Der Darm – ein Wunderwerk, das unseren Körper ernährt, schützt und viel mehr zu Gesundheit und Krankheiten beiträgt, als uns oftmals bewusst ist: Warum er so wichtig für das menschliche Wohlbefinden ist und wie der Darm gesund bleibt, das schildern Eva Untersmayr-Elsenhuber [Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung am Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie] und Monika Ferlitsch [Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin III] von der Medizinischen Universität Wien im soeben veröffentlichten Ratgeber „Der Darm“ in Kooperation von MedUni Wien und MANZ Verlag.
Wissenschaftlich faktenbasiert – aber trotzdem leicht lesbar
Die MedUni Wien-Expert•innen aus dem Bereich Immunologie und Gastroenterologie geben darüber hinaus einen umfassenden Überblick über den Aufbau und die Funktion des Darms und wissenschaftlich faktenbasiert – aber trotzdem leicht lesbar – Antworten auf Fragen wie „Warum schützt ein gesunder Darm den ganzen Körper und was passiert, wenn dieser Schutz nicht mehr gegeben ist?“ oder „Welche Rolle spielt unser Lebensstil und vor allem die Ernährung für die Darmgesundheit?„. Durch das Buch begleiten die Leser•innen vier Familien, die sich mit spezifischen Krankheiten, die im Darm ihren Ursprung haben, auseinandersetzen müssen. Deren individuelle Erkrankungsfälle – die sich in unterschiedlichen Zeiten ereigneten – werden als Beispiele einfach erklärt.
„Es sind nicht alle Darmerkrankungen durch unsere Lebensweise bedingt. Manche entstehen aufgrund genetischer Neigung, andere werden durch Krankheitserreger hervorgerufen“, betonen die Autorinnen. „Daher zeigen wir in unserem Buch auch auf, welche Darmerkrankungen lebensbedrohlich werden können und welche vollkommen harmlos sind.“
Dazu gibt es exakte Informationen zu den häufigsten Symptomen von Darmerkrankungen – zum Beispiel auch in Zusammenhang mit Covid-19 – sowie praktische Hinweise zu Darmuntersuchungen, insbesondere zur Darmkrebs-Früherkennung, und die optimale Vorbereitung auf eine derartige Untersuchung.
Ein paar Fakten zu unserer Darmflora
Grundsätzlich umschreibt der Begriff „Darmflora“ die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Darm eines Menschen. Dazu zählen auf der einen Seite die nützlichen Darmbakterien, aber auf der anderen Seite auch die im Darm ansässigen schädlichen Bakterien und Pilze. Alle diese Mikroorganismen besiedeln letztlich den gesamten Verdauungskanal – von der Mundhöhle bis zum Enddarm. Explizit als Darmflora bezeichnet man allerdings nur die Mikroorganismen des Dünn- und Dickdarmes. Je nachdem, ob die „guten“ Darmbakterien überwiegen oder aber die schädlichen, spricht man von einer gesunden und ausgewogenen Darmflora oder aber von einer gestörten.
Wie wichtig eins gesunde Darmflora für unsere Gesundheit ist, zeigt die Tatsache, dass es mittlerweile kaum eine chronische Krankheit, Allergie und/ oder Autoimmunerkrankung gibt, die nicht mit einer kranken Darmflora in Verbindung gebracht wird. Sogar psychische Beschwerden entwickeln sich besonders gut, wenn die Darmflora gestört ist. So ist es auch erwiesen, dass Menschen mit Arthritis, Multipler Sklerose, Autismus etc. eine andere Darmflora haben als gesunde.
Schließlich ist auch bekannt, dass viele Medikamente die Darmflora zum Teil äußerst negativ beeinflussen, allen voran Antibiotika. Diese können oft sehr schnell bei bakteriell bedingten Krankheiten helfen, da sie die krankheitsverursachenden Bakterien töten. Allerdings eliminieren sie auch sehr viele der nützlichen Bakterien in unserem Körper, wodurch sowohl die Darm- als auch die Mundflora aus ihrem gesunden Gleichgewicht geraten – was wiederum chronischen Krankheiten den Weg ebnen kann.
Welche Aufgaben hat die Darmflora in unserem Körper?
