das Um und Auf,“ so KFV-Sprecherin und Präventionsexpertin Dr. Johanna Trauner-Karner.
Von Mai bis Oktober 2020 hielten rund 4.000 Unfälle die Beamt•innen der Alpinpolizei in den Bergen auf Trab. „Der Dienst in den Bergen stellt eine besondere Herausforderung dar. Das Aufgabengebiet ist umfangreich und erstreckt sich von der Unfallerhebung bei typischen Bergunfällen bis hin zu Flug- und Forstunfällen. Unser Hauptaugenmerk richtet sich auf die Frage, ob bei Unfällen Fremdverschulden vorliegt oder nicht. Die Berge sind kein rechtsfreier Raum,“ so Oberst Hans Ebner von der Alpinpolizei.
Weiters werden jedes Jahr zwischen 300 und 400 Abgängigkeiten im alpinen Gelände angezeigt und Suchaktionen gestartet, für die die Polizei gesetzlich zuständig ist. Die Frauen und Männer der Bergrettung sind dabei die wichtigsten Partner. Allen Bergsportbegeisterten wird von Bergrettung und Alpinpolizei eine neue Ortungstechnologie empfohlen, die die Personensuche im Falle eines Unfalles oder einer Notlage deutlich vereinfachen kann. „Ein Rettungsreflektor, nur wenige cm lang mit einem Gewicht von lediglich 4 Gramm kann an Rucksäcken, Helmen oder Jacken simpel angebracht und im Ernstfall zum Lebensretter werden.“ Am Polizeihubschrauber kann im Bedarfsfall ein Detektor montiert werden, mit dem man relativ rasch große Flächen absuchen kann.
Die Sicherheitstipps der Profis
Um trotz Berg-Boom die Zahl der Unfälle so gering wie möglich zu halten, haben wir hier die wichtigsten Sicherheitstipps der Profis für sie zusammengefasst, die sie unbedingt vor und bei jeder Bergtour berücksichtigen sollten:
Selbsteinschätzung
Schätzen sie ihr Können und ihre Kräfte sowie jene der Begleiter•innen, insbesondere von Kindern, ehrlich ein. Richten sie bei der Tourenplanung die Länge und die Schwierigkeit der Tour danach. Häufige Unfallursachen sind nämlich vor allem Übermüdung, Erschöpfung und Überforderung.
Tourenplanung
Eine sorgfältige Tourenplanung verringert das Risiko von unliebsamen Überraschungen. Planen sie eine Alternative, falls sich die Bedingungen vor Ort so verändern, dass eine Durchführung der Tour zu gefährlich wäre. Passen sie ihr Verhalten während der Tour den aktuellen [Wetter-]Umständen an. Darüber hinaus sollte jemand wissen, welche Tour sie sich vornehmen und wann sie ihre Rückkehr geplant haben. Verirren führt oft zu aufwändigen, langwierigen und teuren Sucheinsätzen.
Ausrüstung
Passen sie ihre Ausrüstung an die Witterung sowie an die Dauer, Art und Schwierigkeit der Tour an. Orientierungsmittel und Notfallausrüstung wie Karten, Topos, Rucksackapotheke, Biwaksack, Handy mit vollem Akku, akustische/ optische Signalmittel sowie Regenschutz und eine Lampe sollten sie immer dabeihaben.
Verpflegung
Gehaltvolle Nahrung, die den Magen nicht beschwert, ist der ideale Energiespender. Legen sie regelmäßig Pausen ein und trinken sie ausreichend. Dehydration kann zu einer gefährlichen Schwächung des Kreislaufs führen.
Wettereinschätzung
Holen sie schon bei der Tourenplanung Informationen von Wetter- und/ oder Lawinenwarndiensten ein und beobachten sie die Wetterlage auch während der Tour ständig. Kehren sie bei einem Wettersturz rechtzeitig um bzw. suchen sie entsprechenden Schutz. Nässe und Kälte führen rasch zu Unterkühlung und auch im Sommer schnell zu Leistungsverlust mit völliger Erschöpfung.
Tempo
Das Tempo orientiert sich stets am schwächsten Mitglied einer Gruppe. Teilen oder verlassen sie die Gruppe nie. Zu schnelles Gehen führt zu frühzeitiger Erschöpfung.
In diesem Sinn: Viel Spaß auf und in den Bergen 🙂
(Bilder: Pixabay.com)