Die im Alltag am häufigsten wahrgenommene Bewegungsstörung ist ein Zittern der Hände, das insgesamt eher ältere Menschen betrifft, jedoch keine normale Alterserscheinung ist. Das Zittern, medizinisch auch als Tremor bezeichnet, steht nicht immer zwingend mit einer Parkinson-Erkrankung in Verbindung. Bewegungsstörungen, nicht nur der Hände, sondern auch anderer Körperteile wie des Kopfes, der Zunge, des Gaumens oder der Stimme treten häufig mit unterschiedlichen Ursachen und in jedem Alter, auch im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter, auf.
Insgesamt sind in Österreich 15 Prozent aller Menschen im Alter von über 50 Jahren von einem Tremor betroffen. Eine Diagnose im frühen Stadium wird oft zu spät gestellt. Alltagsmythen zu Krankheitsursachen halten sich hartnäckig. Die österreichische Parkinson Gesellschaft nimmt den „World Movement Disorders Day“ zum Anlass, um über Bewegungsstörungen umfangreich aufzuklären und über interessante neue Therapieansätze zu informieren, unter anderem über den MR-gezielten fokussierten Ultraschall als neue chirurgische Behandlungsmethode im Gehirnareal.
Bei Bewegungsstörungen: Je früher die richtige Diagnose, desto besser medikamentös behandelbar
„Zittern kann wirklich jede und jeden treffen, egal welchen Alters und welchen Geschlechts! Betroffene ziehen sich sozial häufig zurück, da das Zittern in der Öffentlichkeit besonders unangenehm empfunden wird oder auch mit Stigmatisierung einhergeht. Ein Tremor ist jedoch keine Krankheit, sondern ein Symptom mit vielen möglichen Ursachen. Deshalb muss jede Bewegungsstörung ärztlich, im ersten Schritt bei der Neurologin bzw. beim Neurologen, abgeklärt werden. Die gute Nachricht: Ein Tremor ist, wenn die richtige Diagnose früh gestellt wird, in vielen Fällen gut, im Regelfall medikamentös behandelbar“, erklärt Primaria Priv.-Doz.in Dr.in Regina Katzenschlager, Präsidentin der Österreichischen Parkinson Gesellschaft [ÖPG], Leiterin der Abteilung für Neurologie, Klinik Donaustadt.
Wann ist ein Tremor krankhaft?
Ein neu auftretender Tremor löst vielfach Sorgen vor einer relevanten zugrunde liegenden Erkrankung wie einer Parkinson-Krankheit aus. Beim Auftreten eines klar wahrnehmbaren und störenden Tremors kann eine neurologische Untersuchung Aufschluss geben, um welche Form des Tremors es sich handelt. Die drei häufigsten Formen des Tremors sind der physiologische, der essenzielle und der Parkinson-Tremor. Im höheren Lebensalter leiden jeweils etwa drei Prozent der Bevölkerung unter diesen drei häufigsten Tremorformen.
Entscheidend ist die intensive Beobachtung des Zitterns, denn genau genommen, so Dr.inKatzenschlager, „wird jede Muskelaktivität von einem Zittern begleitet. Es ist jedoch so mild, dass es nicht wahrgenommen wird.“ Dieser physiologische Tremor kann durch Aufregung, Angst, Kaffeegenuss, hormonelle Störungen und viele Medikamente verstärkt werden. Ein mit freiem Auge wahrnehmbarer Tremor wird in der Regel als störend empfunden und hat, sofern er nicht nur vorübergehend besteht, Krankheitswert. Oft wird ein Tremor auch mit falschen Zusammenhängen assoziiert oder begründet. Diese Mythen halten sich hartnäckig, wie: „Wer zittert, hat automatisch Parkinson“, „Beim Älterwerden ist Zittern normal“, „Wer zittert, trinkt zu viel Alkohol“, „Bei Tremor ist keine Hilfe in Sicht, man muss damit leben“ oder „Beim Zittern kennt sich niemand aus – jeder Arzt bzw. jede Ärztin sagt etwas anderes“.
Wohin, wenn das Zittern nicht mehr aufhört?
