Guter Sex heißt immer wollen, immer können – so wird es uns vermittelt. Tag täglich in den Medien, in der Werbung, in Filmen. Und dass die Protagonisten jugendlich frisch und vital sind. Doch gerade diesen Menschen sei gesagt: Erotik und Lust hören im Alter nicht irgendwann einfach so auf. Sie mögen sich verändern, ja, doch sie bleiben lebendiger, lustvoller Begleiter bis ins hohe Alter.
Reifere Menschen erfahren ihr Liebesleben zumeist höchst vielfältig und individuell. Zwar anders als in jungen Jahren, aber in der Mehrzahl mindestens genauso beglückend und intensiv. Oft sogar erfüllter, befreiter, inniger. Und manchmal natürlich auch schwieriger, gehemmter, sprachloser.
Erotik mag man eben
Für die meisten 60- bis 75-Jährigen gehört Erotik zu einer Partnerschaft dazu wie für Jüngere auch. Die meisten sind auch sexuell aktiv, wobei sich zeigt, dass Männer etwas häufiger als Frauen aktiv sind. Was sich aber letztlich damit erklären lässt, dass Frauen im Durchschnitt älter werden und somit häufiger Single sind als Männer. Gerade im Alter wird eine verständnisvolle, offene und ehrliche Partnerschaft für die körperliche Liebe immer wesentlicher.
Ab 75 Jahren geht die sexuelle Lust bzw. das Bedürfnis nach Geschlechtsverkehr teilweise zurück – Frauen sind da oft auch schon etwas früher davon betroffen. Doch längst nicht alle, denn die Sehnsucht nach Zärtlichkeit bleibt mehr oder weniger unverändert ein Leben lang bestehen.
Man muss nicht immer können
Die Klischees „Mann muss immer können“ und „Frau muss immer jugendlich attraktiv sein“ weichen nur langsam aus unseren Köpfen. Denn genussvolle Sexualität zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie variantenreich, anpassungsfähig und wandelbar ist. Viele Menschen, die heute über 60 sind, gehen entspannter mit ihren Bedürfnissen auf der einen Seite, und den natürlich auftretenden Problemen auf der anderen Seite um.
Männern gelingt es zum Glück immer mehr, sich nicht ausschließlich an den „Leistungen ewiger Jugendlichkeit“ zu orientieren. Zumal genau diese überhöhten Ansprüche an sich selbst nur zusätzlich Stress erzeugen und eventuelle Potenzschwierigkeiten verstärken. Auch wenn auch viele Männer bis ins hohe Alter noch „können“, so geht „es“ meist nicht mehr so schnell und kraftvoll. Er braucht einfach mehr Zeit und Aufmerksamkeit, um sich und seiner Partnerin Freude zu bereiten. Und sollte es doch nicht klappen, kann der Arzt ganz individuell helfen. Es gibt Medikamente und Hilfsmittel, die eine Erektion ermöglichen.
Auf die innere Schönheit kommt es an
Frauen akzeptieren mittlerweile viel selbstbewusster als noch im vorigen Jahrtausend, dass sich ihr Aussehen verändert. Sie fühlen sich gut in ihrer Haut, und strahlen das auch aus. Die Generation(en) vor ihnen war noch überzeugt, dass spätestens mit den Wechseljahren die Erotik zum Erliegen kommt. Im Gegenteil – viele Frauen können gerade danach die Liebe unbeschwert genießen.
Die Lust bleibt bei den Frauen oft sogar noch lebendiger als bei manchem Mann, da die weibliche Orgasmusfähigkeit unabhängiger von bestimmten körperlichen Funktionen abläuft. Die Psyche oder Partnerschaftsprobleme spielen meist eine gewichtigere Rolle, wenn Frauen keine Freude mehr am Sex haben.
Guter Sex heißt [auch] darüber reden und offen sein für Neues
Bei aller zur Schau gestellten Unbefangenheit – ganz so einfach ist es für die ältere Generation dennoch nicht, die Veränderungen anzunehmen, die das Alter mit sich bringt, und ihre sexuellen Vorstellungen damit in Einklang zu bringen. Die Scheu, über Wünsche, Sehnsüchte und Probleme beim Sex zu reden, sitzt bei vielen Paaren über 60 noch tief – übrigens nicht nur bei ihnen. Auch die jüngere Generation tut sich durchaus nicht immer leicht, über Lust und Gefühle zu sprechen.
Darin liegt eine Chance für reifere Paare: sich die Zeit nehmen und aufeinander zugehen, Neues lernen und entdecken, die Sprache wiederfinden, mutig sein. Wenn das von alleine nicht geht, gibt es zunehmend gute Beratungsangebote von Seniorenverbänden, Ärzten oder Paartherapeuten. Gespräche können Wege aufzeigen und dabei helfen, Gefühle und Erotik freudvoll zu verbinden und Sexualität ganz nach den eigenen Vorstellungen zu leben.
(Bilder: daniel stricker und S. Hofschlaeger Pixelio.de)