Zu den wichtigste Aufgaben der Darmflora gehören:
- Eine der wichtigsten Aufgaben der Darmflora: sie wehrt die Ansiedlung krankheitserregender Keime wie schädliche Bakterien, Viren, Parasiten und Pilze ab. Dazu besiedeln die nützlichen Darmbakterien die Darmschleimhaut so eng, dass schädliche Keime dort gar keinen Platz mehr finden, und die Darmschleimhaut geschützt ist.
- Außerdem regt die Darmflora die Darmschleimhaut immer wieder zu Regenerationsprozessen an und hält sie intakt und gesund.
- Die Darmflora ist an der Verstoffwechslung der Nahrung und somit an der Verwertung der Nährstoffe beteiligt.
- Eine gesunde Darmflora trägt zu einem niedrigen Cholesterinspiegel bei.
- Giftige Abbauprodukte und/ oder unverdaute Partikel können bei einer gesunden und intakten Darmschleimhaut nicht in den Körper gelangen und dort auch keine Schäden verursachen, wie beispielsweise Infektionen, Allergien oder Autoimmunreaktionen.
- Die Darmflora steht in Verbindung zum Gehirn, eine Schädigung kann daher auch die Entstehung psychischer Erkrankungen begünstigen.
- Eine gesunde Darmflora gehört zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen bei chronischen Harnwegsinfekten.
- Nicht zuletzt ist eine der wichtigsten Aufgaben der Darmflora die Unterstützung und das Training des Immunsystems und spielt somit für die körpereigene Abwehrkraft eine entscheidende Rolle. Sobald irgendwo in der Kommunikation mit dem humoralen und dem zellulären Immunsystem auch nur ein kleiner Fehler auftritt, können chronisch entzündliche Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen entstehen.
Wodurch kann die Darmflora beschädigt werden?
Eine gesunde Darmflora wird heutzutage von vielen unterschiedlichen Seiten „angegriffen“. Neben einer ungesunden Ernährung, Stichwort Junk- und Fast Food, Alkohol, Zigaretten, Stress und einem insgesamt ungesunden Lebenswandel mit [viel] zu wenig Bewegung stehen Antibiotika ganz oben auf der Liste der „Feinde“ unserer Darmflora. Aber auch andere Medikamente wie etwa Säureblocker, auch bekannt als „Magenschutz“ oder Entzündungshemmer wie Ibuprofen beeinflussen die Darmflora negativ und begünstigen so die Entstehung von chronischen Krankheiten.
So gilt die Tatsache, dass nach einer Antibiotika-Therapie die Darmflora teilweise zerstört wird und sich ihr natürliches Gleichgewicht oft erst nach vielen Monaten wieder regenerieren kann, als bewiesen. Wird die Darmflora aber geschädigt, ist gleichzeitig auch die körpereigene Abwehr geschwächt. Oder anders formuliert: Im Körper herrscht „Tag der offenen Tür“ für schädliche Bakterien, Pilze, Parasiten und Viren. Unser Körper ist dadurch insgesamt geschwächt und wird anfälliger für Störungen bzw. können Heilprozesse nur noch langsam verlaufen.
Es ist daher mehr als angebracht, sich um seine Darmflora zu kümmern, diese zu hegen und zu pflegen und gegebenenfalls neu aufzubauen. Sollten sie in diese Richtung Beschwerden verspüren, sprechen sie unbedingt mit ihrem Arzt bzw. mit ihrer Ärztin.
Ein paar Tipps, um ihre Darmflora wieder auf Vordermann zu bringen
Wenn wir uns bewusst sind, was unserem Darm und unserer Darmflora nicht gut tut, lässt das natürlich den Schluss zu, dass „alles passen müsste“, wenn man die ungesunden Angewohnheiten bei Seite lässt. Sprich gesunde und abwechslungsreiche Ernährung, regelmäßige Entspannung und [viel] mehr Bewegung sollten ausreichen, unseren Darm [wieder] auf Vordermann zu bringen. Aber genau das ist – wie so oft – leichter gesagt als getan. Am Erfolg versprechendsten sind ihre Umstellungen bzw. Anstrengungen, wenn sie diese in ihren persönlichen Alltag einbauen – und nach spätestens drei Wochen haben sie sich daran gewöhnt 😉
> Gluten meiden wo es nur geht
Gluten kommen in den meisten Getreideprodukten, auch in Vollkornprodukten, vor und ist eines jener Eiweiße, das bei vielen Menschen – ohne deren Wissen und bei entsprechender Unverträglichkeit – zu den unterschiedlichsten Symptomen führen kann: Gluten kann chronischen Durchfall verursachen, genauso aber auch chronische Verstopfung. Es kann darüber hinaus Kopfschmerzen, bleierne Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Gelenkschmerzen und vieles mehr verursachen.