Die Diagnose von Tremor-Störungen ist tatsächlich anspruchsvoll und sollte zuerst durch eine Neurologin•einen Neurologen erfolgen, im zweiten Schritt kann auch ein•e Spezialist•in hinzugezogen oder eine Bewegungsambulanz aufgesucht werden. Neben der klinischen Untersuchung [zum Beispiel Medikamentenanamnese, Vorerkrankungen, Familiengeschichte usw.] erfolgt eine Beobachtungsdiagnose [wie tritt das Zittern auf]. Zudem werden Laboruntersuchungen und bildgebende Untersuchungen, vor allem des Gehirns [Magnetresonanztomografie oder Computertomografie], durchgeführt.
Ein Tremor kann ein Symptom der Parkinson-Krankheit sein, er bedeutet aber nicht, dass man Parkinson hat. Häufig handelt es sich um ein anderes Tremor-Syndrom wie den essenziellen Tremor, die häufigste Bewegungsstörung.
Parkinson-Tremor oder essenzieller Tremor
Zu den typischen Symptomen der Parkinson-Krankheit gehören neben einem Ruhetremor [Zittern eines Körperteils in Ruheposition] auch eine Muskelsteifigkeit [Rigor] und Bewegungsverlangsamung [Bradykinese], wobei Letztere nahezu immer vorhanden ist. Menschen mit Parkinson leiden zusätzlich meist unter nicht-motorischen Symptomen wie einem reduzierten Geruchssinn, Schlafstörungen, Verstopfung, Ängstlichkeit oder depressiver Verstimmung.
Beim essenziellen Tremor [eine meist langsame, über Jahre fortschreitende Funktionsstörung des Kleinhirns] zeigt sich immer ein Zittern der Hände. Allerdings sind häufig auch andere Körperteile wie Kopf oder Stimme betroffen. Typisch ist ein symmetrisches Zittern bei Aktivität, also beim Hochheben, Halten von Gegenständen und beim Bewegen der Hände. Das Zittern stört daher beim Suppe Löffeln, Trinken, Einschenken, Tragen eines Tabletts oder Schreiben. Oft wird das Zittern verstärkt, wenn man sich beobachtet fühlt oder gestresst ist. Den Betroffenen ist ihr Zittern häufig unangenehm. Viele Patient•innen vermeiden beispielsweise Restaurantbesuche oder Schreiben in Gegenwart anderer.
Beim essenziellen Tremor und beim seltenen dystonen Tremor zittert häufig auch der Kopf. Manchmal sieht das wie eine Ja-Ja- oder Nein-Nein-Bewegung aus. Gerade ein Kopftremor kann schwer unterdrückt werden. Er ist für Betroffene daher oft stigmatisierend und belastend.
Häufig sind auch andere Familienmitglieder betroffen. Geistige Leistungsfähigkeit und allgemeine Beweglichkeit bleiben unbeeinträchtigt. Die Erkrankung kann bereits in der Jugend oder erst im hohen Alter beginnen. Ein eindeutig auslösendes Gen ist noch nicht gesichert.
Den physiologischen Tremor richtig einordnen
Diese Tremorform kann vorübergehend durch Medikamente wie Psychopharmaka, Asthma- oder Epilepsiemittel ausgelöst werden. Auch eine Schilddrüsenüberfunktion, Diabetes, Fieber oder Leber- und Nierenerkrankungen können diesem zugrunde liegen. Es ist auch richtig, dass hoher Alkoholkonsum einen Tremor der Hände hervorrufen kann und Menschen mit fortgeschrittener Alkoholkrankheit häufig unter einem Tremor leiden. Der Umkehrschluss, dass einem Tremor oft Alkoholkonsum oder eine Alkoholkrankheit zugrunde liegt, ist aber völlig falsch.
Ein physiologischer Tremor macht sich vor allem durch einen Haltetremor von Händen und Fingern bemerkbar, kann aber auch andere Körperteile betreffen. Ein milder, feinschlägiger Händetremor, der erkennbar durch akute Belastungen oder Medikamenteneinnahme [zum Beispiel bestimmte Asthmamedikamente, Cortison] erklärbar ist, muss nicht neurologisch abgeklärt werden.
