Trotz etablierter Impfprogramme bleiben klassische Erkrankungen wie Masern und Keuchhusten eine ernstzunehmende Herausforderung. In Österreich kam es zuletzt wegen gesunkener Durchimpfungsraten zu zahlreichen Erkrankungsfällen. Der Österreichische Impftag am 18. Jänner 2025 rückt entsprechend impfpräventable Erkrankungen wie Masern, Keuchhusten und Influenza in den Fokus.
Großer Aufholbedarf bei Durchimpfungsraten
Unter dem Titel „Geimpft – Geschützt – Sicher!“ werden am 18. Jänner 2025 unter dem medizinisch-wissenschaftlichen Vorsitz von Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien, von zahlreichen Top-Expert•innen aktuelle Fragen rund um das Thema Impfen beleuchtet. Großes Thema dabei ist unter anderem der große Aufholbedarf bei Durchimpfungsraten.
Ein zentrales Thema sind weiters die sogenannten klassischen „impfpräventablen Erkrankungen“, die trotz bestehender Impfprogramme nach wie vor eine Bedrohung darstellen. „Masern und Keuchhusten sind wieder zu einem ernsthaften Problem geworden“, betont Ursula Wiedermann-Schmidt. Bei Pertussis [Keuchhusten] ist heuer wieder die Anzahl an Erkrankungen der Vor-Impfära Anfang der 1960er Jahre erreicht worden. Was Masern betrifft, hat Österreich heuer über 500 Fälle und ist damit europaweit eines der zehn Länder mit der höchsten Maserninzidenz. Der Großteil der Erkrankten ist ungeimpft oder hat nur die erste der beiden empfohlenen Impfungen erhalten. Altersmäßig sind sowohl Kinder als auch junge Erwachsene [≥30 Jahre] betroffen.
Wiedermann-Schmidt erinnert daran, dass die Masern, gerade seit der Covid-19-Pandemie, medial weniger thematisiert wurden, was zu einem Rückgang der Sensibilisierung beigetragen haben könnte. Sie sieht hier auch eine Zurückhaltung der Politik, das Thema Impfen aufzugreifen, da die gesellschaftlichen Diskussionen und Kontroversen auf dem Gebiet das Impfwesen in Österreich hemmen.
Prävention am Arbeitsplatz und innovative Impfstoffe
Ein weiteres zentrales Thema ist die Prävention an verschiedenen gesellschaftlichen Schnittstellen. Der Arbeitsplatz bietet laut Wiedermann-Schmidt eine besondere Gelegenheit, Menschen im erwerbsfähigen Alter zu erreichen, die selten zur Ärztin oder zum Arzt gehen, weil sie sich gesund fühlen. „Wenn wir Impfen und Informationsangebote direkt dorthin bringen, wo sich die Menschen am meisten aufhalten, können wir die Impfbereitschaft erhöhen und zur Prävention beitragen – das entspricht auch der WHO-Strategie“, erklärt die Expertin.
Angesichts der steigenden Erkrankungszahlen gibt es im Österreichischen Impfplan daher Anpassungen, ergänzt Rudolf Schmitzberger, Leiter des Referats für Impfangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer: „Besonders wichtig ist die erste Auffrischung bei der Pertussisimpfung bereits ab dem sechsten Lebensjahr, vor dem Schuleintritt“, betont er. Der erste Schutz vor einer Pertussiserkrankung wird durch die empfohlene Impfung im letzten Drittel der Schwangerschaft an das Kind weitergegeben: „Neben Pertussis sind es auch die Impfungen gegen Influenza und RSV, die für Schwangere empfohlen werden“, sagt der Impfexperte. Schmitzberger wünscht sich hier eine stärkere Awareness: „Die Prävention für Mutter und Kind sollte noch stärker in den Fokus rücken.“
Das gleiche gelte für die HPV-Impfung: „In skandinavischen Ländern ist die HPV-Impfung ein must-have, bei uns aber leider nur ein nice-to-have.“ Zudem setzt sich die Österreichische Ärztekammer weiterhin dafür ein, die Lücke zwischen dem erfolgreichen kostenfreien Kinderimpfprogramm und den Impfungen für Erwachsene zu schließen – etwa bei Schutzimpfungen gegen Pneumokokken.
Impfen nützt, impfen schützt!
