Silversurfer, Digitale Senioren, das Internet wird älter – Schlagworte, die seit Jahren dafür stehen, dass [auch] immer mehr Seniorinnen und Senioren die digitale Welt kennen und für sich nutzen lernen. Nicht verwunderlich, dass digitale Anwendungen für mehr Lebensqualität im Alter, bessere Pflege, Gesundheit und Kommunikation buchstäblich wie Pilze aus dem Boden schießen. Oder anders formuliert: Die Digitalisierung bietet ein nahezu unerschöpfliches Potenzial, um das Leben älterer Menschen gesünder und sicherer zu machen, um Teilhabe zu fördern oder die Pflege zu erleichtern. Damit das nicht nur gut klingt, sondern auch funktioniert, muss man die Seniorinnen und Senioren von Anfang an mitnehmen. Vor allem die, die bislang kaum Zugang zur digitalen Welt hatten.
Das Alter allein ist kein Maßstab für Interessen, Wünsche und Bedürfnisse
Österreich gehört zu jenen Ländern, in denen der Anteil der älteren Bevölkerung sehr hoch ist – und in den kommenden Jahren sukzessive steigen wird: Laut Prognosen von Statistik Austria wird der Anteil der 65+ Jährigen bis zum Jahr 2050 auf 27,7 Prozent steigen. Das sind dann bei prognostizierten 9,63 Mio. Österreicherinnen und Österreicher über 2,6 Mio. Menschen „im besten [Pensions-]Alter“.
Was auf der einen Seite mit Blick auf das Pensionssystem und den Pflegenotstand besorgniserregend klingt, birgt auf der anderen Seite durchaus auch Chancen für die Wirtschaft und neue Geschäftsideen. Denn in keiner Altersgruppe steigt die Kaufkraft so stark wie bei den Älteren. Insbesondere Menschen über 70 haben in den letzten zwanzig Jahren in Sachen Konsum zugelegt. Doch das allein macht Seniorinnen und Senioren noch nicht attraktiv für Unternehmensgründer. Welche Innovationen brauchen die Älteren, wofür werden sie in Zukunft Geld ausgeben? Wer hier Antworten sucht, sollte sich von Alterskategorien 50plus, 60plus, 70plus verabschieden, denn das Alter allein ist kein Maßstab für Interessen, Wünsche, Bedürfnisse oder Konsumverhalten.
Mehr Lebensqualität im Alter
Die allermeisten Menschen wünschen sich, möglichst lange selbstständig im vertrauten zu Hause zu leben. Die Digitalisierung kann dazu beitragen. Sturzdetektoren und Bewegungsmelder beispielsweise erhöhen die Sicherheit, Sprachassistenten vereinfachen die Bedienung von Geräten, Wearables kontrollieren wichtige Gesundheitsdaten wie zum Beispiel Blutdruck und Blutzucker, Gesundheits-Apps mit Krankengymnastik- und speziellen Sportprogrammen können zum Beispiel bei der Rehabilitation nach Gelenkoperationen und zur Steigerung der Fitness zum Einsatz kommen. An Konzepten mangelt es nicht – an der Umsetzung mitunter schon. Ein altersgerechtes und gleichzeitig optisch ansprechendes Design, intuitive und einfache Bedienbarkeit, aber auch die Kosten spielen eine große Rolle.
Ein ganz wichtiger Punkt beim Thema Smart Home Care ist aber auch das „Offline-Service“. Nicht jede bzw. jeder hat Angehörige, die smarte Helfer anschaffen, installieren, erklären und zur Stelle sind, wenn etwas nicht funktioniert. Dennoch ist der Bereich „digitalen Lösungen für ein sicheres zu Hause im Alter“ jedenfalls einer mit sehr großem Potenzial.
Ausweg beim Pflegenotstand: Unterstützung durch smarte Pflege
Im Pflegesektor soll die Digitalisierung vor allem eines: den Personalmangel abfedern bzw. die Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger erleichtern. Damit sind allerdings nicht nur Pflegeroboter für körperlich anstrengende Pflegetätigkeiten gemeint. Gute Dienste leisten zum Beispiel auch Tools, die die Dokumentation von Pflegeleistungen automatisieren und so wertvolle Zeit für den persönlichen Austausch mit den Pflegebedürftigen schaffen. Manche Pflegeeinrichtungen arbeiten bereits auch mit digitalen Geräten zur Erweiterung des Freizeit- und Aktivierungsangebots von Bewohnerinnen und Bewohnern.