Wer Gluten nicht verträgt, muss übrigens nicht gleich an einer Zöliakie [eine entzündliche Darmerkrankung, die durch eine fehlgeleitete Immunreaktion auf das Klebereiweiß Gluten ausgelöst wird] leiden. Sehr viel häufiger als Zöliakie tritt heutzutage nämlich „nur“ eine sogenannte Glutensensitivität auf.
Glutenfrei sind folgende Getreide bzw. „Pseudogetreide“: Mais, Hirse, Reis, Quinoa, Buchweizen und Amaranth.
> Milchprodukte reduzieren
Genauso wie Gluten können bei vielen Menschen auch Milchprodukte zu teils enormen Verdauungsproblemen führen. Hier ist jedoch weniger die Unverträglichkeit des Milchzuckers Lactose und einer damit verbundenen Laktoseintoleranz gemeint, sondern vielmehr die verschleimende und stopfende Wirkung des Milcheiweißes. Wie bei Gluten reagieren manche allerdings auch mit Durchfall darauf.
Wenn sie sich nicht sicher sind, ob auch bei ihnen Milchprodukte ihre Darmprobleme verstärken, sollten sie es einmal mit einem einfachen Selbstversuch probieren: einfach für drei Wochen alle Milchprodukte weglassen – wenn sie in dieser Zeit eine deutliche Besserung ihrer Beschwerden erleben, sollten sie auf ihren Körper hören und auch künftig Milchprodukte meiden.
> Umsteigen auf „gesunde“ Ballaststoffe
Ballaststoffe sind wichtig, aber wenn, dann bitte die „richtigen“. Wenn sie einen empfindlichen Darm haben, sollten sie unter anderem grobe Vollkornbackwaren meiden. Diese sind zwar tatsächlich sehr reich an Ballaststoffen, aber auch für viele Menschen schlecht verträglich. Gesunde und leicht verträgliche Ballaststoffe, die gleichzeitig keinerlei Gluten enthalten, sind stattdessen solche, die Kokosmehl, Erdmandeln [Chufas], Chiasamen und/ oder Gerstengraspulver enthalten.
> BewegungISTgesund
Bewegen sie sich regelmäßig und treiben sie regelmäßig Sport. Der Darm mag nichts lieber als Bewegung. Er kommt dadurch so richtig in Schwung. Die Verdauung wird angeregt, der Darm kann sich viel leichter ordnen sowie rasch den anfallenden Stuhl ausscheiden.
Und es muss ja nicht gleich jede Woche ein Marathon sein. Ein täglicher Spaziergang wirkt auch schon Wunder – und bei der Gelegenheit können sie auch gleich ihren Kopf frei bekommen!
> Trinken sie ausreichend Wasser
Trinken ist wichtig, nicht nur jetzt im [Hoch-]Sommer. Über den Tag verteilt sollten sie nach Möglichkeit mindestens 1,5 bis zwei Liter Wasser oder ungesüßte Tees zu sich nehmen. Eine ausreichende Versorgung des Körpers mit Wasser verhilft diesem nicht nur zu einer besseren Verdauung, sondern insgesamt zu einer optimalen Funktion aller Organe. Gleichzeitig wird natürlich auch die Ausleitung von Giften aus dem Körper unterstützt.
> Gut gekaut ist halb verdaut
Und als letzten Tipp noch ein einfacher Selbsttest: Kauen sie bei ihrer nächsten Mahlzeit jeden Bissen mindestens 40 Mal. Sie werden staunen, wie bekömmlich eine solch gut gekaute Mahlzeit ist. Die üblichen Blähungen bleiben aus, der Bauch bleibt flach und die Verdauung verläuft unauffällig. Je besser sie ihr Essen kauen, umso besser und leichter kann diese auch verdaut werden. Denn mit jedem zusätzlichen Bissen erhöhen sie – bildlich gesprochen – die Oberfläche des Speisebreis, wodurch die Angriffsfläche für die Verdauungsenzyme steigt und sich ihre Verdauung „leichter“ tut.
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