Die strengen Isolationsmaßnahmen in der Corona-Pandemie werden zwar zunehmend gelockert, die Einsamkeit als großes gesellschaftliches Thema bleibt allerdings.
„Soziale Isolation und Einsamkeit waren schon vor Corona ein drängendes Problem. Durch die aktuelle Krise wurde dieses Problem nun offensichtlich und massiv verschärft. Einsamkeit nimmt zu. Jung und Alt sind betroffen. Und Einsamkeit macht krank. Für Österreich wünsche ich mir deshalb einen Pakt gegen Einsamkeit. Dabei leistet die Initiative der Ludwig Boltzmann Gesellschaft einen wichtigen Beitrag, indem sie das Thema enttabuisiert, die Sinne für die Lebensumstände der betroffenen Menschen schärft und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärkt,“ so Caritas Präsident Michael Landau, der die Initiative „Reden Sie mit! Was macht Corona mit unserer psychischen Gesundheit?“ der Ludwig Boltzmann Gesellschaft unterstützt.
372.000 Österreicher*innen haben niemanden zum Reden
Auch der ärztliche Leiter der Caritas der Erzdiözese Wien, Thomas Wochele-Thoma, sieht Einsamkeit als wachsendes Problem in vielen westlichen Ländern. Der Psychiater und Psychotherapeut beschäftigt sich bereits seit zwei Jahren intensiv mit dem Thema und sieht großen Handlungsbedarf. Allein in Österreich gab es bereits vor der Corona-Krise rund 372.000 Menschen, die niemanden für persönliche Gespräche in ihrem persönlichen Umfeld haben. „Wenn wir Menschen aus nachvollziehbaren Gründen dann raten, ihre sozialen Kontakte [aufgrund von Covid-19] auf ein Minimum zu reduzieren, dann bedeutet das für viele, dass sie gar keine Sozialkontakte mehr haben“, so Wochele-Thoma, der die „Reden Sie mit!“-Initiative der Ludwig Boltzmann Gesellschaft als Experte ebenfalls unterstützt.
Besonders betroffen von der sozialen Isolation und Einsamkeit in der Corona-Krise sind alleinstehende Personen, ältere Menschen und Pensionistinnen und Pensionisten. Diese Betroffenheit macht sich bei der Caritas aktuell besonders bei der Corona-Nothilfe-Hotline, in den Pflegewohnhäusern, Pfarren und Sozialberatungsstellen bemerkbar.
Allerdings war die Angst zu Vereinsamen bei älteren Menschen bereits vor der Pandemie besonders hoch. Mehr als die Hälfte der 60-69-Jährigen befürchtet, im Alter zu wenig Freunde oder Bekannte zu haben. „Einsame Menschen wieder in die Gesellschaft zu holen, das ist keine Aufgabe, die wir den sogenannten Sozialen Medien überlassen können. Es ist eine Aufgabe, die uns gesamtgesellschaftlich fordert„, ist Wochele-Thoma überzeugt. „Wir brauchen jetzt noch mehr eine Kultur der Achtsamkeit„, so der Psychiater. Da sieht er die Politik ebenso gefordert, wie die Zivilgesellschaft, Kirchen oder Unternehmen.
Zivilisationskrankheit Einsamkeit
Dass Einsamkeit auch körperliche Folgen haben kann, zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien. So steigt bei einsamen Menschen beispielsweise das Risiko für chronischen Stress und/ oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem steigt auch die Wahrscheinlichkeit an einer Depression oder Demenz zu erkranken.
Einige europäische Länder haben die Bedeutung des „Kampfes“ gegen die Einsamkeit für die Gesellschaft bereits erkannt und ermutigende Initiativen gesetzt. Deutschland zum Beispiel hat das Thema in ihr Koalitionsübereinkommen aufgenommen; die Niederlanden haben einen „Pakt gegen Einsamkeit“ geschlossen und unterstützen diverse lokale Initiativen; und seit 2018 gibt es in England eine eigene ministerielle Zuständigkeit für Einsamkeit.
„Reden Sie mit!“ zu sozialer Isolation und Einsamkeit in der Corona-Krise
Auch die Ludwig Boltzmann Gesellschaft widmet sich dem Thema Einsamkeit und soziale Isolation in der Corona-Krise in ihrer Initiative „Reden Sie mit! Was macht Corona mit unserer psychischen Gesundheit?“. Teil der Initiative ist ein Crowdsourcing, bei dem jede und jeder online seine Beobachtungen über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die psychische Gesundheit bei sich selbst und bei anderen einbringen kann.
Wie Menschen den Lockdown erlebt haben und wie sich Social Distancing und die Einsamkeit auf ihr Wohlbefinden ausgewirkt hat, ist aktuelles Schwerpunktthema des Crowdsourcing, das noch bis zum 6. Juli läuft.
Alle Informationen dazu sowie die Möglichkeit, auch ihre persönlichen Erfahrungen [anonym] zu teilen, finden sie HIER!
Über die Initiative „Reden Sie mit! Was macht Corona mit unserer psychischen Gesundheit?“
Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft identifiziert mit der Initiative „Reden Sie mit! Was macht Corona mit unserer psychischen Gesundheit?“ Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung. Personen ab 18 Jahren können auf der Online-Plattform https://corona.lbg.ac.at Beobachtungen über die Auswirkungen bei sich selbst und bei anderen einbringen.
Die Beiträge aus dem Crowdsourcing fließen direkt in eine Reihe von Co-Creation-Workshops ein und dienen einem interdisziplinären Team an Expertinnen und Experten sowie Praktikerinnen und Praktikern als Basis, um konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik sowie neue Forschungsfragen zu erarbeiten.
Nachdem [bewegte] Bilder mehr als 1.000 Worte sagen, hier noch ein paar Worte inkl. dem Aufruf zum Mitmachen bei der Initiative „Reden Sie mit! Was macht Corona mit unserer psychischen Gesundheit?“ von Doris Schmidauer.
Über die Ludwig Boltzmann Gesellschaft
Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft [LBG] ist eine Forschungseinrichtung mit thematischen Schwerpunkten in der Medizin und den Life Sciences sowie den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften und stößt gezielt neue Forschungsthemen in Österreich an. Die LBG betreibt zusammen mit akademischen und anwendenden Partnern aktuell 19 Ludwig Boltzmann Institute. Sie entwickelt und erprobt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und nicht-wissenschaftlichen Akteurinnen und Akteuren wie Unternehmen, dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft. Gesellschaftlich relevante Herausforderungen, zu deren Bewältigung Forschung einen Beitrag leisten kann, sollen frühzeitig erkannt und aufgegriffen werden.
Teil der LBG sind das LBG Open Innovation in Science Center, das das Potenzial von Open Innovation für die Wissenschaft erschließt, und das LBG Career Center, das 250 PhD-Studentinnen und Studenten sowie Postdocs in der LBG betreut. In der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sind insgesamt 550 Mitarbeiterinnen und Mitabeiter beschäftigt.
(Bilder: Pixabay.com; Video: Youtube.com)