„Die Durchimpfungsraten in Österreich sind traditionell leider unterirdisch schlecht. Bei den Impfungen gegen Keuchhusten liegen wir laut EU-Gesundheitsbehörde ECDC im EU-Ranking mit einer Durchimpfungsrate von 84 Prozent auf dem letzten Platz. Auch bei Hepatitis B schneidet Österreich bei der Vollimmunisierung mit 84 Prozent im EU-Ländervergleich am schlechtesten ab“, weiß Gerhard Kobinger von der ÖAK. „Ein Grund dafür ist, dass es unzählige Falschinformationen rund um das Thema gibt, und dadurch eine noch größere Impfmüdigkeit entstanden ist. Dabei gibt es quasi an jeder Ecke die Möglichkeit, sich professionell darüber informieren zu lassen: in den 1.450 Apotheken in ganz Österreich.“
Die professionelle Impfberatung gehört für die mehr als 7.000 Apotheker•innen zur täglichen Routine – egal, ob es sich um Erstimpfungen bei Kindern und Jugendlichen oder um Auffrischungsimpfungen bei Erwachsenen handelt. Auch ein geschulter Blick in den Impfpass von Kund•innen – egal ob analog oder digital – durch die Apothekerschaft ist Teil dieser Routine. „Auffrischungsintervalle wie beispielsweise gegen FSME oder Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Polio können sich mit dem Alter ändern. Doch kaum jemand beschäftigt sich damit. Der entsprechende Schutz gegen diverse Erkrankungen ist aber nur durch die Auffrischung in den richtigen Abständen gewährleistet. Deshalb ist ein Impfpass in jedem Alter wichtig.“
5-C-Modell der WHO
Die fundierte Beratung rund ums Impfen ist essenziell, um Menschen für das Impfen zu motivieren. Eine positive Impf-Entscheidung ist laut WHO von fünf C-Faktoren abhängig:
- Confidence [Vertrauen]
Wer Vertrauen in die Sicherheit von Impfungen hat, lässt sich auch impfen. - Complacency [Risikowahrnehmung]
Impfungen dürfen nicht als überflüssig wahrgenommen werden. Etwa wenn sie gegen Krankheiten schützen soll, die kaum noch auftreten. - Constraints bzw. Convenience [Bequemlichkeit]
Es muss so einfach wie möglich sein, sich impfen zu lassen. Dazu zählen unter anderen die Verfügbarkeit von Impfstoffen sowie eine möglichst niederschwellige Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Bei Auffrischungsimpfungen für gesunde Erwachsene stünden auch die Apotheken als zusätzliche Anlaufstelle zur Verfügung. - Calculation [Berechnung]
Die Abwägung zwischen Nutzen und Risiken sollte im Normalfall dazu führen, sich impfen zu lassen. Ausnahmen wie etwa Vorerkrankungen sind bei der Impf-Beratung natürlich zu berücksichtigen. - Collective Responsibility [Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft]
Es darf nicht gelten, dass Impfungen bei einem selbst unnötig sind, wenn sich alle anderen geimpft haben.
Innovationen bei Impfstoffentwicklungen und die Rolle der Medien in der Gesundheitskommunikation
Auf dem Österreichischen Impftag werden zudem neue Impfstoffe vorgestellt, die kurz vor der Einführung stehen: ein Fünffach-Impfstoff gegen Meningokokken und ein Impfstoff gegen Chikungunya. Auch ein neuer Borreliose-Impfstoff befindet sich in der Entwicklung, und verbesserte Pneumokokken-Impfstoffe werden erstmals vorgestellt. Im Zuge der global steigenden Antibiotikaresistenzen werden auch neue Impfstoffentwicklungen wie zum Beispiel gegen häufige Harnwegs-und Darminfektionskeime diskutiert.
Ein wissenschaftlicher Höhepunkt des Impftages wird der Vortrag des renommierten Impfstoffforschers Florian Krammer sein, der über neue Entwicklungen im Bereich der Impfungen gegen respiratorische Erkrankungen spricht. Themen sind unter anderem neue Impfstoffe gegen Influenza und Vogelgrippe, die im Hinblick auf eine mögliche neue Pandemie von Bedeutung sind. Köksal Baltaci, Journalist und Experte für Gesundheitskommunikation, wird einen Vortrag zur Rolle der Medien in der Gesundheitserziehung halten. Ein zentrales Thema: Welche Rolle spielen das Internet und Social Media in der modernen Gesundheitsbildung?
Der Österreichische Impftag bietet eine wertvolle Plattform für den fachlichen Austausch über Impfthemen und unterstreicht die Bedeutung eines gesellschaftlich geförderten und aktiven Impfwesens.
(Bilder: AdobeStock, MedUni Wien/ APA/ Hörmandinger, AdobeStock)