Erkrankungen des Beckenbodens sind weit verbreitet. Etwa ein Viertel aller Frauen leidet an einer Blasen- oder Darmschwäche. Aber auch Männer – vor allem nach einer Prostataoperation oder im höheren Alter – und sogar Kinder sind betroffen. Einer Inkontinenz kann man jedoch sehr erfolgreich vorbeugen und auch bei einem bereits vorhandenen Problem selbst viel zur Verbesserung beitragen.
Die Medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich [MKÖ] hat anlässlich der diesjährigen Welt-Kontinenz-Woche – einer globalen Initiative gegen das stille Leiden Inkontinenz – anhand von virtuellen Vorträgen und praktischen Beckenbodenübungen demonstriert, was jede und jeder zur Verbesserung der Kontinenz beitragen kann.
Der Beckenboden
Der Beckenboden ist eine Muskelplatte, die das Becken nach unten hin abschließt. Seine Aufgaben sind vielfältig: Er trägt die Organe des Beckens und kontrolliert die Funktion der Schließmuskulatur von Blase und Darm. Durch Schwangerschaft und Geburt, häufiges schweres Heben, durch Erkrankungen des Nervensystems oder im zunehmenden Alter kann der Beckenboden geschwächt werden. Der unkontrollierbare Abgang von Harn oder Stuhl ist eine mögliche Folge.
„Etwa 15 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher leiden unter einer Form von Inkontinenz. Das sind mindestens eine Million Menschen in unserem Land“, weiß MKÖ-Präsidentin und Fachärztin für Chirurgie mit Spezialgebiet Proktologie OÄ Dr. Michaela Lechner. Die gute Nachricht: „Mit gezielten Übungen zur Stärkung oder auch Entspannung des Beckenbodens und ein paar einfachen Tricks kann man selbst viel dazu beitragen, um eine Inkontinenz wieder in den Griff zu bekommen oder ihr vorzubeugen“, so Physiotherapeutin und MKÖ-Vorstandsmitglied Katharina Meller.
Inkontinenz: Risikofaktor Alter
Wie oben bereits erwähnt, sind etwa 15 von 100 ÖsterreicherInnen von Inkontinenz betroffen. Frauen häufiger als Männer. Inkontinenz ist somit ein weit verbreitetes Leiden, das die Lebensqualität der Betroffenen sehr stark einschränkt. Obwohl auch junge Menschen und sogar Kinder betroffen sind, ist das Alter der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Inkontinenz.
Ab dem etwa 60. Lebensjahr werden die Muskeln, die den Harn in der Blase oder den Stuhl im Enddarm halten, kontinuierlich schwächer und die Physiologie der Verdauung verändert sich. Jedoch müssen ein unkontrollierbarer Verlust von Harn oder Darminhalt und auch Verdauungsprobleme nicht als schicksalhafte Begleiterscheinung des Älterwerdens hingenommen werden, denn: „Sowohl eine Harn- oder Stuhlinkontinenz als auch eine chronische Verstopfung des Darms sind behandelbar. Daher ist es wichtig, einen Arzt/ Ärztin auf das Problem anzusprechen„, appelliert die Internistin Prim. Dr. Athe Grafinger vom Krankenhaus Göttlicher Heiland in Wien.
Harninkontinenz: vielfältige Ursachen, viele Behandlungsmöglichkeiten
Grundsätzlich gibt es fünf verschiedene Erscheinungsformen der Harn-Inkontinenz. Und für jede stehen zahlreiche Therapieoptionen zur Verfügung. Grafinger: „Bei einer sogenannten Belastungsinkontinenz [früher „Stressinkontinenz“], verursacht vor allem durch eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur, verspüren Betroffene keinen Harndrang und verlieren Urin bei körperlicher Anstrengung. Das kann beispielsweise beim Heben von Lasten oder sogar schon beim Husten oder Lachen sein.“ Behandelt wird diese Form der Blasenschwäche vorrangig durch konsequentes Beckenbodentraining – angeleitet durch spezialisierte PhysiotherapeutInnen.
