Die Wintersaison 2020/ 21 steht quasi vor der Tür. Doch „das Leiwaundste, wos ma sich nur vurstelln kann“ steht in diesem Jahr unter ganz anderen Sternen als sonst, Stichwort Covid-19. Aller [Schi-]Orts wird fieberhaft daran gearbeitet, Regeln zu definieren, die eine Wintersaison trotz Corona-Pandemie möglich machen.
Das Europäisches Tourismus Institut [ETI] hat sich diesem Thema gewidmet und im Rahmen einer Digitalkonferenz die mehrdimensionale „Zukunftsstudie Wintertourismus“ mit Erkenntnissen aus acht relevanten europäischen Herkunftsmärkten präsentiert. Als Keynote-Speaker konnten die InitiatorInnen Andreas Reiter vom Zukunftsbüro Wien gewinnen, der die Top-Trends im ersten Winter der Pandemie vorstellte. Die Zukunftsstudie Wintertourismus kombiniert als eine der wenigen ihrer Art unterschiedliche Marktforschungsmethoden und Betrachtungsweisen.
Eine Studie – drei Sichtweisen
- So wurde die Sicht der Gäste über eine Repräsentativbefragung sowie in einer Special-Interest-Befragung [NPS] in Zusammenarbeit mit Ski-Medien, Wetter- und Reiseplattformen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, den Niederlanden, Belgien, Tschechien und Polen im September 2020 erhoben. Insgesamt wurden hier 23.000 EndverbraucherInnen befragt.
- Die Sicht der GastgeberInnen in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz zeigt ein Stimmungsbarometer mit insgesamt 575 beantworteten Fragebögen.
- Die Sicht der Marketingorganisationen zeigt auf, welche Märkte und Zielgruppen Perspektiven und Chancen für den Wintertourismus bieten. Weitere Erhebungsformen waren eine H-Benchmark Destinationsanalyse mit Echtdaten-Vergleich sowie eine Delphi-Befragung interessierter TouristikerInnen und ExpertInnen.
#01 – die Gäste-Perspektive
Aus Perspektive der Gäste ergab die Studie interessante Erkenntnisse zu Reiseabsichten und -anforderungen. So sind die aktuellen Buchungen derzeit noch gering, die Buchungsabsicht jedoch relativ hoch. Mit 26 Prozent sind die 18-29-Jährigen die größte Gruppe, die im Winter verreisen möchte, aber bisher noch nichts Konkretes geplant hat. Bei den 60- bis 69-Jährigen liegt die Bereitschaft hingegen nur bei 10 Prozent. Bereits gebucht haben mit 4,7 Prozent wiederum am häufigsten die 18- bis 29-Jährigen.
Neben Skifahren spielen in der kommenden Wintersaison vor allem sanfte Bewegungsformen wie Winterwandern, Rodeln oder Eislaufen eine große Rolle. Martin Schobert, Saint Elmo’s Tourismusmarketing Wien, bringt dies mit den Worten „Nature Pleasure vor Socio Pleasure“ auf den Punkt.
Eine überdurchschnittlich große Rolle bei der Buchungsentscheidung spielen die getroffenen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen im Zielgebiet. Dass ihnen diese sehr wichtig bzw. wichtig sind, geben 69,9 Prozent der Befragten in Italien an. An zweiter Stelle liegen hier die befragten Deutschen mit 64,3 Prozent. Mit 39,6 Prozent legen die befragten TschechInnen am wenigsten Wert auf Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen. Österreich und die Schweiz liegen mit 61,8 Prozent bzw. 50,7 Prozent im Mittelfeld.
