„Kannst du mir bitte helfen? – „Ja, gerne!“ So oder so ähnlich finden Tag täglich zig Konversationen statt. So „gehört“ es sich, nicht zuletzt aus Höflichkeit und Hilfsbereitschaft. Und das ist gut so, denn gerade Hilfsbereitschaft ist eine ganz wertvolle Charaktereigenschaft, die in unserer schnelllebigen Gesellschaft viel zu oft zu kurz kommt. Allerdings kann das Helfen auch zwanghaft werden, wodurch man sich selbst und andere schadet. In so einem Fall spricht man von Helfersyndrom. Lesen sie hier, wie sie aus dieser „Helfer-Spirale“ heraus kommen und wieder zu sich selbst finden.
Rundum positiv
Grundsätzlich ist es ja so, dass sich Hilfsbereitschaft positiv auf unser tägliches Wohlbefinden auswirkt. Sprich je öfter wir uns um andere Personen kümmern oder unsere Hilfe anbieten, desto besser geht´s unserem seelischen Wohlbefinden. Was ja auch aus evolutionärer Sicht durchaus Sinn macht. Denn schließlich könnten Babys ohne der selbstlosen Hilfe der Eltern nicht überleben. Oder denken sie an Notärzte, Entwicklungshelfer, Ehrenamtliche, etc. Aber: das Bedürfnis, anderen zu helfen, kann auch ausarten. Nämlich dann, wenn persönliche Wünsche zurückgestellt werden, nur um anderen Menschen zu helfen. Dann spricht man von pathologischer Hilfe oder eben Helfersyndrom.
Tausche Selbstwert gegen Hilfe
Das Helfersyndrom beschreibt eine psychische Krankheit, mit der sich der deutsche Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer in den 1970er Jahren erstmals wissenschaftlich auseinander gesetzt hat. Ursprünglich wurde der Begriff „nur“ für Menschen in Pflegeberufen verwendet, die sich für andere aufopferten und in ihrer Helferrolle feststeckten. Mittlerweile wird der Ausdruck umgangssprachlich verwendet, wenn jemand keinen Gefallen abschlagen kann. Diese Menschen beziehen einen Großteil ihres Selbstwertgefühls daraus, dass sie anderen helfen. Sie stellen deren Bedürfnisse über die eigenen und geben häufig mehr, als sie bekommen. Betroffene können ihre Hilfsbereitschaft selbst dann nicht drosseln, wenn sie sich ausgelaugt oder ausgenutzt fühlen. Oft führt das zu Depressionen oder Burnout.
Kann jeder ein Helfersyndrom entwickeln?
Es gibt natürlich einige Charakterzüge, die das Entstehen des Helfersyndroms begünstigen, wie zB eine depressive oder emotional instabile Wesensart. Aber auch Einflüsse in der Kindheit spielen eine wichtige Rolle. Kinder, die wenig Liebe und Anerkennung von ihren Eltern erfahren haben, glauben oft, sich Zuneigung erarbeiten zu müssen. Auch das kann im Erwachsenenalter zum Helfersyndrom führen.
Sehr oft anzutreffen ist das Helfersyndrom in sozialen Berufen, etwa bei Kranken- und Altenpflegern, Ärzten, Suchttherapeuten oder Mitarbeitern wohltätiger Einrichtungen. Psychologen gehen allerdings davon aus, dass nicht die Aufgaben in solchen Berufen ein Helfersyndrom auslösen. Vielmehr ergreifen wohl Menschen mit den genannten Persönlichkeitsstrukturen eher helfende Berufe.
Ehrlich sein – zu sich selbst
Viele Personen, die an einem Helfersyndrom leiden, wissen das auch und sind sich über ihre Probleme bewusst. Trotzdem fällt es ihnen schwer, sich aus ihren Verhaltensschemata zu lösen und einfach mal „Nein“ zu sagen. Und um der chronischen Verausgabung zu entgehen, müssen sie ehrlich zu sich selbst sein: Bleibt neben der Hilfe für andere überhaupt genügend Energie für sich selbst übrig? Oder fürchtet man sich davor, weniger Liebe und Anerkennung zu bekommen, wenn man weniger hilft?
Es redet sich natürlich immer leichter als wenn man es machen muss. Aber Betroffene sollten versuchen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse ein- und die der anderen mehr auszublenden. Und das bedeutet nicht(!), dass sie sich deswegen in einen gleichgültigen Egozentriker verwandeln sollen, sondern nur, mit den eigenen Ressourcen überlegter umzugehen. Hin und wieder mal „nein“ sagen und mehr Zeit für sich selbst finden – zB mit einem (neuen) Hobby – hilft Betroffenen ebenfalls.
Ist allerdings das Helfersyndrom so stark ausgeprägt, dass all diese Tipps „im Sand“ verlaufen, ist es ratsam, professionelle Hilfe eines Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen.
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