Bei einer überaktiven Blase ohne oder mit Harnverlust einhergehend hingegen ist die Muskulatur der Blasenwand überaktiv und zieht sich schon bei geringem Füllstand zusammen. Der Harndrang tritt überfallsartig auf – mitunter auch mehrmals pro Stunde – obwohl die Blase noch gar nicht voll ist. „Ursache kann zum Beispiel eine Erkrankung des Nervensystems oder der Harnblase selbst sein“, informiert die Internistin. „Die Therapie ist neben der Behandlung der auslösenden Grunderkrankung meist eine Kombination aus Verhaltenstraining und Medikamenten.“
Bei einer Überlaufinkontinenz fließen aufgrund eines Hindernisses [wie unter anderem einem Tumor oder einer vergrößerten Prostata], Störungen der Nervenbahnen oder einer Schwäche der Blasenmuskulatur bei einer großen Restharnmenge ständig kleine Mengen Harn ab. Hier kann ein Katheter rasche Entlastung bringen.
Je nach Erscheinungsform die richtige Therapie
„Es gibt ganz viele Faktoren, warum es zu einer Schwäche des Beckenbodens kommt. Daher ist es wichtig, sich die Patientin bzw. den Patienten in seiner Gesamtheit von Kopf bis Fuß anzusehen und auch zu hinterfragen, ob es zum Beispiel Operationen, Unfälle oder Verdauungsprobleme gab“, ergänzt Physiotherapeutin Judith Rathmayr aus Wien und erklärt: „Patienten kommen immer wieder wegen anderer Beschwerden und können aufgrund verschiedener Ursachen den Beckenboden nicht wie gewohnt anspannen, was zwangsläufig auch zu Problemen mit der Blase oder des Darms führt.“
Erst wenn all diese Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen, stehen heute sehr gute operative Methoden zur Verfügung. Aber auch selbst kann man etwas tun: „Durch richtiges Trinken, Vermeidung von Übergewicht, Rauchstopp, Vermeidung von blasenstimulierenden sowie harntreibenden Lebensmitteln und sich beim Toilettengang ausreichend Zeit nehmen, kann eine deutliche Verbesserung der Beschwerden erreicht werden“, empfiehlt Grafinger.
Verdauung im Alter
Im Alter verändert sich die Verdauung. So wird weniger Speichel produziert und die Kauleistung verringert, die Magendehnung ist geringer und die Magenentleerung verzögert. Darüber hinaus vermindert sich die Dehnbarkeit der Darmwände, es werden weniger Nährstoffe aufgenommen und der Darm wird durch eine schwächere Muskulatur träge. Dazu trinken ältere Menschen oft zu wenig und nehmen zu geringe Mengen an Ballaststoffen zu sich. Blähungen und Verstopfung [med. Obstipation] sind die Folge.
Auch krankhafte Veränderungen des Dickdarm wie Tumore, Hämorrhoiden, Fissuren, Divertikulose u.v.m. können eine Verstopfung begünstigen. Ist die unbefriedigende Stuhlentleerung allerdings nicht vorübergehend, sondern wird der Gang zur Toilette zum andauernden Kraftakt, sollte Hilfe beim Arzt/ Ärztin gesucht werden.
Tipps gegen Verstopfung
- Der Darm braucht Flüssigkeit
Ausreichend trinken! - Bewegung hilft
Machen sie den oft zitierten „Verdauungs“-Spaziergang oder versuchen sie es einmal mit Gymnastik - Ballaststoffzufuhr erhöhen
Lebensmittel mit einem hohen Ballaststoffanteil sind zum Beispiel Vollkornprodukte [auch Mehl], Haferflocken, Kartoffeln, Naturreis, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse - Geballte Früchtekraft
Getrocknetes Obst wie zum Beispiel Zwetschken, Marillen, Datteln und Feigen, können auch eingeweicht und als Kompott gegessen werden - Stopfende Lebensmittel meiden
zum Beispiel Schokolade, Kakao, hart gekochte Eier und Weißbrot
(Bilder: Pixabay.com Mangostar/ Shutterstock; Grafik: Medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich [MKÖ]; Video: Youtube.com)