Generationenübergreifend denken
Gibt es über den Pflege- und Gesundheitssektor hinaus Branchen, für die es sich lohnt, den „Silbermarkt“ zu erschließen? Die Antwort darauf ist eindeutig: „Ja.“ Schließlich gibt es im Alter nicht nur Einschränkungen und körperliche Gebrechen, sondern eine Vielfalt an Interessen und Spaß an den schönen Dingen des Lebens – die letztlich unabhängig vom Lebensalter sind. Viele Produkte sind nicht nur für eine ältere Zielgruppe spannend, sondern funktionieren generationenübergreifend. Andere sind wiederum mit klugen Anpassungen in Design oder Kommunikation auch für Ältere intuitiv zu nutzen.
In den USA ist man in Sachen AgeTech – damit sind Produkte und Dienstleistungen gemeint, die ältere Menschen unkompliziert nutzen können – schon weiter. Dort gibt es mehr Investor•innen, eine bessere Vernetzung und somit auch mehr Gründungen und Innovationen in dieser Branche. Doch auch hierzulande findet eine Neuorientierung statt. Investor•innen halten zunehmend Ausschau nach Start-Ups, die sich mit dem demografischen Wandel als einer der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zukunft befassen.
Voraussetzungen für alle verbessern
Es reicht allerdings nicht, über die Chancen der Digitalisierung für ältere Menschen zu sprechen und die Entwicklung entsprechender Konzepte und Produkte zu fördern, ohne die Grundlagen für deren spätere Nutzung zu prüfen und sicherzustellen. Wie die Zahlen von Statistik Austria zeigen, nutzen 88,9 Prozent der 55- bis 64-Jährigen und über 65 Prozent der über 66-Jährigen das Internet. Einige Seniorinnen und Senioren sind jedoch allein deshalb nicht digital, weil schlicht und ergreifend die notwendige Infrastruktur dazu fehlt. Das betrifft insbesondere die Bewohnerinnen und Bewohner von Senioren- und Pflegeeinrichtungen, da immer noch ein Großteil dieser Einrichtungen nicht mit WLAN ausgestattet ist, geschweige denn mit freiem WLAN auf den Zimmern.
Die digitale Kluft nicht vergrößern
Aktuelle Umfragen zeigen, dass beinahe die Hälfte der Seniorinnen und Senioren Webseiten meiden, weil sie diese zu kompliziert finden. Ein Viertel der Befragten verlässt jede Woche Webseiten, weil er oder sie damit nicht zurechtkommt. Fast jede•r Zweite beklagt eine schlecht nachvollziehbare Navigation auf Webseiten. Außerdem ist das Ausfüllen von Onlineformularen oft zu kompliziert oder missverständlich, Schriften sind schlecht lesbar, die Farbgestaltung ungünstig und viele Texte sind schwer verständlich formuliert.
Wer seine Website nur mit technikaffinen Personen testet, Ältere jedoch außen vorlässt, verliert potenzielle Userinnen und User. Darüber hinaus zeigen diese Daten recht deutlich, dass Ältere offensichtlich nicht im Fokus dieser Webseitenbetreiber stehen. Wer jedoch ältere Nutzerinnen und Nutzer in die Webseitenentwicklung mit einbezieht, bringt im günstigsten Fall nicht nur benutzerfreundlichere Webseiten ins Netz, sondern setzt auch ein klares Statement, dass die Meinung und Teilhabe älterer Menschen wichtig ist.
Gleichzeitig braucht es aber auch mehr niederschwellige Angebote, um die Kompetenzlücke bei der Digitalisierung zwischen Jung und Alt zu schließen. Volkshochschulen, Institutionen und Vereine sind da schon sehr aktiv. Doch die Kompetenzlücke klafft nicht nur zwischen Jung und Alt beziehungsweise „Digital Natives“ und „Internetneulinge“. Es gibt vor allem auch innerhalb der Älteren zum Teil sehr große Unterschiede. Beruf, Geschlecht, Einkommen, Bildung, Migrationshintergrund und Gesundheit haben ebenfalls Einfluss auf die Digitalkompetenz. Und nicht alle trauen sich, die verfügbaren Angebote wahrzunehmen. Mit niederschwelligen Initiativen, die zu den Leuten gehen, kann man Berührungsängste abbauen und Begeisterung für digitale Angebote wecken. Sinnvoll sind zum Beispiel Kooperationen mit Wohnbauanbietern von Betreuungseinrichtungen oder innerhalb von Dorfstrukturen.
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