Heute, am 15. Juni, ist der Internationale Tag gegen Gewalt an älteren Menschen. Anlass genug, um das Bewusstsein für derartige Vorfälle zu schärfen. Gewalt ist grundsätzlich eine Verletzung der Menschenrechte – egal, gegen wen sich diese richtet. Aber gerade auch ältere Menschen sind diesem gesellschaftlichen Phänomen in besonderer Weise ausgesetzt. Laut Weltgesundheitsorganisation [WHO] werden in westlichen Ländern zwischen einem und zehn Prozent aller älteren Menschen Opfer innerfamiliärer Gewalt. Die Dunkelziffer ist hoch. Der gefährlichste Ort in Sachen Gewalt und Misshandlungen ist das eigene zu Hause, weil die meisten Hilfebedürftigen von Familienangehörigen betreut werden.
Menschen, die Pflegebedarf haben, leben in einem Abhängigkeitsverhältnis, das immer wieder auch ausgenützt wird bzw. an die Grenzen der Belastbarkeit führen kann. Intensität, Art und Umfang der Pflegebedürftigkeit können bei pflegenden Angehörigen nicht nur zu umfangreichem Belastungserleben führen, sondern letztlich auch aufgrund von Überforderung in unerwünschtes Gewalthandeln münden. Ob solche Handlungen von den Beteiligten auch als Gewalt erkannt werden, ist dabei stark davon abhängig, wie die jeweiligen Handlungen gerechtfertigt werden und wie hoch der Wissenstand pflegender Angehöriger ist.
Physische und psychische Gewalt
„Am heutigen Tag legen wir unser Augenmerk auf die vielen älteren Menschen, die physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind. Die Taten reichen von verbalen Angriffen über finanzielle Ausbeutung, emotionale Vernachlässigung, bis hin zu physischer Gewaltanwendung gegen Seniorinnen und Senioren. Diese schäbigen Handlungen gegen oft wehrlose ältere Menschen dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben!“, stellt Kurt Kumhofer, Bundesvorsitzender der FCG-Pensionistinnen und Pensionisten, klar.
Immer wieder wird von solchen Gewalthandlungen gegenüber älteren Menschen berichtet. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es [auch], gewaltfördernde Strukturen aufzubrechen. In diesem Sinn müssen für Pflege- und Betreuungskräfte solche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ihnen Zeit geben, in Ruhe die älteren Menschen zu pflegen und mit ihnen gewaltfrei in Kontakt zu treten.
Gewaltprävention in diesen Zusammenhang bedeutet auch, sowohl die Managementebene als auch die Pflege- bzw. Betreuungskräfte selbst zu sensibilisieren. Diese Menschen müssen geschult werden, um zu wissen, wo Gewalt beginnt und wie dieses Phänomen auch sprachlich benannt werden kann. Dafür braucht es nicht zuletzt auch die notwendigen finanziellen Mittel.
Wenn Betroffene [darüber] schweigen
Gewalt zu erfahren, ist leider auch so etwas wie ein Tabuthema. Es bedeutet oft auch, sich dafür zu schämen und deshalb eher nicht darüber zu sprechen. Verstärkt wird das insbesondere bei älteren pflegebedürftigen Menschen durch die Tatsache, dass sie oft auch nicht mehr in der Lage sind, die Gewalterfahrungen anzusprechen bzw. sich zu wehren.
Es braucht daher auch eine gute, für Gewalt sensibilisierte Vertretung dieser älteren Menschen. Und – vor allem im privaten Kontext – ein sensibilisiertes, waches und aufmerksames Umfeld, das sich bei Bedarf an Professionalistinnen und Professionalisten wenden kann, um Hilfe zu holen.
Ziel muss es sein, dass die älteren Menschen, die auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, in einem sensibilisierten und gewaltfreien Umfeld leben und so eine qualitativ hochwertige Pflege und Betreuung bekommen.
Hilfe suche ist keine[!] Schande
„Wir möchten Betroffene dazu ermutigen, Hilfe zu suchen und sich an Behörden oder Vertrauenspersonen zu wenden, sofern sie Opfer von Diskriminierungen oder Misshandlungen werden“, bemerkt Kumhofer ausdrücklich.
Gemäß Studien geben in Österreich rund fünf Prozent der Seniorinnen und Senioren an, Diskriminierungen oder Gewaltanwendungen am eigenen Leib erfahren zu haben. Hierbei handelt es sich sehr oft um körperlich schwache oder kranke Menschen, die auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen sind.
„Überlastungen, beispielsweise durch pflegende Verwandte, dürfen keine Ausrede sein für die Ausübung psychischer oder physischer Gewalt. Das zentrale Ziel muss sein, in Würde und vor allem ohne Diskriminierung alt werden zu können“, so Kurt Kumhofer abschließend.
Service
Sollten sie Opfer von Diskriminierung und/ oder Gewalt sein bzw. ein derartiges Verhalten beobachtet haben, könne sie sich unter anderem an folgende Stellen wenden, um Hilfe zu bekommen:
Einrichtung | Telefon | Internetseite |
---|---|---|
Caritas der Diözese Eisenstadt Gewaltberatung | 0676 527 20 70 | www.caritas-burgenland.at/hilfe-angebote/beratung-hilfe/beratung-fuer-menschen-in-lebens-u-beziehungskrisen/gewaltberatung/ |
24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: | 01 71719 | www.wien.gv.at/menschen/frauen/beratung/frauennotruf/ |
Autonome Österreichische Frauenhäuser | 01 544 08 20 | www.aoef.at |
Caritas Tirol, Diözese Innsbruck Demenz-Servicezentrum | 0512 57 45 15 | www.caritas-tirol.at/hilfe-angebote/demenz-servicezentrum/ |
EXIT-Sozial Verein für psychosoziale Dienste | 0732 719200 | www.exitsozial.at/ |
Gewaltschutzzentren + Interventionsstellen in Österreich | www.gewaltschutzzentrum.at | |
Gewaltschutzzentrum Burgenland | 03352 31 420 | www.gewaltschutz.at |
Gewaltschutzzentrum Kärnten | 0463 590290 | www.gsz-ktn.at |
Gewaltschutzzentrum NÖ | 02742 31966 | www.gewaltschutzzentrum.at/noe/ |
Gewaltschutzzentrum OÖ | 0732 607760 | www.gewaltschutzzentrum.at/ooe/ |
Gewaltschutzzentrum Salzburg | 0662 870100 | www.gewaltschutzzentrum.eu |
Gewaltschutzzentrum Steiermark | 0316/77 41 99 | www.gewaltschutzzentrum-steiermark.at |
Gewaltschutzzentrum Tirol | 0512 571313 | www.gewaltschutzzentrum-tirol.at |
Hilfswerk Niederösterreich – NÖ Krisentelefon | 0800 20 20 16 | www.hilfswerk.at/niederoesterreich/familie-beratung/erwachsene/noe-krisentelefon/ |
Notfallpsychologischer Dienst | 0699 18855400 | www.notfallpsychologie.at/Notfallpsychologischer_Dienst_A.html |
Polizei-Notruf 133 | 133 | |
Pro Senectute – Verein für das Alter in Österreich | 01 479 6161 | www.prosenectute.at |
Telefonseelsorge 142 | www.telefonseelsorge.at | |
Weisser Ring Österreich: Opfer-Notruf (rund um die Uhr) | 0800 112112 | www.weisser-ring.at |
Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie | 01 585 32 88 | www.interventionsstelle-wien.at |
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