Seltenere Tremorformen
Die häufigsten Ursachen eines Tremors sind der verstärkte physiologische Tremor, der essenzielle Tremor und Parkinsonismus. Daneben gibt es eine Vielzahl von selteneren Tremor-Störungen. Dazu zählen Tremorformen, die nur bei bestimmten Handstellungen oder -tätigkeiten auftreten [zum Beispiel beim Schreiben], der dystone Tremor, Tremor infolge von Kleinhirnerkrankungen [zerebellärer Tremor], der orthostatische Tremor [ein Beintremor, der nur beim Stehen auftritt und zu einer unangenehmen Standunsicherheit führt] und der funktionelle Tremor.
Die hier beschriebenen Tremor-Formen haben organische, zum Teil erbliche Ursachen.
Der funktionelle Tremor ist jedoch eine funktionelle Störung des Nervensystems und ohne klare organische Ursache einzustufen [früher wurden Begriffe wie psychogener Tremor verwendet]. Als Ursachen kommen psychische Belastungen und Konflikte, aber auch ein Erlernen von fehlerhaften Bewegungsmustern in Betracht. Der funktionelle Tremor tritt häufiger als gedacht auf und wird oft nicht richtig erkannt. Die Diagnose erfolgt nicht per Ausschluss, sondern es gibt klare Symptome und Zeichen, die erkannt werden müssen.
Behandlungsmethoden gegen Tremor – neue Methode in Österreich
Für die meisten Tremorformen gibt es etablierte wirksame Therapien. Einerseits führen bei fast allen Tremor-Syndromen geeignete Medikamente zu einer Symptomlinderung. Voraussetzung ist die richtige Diagnosestellung. Parkinsonmedikamente helfen zum Beispiel nicht beim essenziellen Tremor. Vor allem beim Kopftremor können Botulinumtoxin-Injektionen hilfreich sein.
Insbesondere bei sehr schweren Erkrankungsverläufen führt manchmal die medikamentöse Behandlung nicht zu ausreichender Symptomkontrolle. Sollten die medikamentösen Therapien versagen, können bei bestimmten, stark ausgeprägten Tremores auch chirurgische Eingriffe zum Einsatz kommen. Die größte Rolle spielt die tiefe Hirnstimulation, bei der über implantierte Stimulationselektroden im Gehirn Stromimpulse abgegeben werden, was zu einer Tremor-Reduktion beim essenziellen Tremor, Parkinson-Tremor und dystonen Tremor führt.
Vor allem beim essenziellen Tremor kommt auch eine neue Methode, die Magnetresonanz [MR]-gesteuerte hochfokussierte Ultraschall [MRgFUS]-Therapie zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein neu entwickeltes Verfahren, bei dem gezielt eine Erwärmung von tiefen Hirnarealen durch ein Ultraschallgerät erfolgt. Der Eingriff erfolgt ohne Schädeleröffnung in einem MRT-Gerät bei wachen Patient•innen. Die Erwärmung des Gehirnareals wird im MRT-Gerät anhaltend monitiert. Bei einer Erwärmung der betroffenen Hirnareale auf rund 50 Grad kommt es, wenn das richtige Hirnareal [für den Tremor meist der Thalamus] angesteuert wurde, zu einer Besserung des Tremors.
Der World Movement Disorders Day ist eine Initiative der International Parkinson and Movement Disorder Society [MDS] und wurde 2022 ins Leben gerufen.
Über die Österreichische Parkinson Gesellschaft [ÖPG]
Die Österreichische Parkinson Gesellschaft [ÖPG] ist eine medizinische Fachgesellschaft mit dem Ziel, die Diagnostik und Behandlung von Menschen mit Parkinson-Krankheit [Morbus Parkinson] und anderen Bewegungsstörungen zu verbessern. Besondere Anliegen sind die Förderung von Forschung im Bereich von Bewegungsstörungen, die kontinuierliche Fortbildung von medizinischem Fachpersonal und die Information von Betroffenen und der Öffentlichkeit über den Morbus Parkinson und verwandte Erkrankungen.
(Bilder: AdobeStock, ÖPG/ Lukas Kucera, AdobeStock)