Die Gegenwart ist geprägt von multiplen Umbrüchen, die eine Reihe an Veränderungen und Herausforderungen mit sich bringen. Einer davon ist der demografische Wandel und damit einhergehend auch vermehrt Krankheiten wie beispielsweise ein erhöhtes Demenzrisiko. Er ist zwar keinesfalls überraschend und kündigt sich seit Jahrzehnten an, dennoch sind viele Bereiche nicht darauf vorbereitet, etwa der Finanzbereich, der Arbeitsmarkt, Wohnen sowie das Pensions-, Gesundheits- oder Ernährungssystem.
Aber wir werden nicht nur älter, sondern wollen auch viele Jahre eigenständig und gesund oder zumindest möglichst beschwerdefrei leben. „Mit dem demografischen Wandel verändert sich sukzessive die Nachfrage am Lebensmittelmarkt. Wie und was wir essen, hängt stark von unserem beruflichen, sozialen und privaten Umfeld, von der verfügbaren Zeit und der Haushaltsgröße ab. Sozialisation und Zeitgeist tun ihr Übriges bei der Formierung der Essgewohnheiten“, so Marlies Gruber, Geschäftsführerin des forum. ernährung heute [f.eh]. „Daher benötigen wir mehr interdisziplinären Austausch, vernetztes Denken und einen offenen Dialog über die Herausforderungen in den diversen Lebensphasen wie Wechseljahre, Depressionen und Demenz.“
Gut ein Fünftel der Bevölkerung ist 65+
Die Bevölkerungsstruktur verändert sich fortlaufend durch abnehmende Geburtenrate, Alterung der Gesellschaft und Zuwanderung. Gut ein Fünftel der Bevölkerung in Österreich und Deutschland war 2021 über 65 Jahre alt. Im Vergleich dazu: 1950 war es nur ein Zehntel. Und nun verabschieden sich in den kommenden 13 Jahren die Babyboomer-Jahrgänge 1955–1969 aus dem Berufsleben. Das hat unmittelbare Konsequenzen für viele Bereiche wie die Ernährung. Essgewohnheiten ändern sich im Zuge der Lebensphasen und sind unter anderem durch individuelle Vorlieben, soziale und kulturelle Faktoren, Geschlecht und Bildungsstand geprägt.
Im Alter ausreichend Energie und Eiweiß zuführen
Seniorinnen und Senioren gestalten ihre Ernährung oft aus traditionellen und emotional bedeutsamen Routinen und Lebensmitteln. Um die Gesundheit zu erhalten und das Risiko von ernährungsassoziierten Krankheiten wie Adipositas, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes zu reduzieren, achten viele auch auf eine ausgewogene Ernährung. Gerade in der Altersgruppe ab 65 Jahren erhöht sich aber das Risiko für qualitative oder quantitative Mangelernährung: Die Muskelmasse nimmt ab, die Fettmasse zu. Daher ist weniger Energie nötig, aber eine höhere Nährstoffdichte an Vitaminen, Mineralstoffen, essenziellen Fettsäuren und Eiweiß.
Vor allem jüngere Seniorinnen und Senioren haben ihre Essgewohnheiten noch nicht angepasst und neigen daher eher zu Übergewicht. Bei Menschen über 80 Jahren steigt wiederum das Risiko für Energiemangel und einen ungewollten Gewichtsverlust. Ursachen sind unter anderem körperliche Veränderungen, Kau- und Schluckstörungen, Appetitverlust, schnelleres Sättigungsgefühl oder Verdauungsbeschwerden sowie psychische und soziale Gegebenheiten.
Mangelt es an Energie und Eiweiß, kommt es durch den ungewollten Gewichtsverlust zur Sarkopenie, dem Abbau von Muskelmasse und -kraft. Das erhöht wiederum das Risiko von Stürzen und allgemeiner Gebrechlichkeit. Durch Mangelernährung und Sarkopenie verschlechtern sich zudem Krankheitsverläufe und OP-Outcomes. Als Folge ist die Rekonvaleszenz langsamer, die Wundheilung beeinträchtigt sowie das Risiko für neurologische und kognitive Störungen erhöht.
Um dem vorzubeugen, gilt ab einem Alter von 65 Jahren ein Body Mass Index [BMI] von 22 bis 27 als optimal. Besonders im hohen Alter ist es deshalb wichtig, sowohl auf eine hohe Nährstoff- als auch eine hohe Energiedichte zu achten.
Ernährung, Sport und Sozialkontakte senken Demenzrisiko
Durch die höhere Lebenserwartung steigt die Zahl an Demenzbetroffenen weltweit. Laut Deutschem Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen [DZNE] waren 2021 rund zwei Prozent aller 65- bis 69-Jährigen und 14 Prozent der 80- bis 84-Jährigen betroffen. Demenz ist ein Überbegriff für diverse Erkrankungen, die sich auf das Gehirn auswirken. Sie sind trotz großer Forschungsbemühen noch nicht heilbar. Aber einem Bericht der Lancet Commission aus dem Jahr 2020 zufolge wären durch günstige Lebensgewohnheiten und die Einschränkung von Risikofaktoren [zum Beispiel Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Rauchen, Luftverschmutzung, mangelnde Sozialkontakte] bis zu 40 Prozent aller Demenzerkrankungen vermeid- oder zumindest verzögerbar.
Aus den Daten lässt sich rückschließen, dass ausgewogene Ernährungsweisen, die reich an Antioxidantien, B-Vitaminen sowie mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind, günstig für das Alzheimerrisiko sein können. Eine gute Orientierung für eine derart bunte Kost bietet beispielsweise die mediterrane Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen, im Gegenzug jedoch nur moderaten Mengen an Fleisch, Fisch und Milchprodukten.
Vorbeugen statt reparieren
Das Ziel ist klar: länger gesund oder zumindest beschwerdefrei bleiben. Diese „gesunden Lebensjahre“ werden von der Eurostat als statistischer Indikator berechnet, liegen im EU-Durchschnitt bei 64 Jahren, klaffen aber mitunter je nach Art und Weise der Prävention sowie der individuellen Kompetenzen weit auseinander. So haben die Menschen in Schweden 16 gesunde Lebensjahre mehr als in Österreich. Das zeigt einen Handlungsbedarf und die Notwendigkeit einer Abkehr von der Reparaturmentalität auf: Nur wenn man entsprechende Kompetenzen zur Bewältigung der Herausforderungen in den unterschiedlichen Lebensphasen vermittelt, passen die Menschen ihren Lebensstil an und steigen die gesunden Lebensjahre.
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