Dieses Ergebnis bestätigt auch Marco Pappalardo von Dolomiti Superski: „Italien hat im März und April besonders gelitten, daher sind die Maßnahmen hier strenger und die ItalienerInnen haben ein noch höheres Sicherheitsbedürfnis. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und entsprechend umsetzen.“
#02 – die Gastgeber-Perspektive
Das Stimmungsbarometer der GastgeberInnen – befragt wurden ausschließlich Betriebe in Ferienregionen, keine Stadt- und Kongresshotels – erlaubt folgende Schlüsse:
Aktuell liegt der Buchungsstand für die Wintersaison bei einem Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Die Befragung ergab, dass ein hoher Stammgastanteil von Vorteil für die Betriebe ist. Sicherheit und Vertrauen sind in der aktuellen Situation ausschlaggebend. Die Buchungen erfolgen extrem kurzfristig, die Gäste verhalten sich abwartend. Die Herausforderungen und Sorgen, die die Betriebe am meisten umtreiben, sind an erster Stelle die Grenzöffnungen [56,9 Prozent], gefolgt von Infektionen im eigenen Betrieb [50,5 Prozent]. Die finanzielle Situation liegt mit 33,2 Prozent an vierter Stelle.
Aus gegebenem Anlass bereiten sich die Betriebe daher mit besonderen Maßnahmen auf die kommende Wintersaison vor. Ein individuelles Hygiene- und Sicherheitskonzept liegt hier mit 61,5 Prozent an erster Stelle der Maßnahmen [Mehrfachnennungen möglich]. 28,2 Prozent führen verstärkte Covid-19-Testungen bei den MitarbeiterInnen durch, 25,4 Prozent intensivieren die Schulung ihrer MitarbeiterInnen. Immerhin 32,3 Prozent der befragten Betriebe geben an, keine speziellen Maßnahmen zu ergreifen und so weitermachen zu wollen wie bisher.
Bei näherer Betrachtung der Zahlen ergibt die Befragung, dass Betriebe, die schon in der Sommersaison geöffnet hatten bzw. haben, sich bereits intensiver mit strategischen Fragen beschäftigen. Hotels, die erst zur Wintersaison eröffnen, sind wesentlich stärker mit operativen Themen wie der Einführung der Sicherheits- und Hygienemaßnahmen, rechtlichen Rahmenbedingungen und Mitarbeiterschulung ausgelastet.
Insgesamt gilt es für die GastgeberInnen, die Leistung in den Vordergrund zu stellen, aktiv und klar zu kommunizieren und Stammgäste verstärkt anzusprechen. Darüber hinaus gehört ebenso die strategische Weiterentwicklung mit einer klaren Positionierung und Differenzierung, um das Vertrauen des Gastes zu gewinnen, zu den Aufgaben. Denn – und hier ist sich die Expertenrunde einig – Vertrauen stellt die neue Gästewährung dar.
#03 – die Destinations-Perspektive
Interessant für die Destinationen, Regionen und Urlaubsorte sind die Erkenntnisse der Befragung zum Thema Reisebudget. Nur bei insgesamt 9,8 Prozent der Befragten liegt das Budget niedriger oder viel niedriger im Vergleich zum Vorjahr. Bei weit über der Hälfte [59,1 Prozent] ist das Budget auf einem ähnlichen Stand. 25 Prozent haben sogar mehr oder deutlich mehr Budget zur Verfügung, da weniger Städtereisen und Kurztrips durchgeführt wurden und Fernreisen nahezu vollständig weggefallen sind.
Im Ländervergleich in absoluten Zahlen liegt das Durchschnittsbudget für eine Woche Winterurlaub in den Bergen bei den Befragten in den Niederlanden bei 2.009 Euro, die damit Spitzenreiter sind. Über das niedrigste Reisebudget verfügen die Umfrage-TeilnehmerInnen in Polen mit durchschnittlich 1.165 Euro.
Karin Niederer von Kohl & Partner ist sich sicher: „Tourismusmarketing wird sich radikal verändern. In Zukunft wird bis zum letzten Skitag um jeden Gast aktiv geworben und die Vorteile und Mehrwerte aus Gastsicht klar kommuniziert werden müssen.“
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