„Die Krankheit Demenz wird die wohl größte Herausforderung der kommenden Jahre und Jahrzehnte, wenn man an die Versorgung älterer Menschen denkt,“ sagt Dr. Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien und neuer Präsidenten der Österreichische Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie [ÖGAPP]. Er verdeutlicht dies anhand einiger »dramatischer« Zahlen: Aktuell leben in Österreich rund 130.000 Menschen mit der Diagnose Demenz. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl bis zum Jahr 2050 auf mehr als 230.000 ansteigen wird. Und die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird dem zufolge von 33.500 auf fast 60.000 Betroffene ansteigen.
„Andere Prognosen, die die weiter steigende Lebenserwartung [noch] stärker berücksichtigen, gehen sogar von mehr als 260.000 Erkrankten und mehr als 65.000 Neuerkrankungen im Jahr 2050 in Österreich aus. Europaweit muss man von mehr als 16 Millionen Demenzkranken zu diesem Zeitpunkt ausgehen“, so Psota.
Demenz wird nicht die einzige Herausforderung sein
Zu dieser ohnehin schon dramatisch anmutenden Prognose kommen allerdings auch noch jene Herausforderungen hinzu, die sich durch die Corona Pandemie verschärft haben. Einerseits hat Corona negative Auswirkungen auf die Zahl der Demenzpatientinnen und -patienten per se. Außerdem zeigen diverse Studien, dass delirante Zustandsbilder, also akute Verwirrtheiten, die häufige bei Demenzpatientinnen und -patienten auftreten, während der Covid Pandemie ebenfalls wieder angestiegen sind.
Wieder Zunahme von Bewusstseinsstörungen zu verzeichnen
„Um Delirien zu verhindern, ist es notwendig, das Gefühl von Isolation und Einsamkeit zu vermeiden. Durch den Fokus auf menschliche Pflege und Verringerung der Medikamente kam es in den Jahrzehnten vor der Corona Pandemie zu einem deutlichen Rückgang bei Delirium Fällen. Durch die zur Eindämmung der Pandemie notwendigen Maßnahmen, wurden diese Bemühungen allerdings sehr erschwert und es ist – leider – wieder eine signifikante Zunahme der Bewusstseinsstörung zu verzeichnen„, betont Psota.
All das – in Kombination mit einer steigender Lebenserwartung bzw. immer älter werdenden Gesellschaft – führt laut Psota dazu, dass Demenz wohl die größte Herausforderung im Bereich der Versorgung der Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten wird. Und zwar sowohl für Professionistinnen und Professionisten, als auch für die große Zahl an oftmals pflegenden Angehörigen. Denn vier von fünf an Demenz erkrankten Österreicherinnen und Österreicher leben zu Hause, und drei von vier werden von Familienangehörigen betreut. Und auch diese betreuenden Personen sind in zwei von drei Fällen bereits über 60 Jahre alt. „Hier baut sich eine enorm große Welle auf, in die man nicht sehenden Auges laufen darf,“ warnt der Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien.
Ziel muss sein, Betroffenen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen
„Um den Menschen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, ist es notwendig, so rasch wie nur irgendwie möglich zu reagieren. Wie bei jeder anderen Krankheit auch, ist es zunächst entscheidend, möglichst rasch eine entsprechende Diagnose zu stellen. Hier sind einerseits das medizinische Personal, viel mehr aber die Angehörigen gefordert. Denn die unmittelbaren Angehörigen sind es, die – die eigene Gesundheit vorausgesetzt – als erste etwaige Veränderungen bei Betroffenen bemerken.
In die Betreuung müssen neben der Beobachtung des psychisch-somatischen Zustandsbildes auch Überlegungen zum Thema Wohnen und zur Tagesstruktur Eingang finden. Darüber hinaus muss der Schutz der Gesundheit pflegender Angehöriger als integraler Bestandteil eines umfassenden Pflegekonzepts gesehen werden. Glücklicherweise hat die Stadt Wien hier mit ihrer Demenz Strategie bereits erste wichtige Schritte gesetzt, die Wien bis 2035 zu einer der demenzfreundlichsten Städte machen soll,“ erklärt Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht und Drogenfragen der Stadt Wien.
Service
Nähere Informationen zur Demenzstrategie der Stadt Wien finden sie HIER.
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