Die Menschen in Europa fühlen sich angesichts der Gewalt und der Aggression der Kriegsgeschehnisse in der Ukraine enorm verunsichert. Die Situation rund um die Atomkraftwerke sowie die indirekten Drohungen mit einem Atomkrieg, die vom Kreml im Zuge des verantwortungslosen Aggressionskrieges gegen die Ukraine ausgesprochen wurden, führten in unserer Bevölkerung zu großer Verunsicherung. Massenkäufe von Kaliumjodid-Tabletten zur Schilddrüsenblockade waren die Folge, sodass die Tabletten vielerorts nicht mehr erhältlich sind.
Doch die Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung [OGNMB] warnt: Kaliumjodid-Tabletten sollten nicht[!] als vorbeugende Maßnahme gegen eine mögliche Belastung mit radioaktiven Strahlung eingenommen werden.
Kaliumjodid-Tabletten im Fall des Falles ungeeignet
Wie real die Gefahr eines Atomunfalls bzw. Atombomenabwurfs im Krieg gegen die Ukraine ist, können wir hier an dieser Stelle nicht bewerten. Wir können „nur“ informieren, wie wir uns im schlimmsten Fall gegen radioaktive Strahlung schützen können. In diesem Sinn informiert die OGNMB:
- Kaliumjodid-Tabletten sind im Falle eines Atombombenabwurfs für den Schutz der Schilddrüse ungeeignet, da die Einnahme wenig bis gar keinen akuten Schutzeffekt hat. Es würden nur wenige Spaltprodukte freigesetzt, die die Schilddrüse belasten. Relevante Organschäden entstehen durch die enorme Hitzewelle und Druckwelle. Eine Strahlenbelastung der Schilddrüse und anderer Organe wird durch die bei der Detonation unmittelbar freiwerdende Gammastrahlung verursacht, deren Intensität mit zunehmender Entfernung vom Ort der Bombenzündung rasch abnimmt. Der Aufenthalt in geschlossenen Räumen ist eine ausreichende Schutzmaßnahme. Die vorbeugende Einnahme von Kaliumjodid-Tabletten birgt sogar Gesundheitsrisiken.
- Im Falle der Beschädigung eines Kernkraftwerks durch kriegerische Handlungen sind die Informationen durch die Behörden zu beachten, die über Rundfunk, soziale Medien, lokale Hilfsorganisationen, etc. rasch die breite Bevölkerung erreichen. Sollte eine Einnahme nötig sein, um die Schilddrüse vor der Anreicherung von radioaktivem Jod zu bewahren, wird diese Information rechtzeitig bekannt gegeben werden. Hier gilt jedenfalls ganz besonders als erste Maßnahme: Geschlossene Räume aufsuchen und Ruhe bewahren.
Eine falsch dosierte selbst verordnete Einnahme von Jod ist mit möglichen ernsten Gesundheitsrisiken verbunden, vor allem für für Säuglinge und Kleinkinder sowie für Menschen, die an einer [eventuell unentdeckten] Überfunktion der Schilddrüse leiden. So eine Überfunktion könnte dadurch nur noch verstärkt werden. Damit einhergehende Probleme wären etwa Unruhe, Nervosität, Stimmungsschwankungen, verstärktes Schwitzen, Augenkrankheiten oder auch Potenz- und Fruchtbarkeitsprobleme. - Im Fall des Falles: Österreich hat genug Kaliumjodid-Tabletten gelagert, um besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen zu versorgen, auch wenn diese jetzt in Apotheken ausverkauft sein sollten. Sie werden im Ernstfall abgegeben.
Was heißt „verstahlt“ oder „radioaktiv verseucht“?
Im aktuellen Zusammenhang wird oftmals davon gesprochen, dass Menschen »verstrahlt oder radioaktiv verseucht« werden – was sich zugegebener Maßen sehr apokalyptisch anhört. Das ist aber glücklicher Weise unrichtig. In erster Linie wird die radioaktive Strahlung über die Atmung oder durch Nahrung aufgenommen und somit inkorporiert. Unter einer Inkorporation bezeichnet man die Aufnahme von körperfremden Bestandteilen in den menschlichen Organismus. Diese kann man mit diversen Medikamenten gezielt im Körper binden und über den Magen-Darm-Trakt wieder ausscheiden. Die betroffenen Menschen sind jedenfalls nicht ansteckend und somit auch nicht verseucht.
Wie kann man sich am besten schützen?
Die beste Schutzmaßnahme gegen radioaktive Strahlung ist der Aufenthalt in geschlossenen Räumen über mehrere Tage. Undichte Fenster sollten dabei mit einem breiten Klebeband abgeklebt werden. Dazu kommt, dass die Gefahr bei schönem Wetter geringer ist. Denn die Strahlung wird dort, wo sie entsteht, in mittelhohe Luftschichten hinaufgetragen und vom Wind entsprechend weiter transportiert. Bis zum Eintreffen der radioaktiven Luftmassen in Österreich können mehrere Stunden bis Tage vergehen. Solange diese sozusagen „oben bleibt“, ist sie nicht gefährlich für uns. Erst wenn sie bei Schlechtwetter abregnet, gelangt sie auf den Boden und kann in weiterer Folge Strahlenprobleme auslösen.
Zusätzlich dazu sind natürlich auch die Menge der freigesetzten radioaktiven Stoffe und die Entfernung zum Unglücksfall entscheidende Faktoren, wie groß die Gefahr für uns wäre.
Darüber hinaus ist auch festzuhalten, dass man keine potenziell kontaminierten Lebensmittel essen sollte – wobei es sehr unwahrscheinlich ist, dass solche bei uns überhaupt in den Handel kommen. Denn fertige Lebensmittel werden nicht verstrahlt, das würde nur über im Boden gespeichertes, radioaktives Material funktionieren, dass die Pflanzen oder Tiere, die diese Pflanzen fressen, aufnehmen.
Was sollte man für einen möglichen Notfall zu Hause haben?
Der Zivilschutzverband empfiehlt, für den Fall nationaler und internationaler Ereignisse und/ oder technischer Pannen, Stichwort Blackout, einen Vorrat an Nahrungsmittel für zwei Wochen zu Hause zu haben. Für eine Person mit 2.000 Kilokalorien Tagesbedarf ergeben sich aus dieser Empfehlung ungefähr folgende Gesamtmengen: je 4,5 Kilogramm Getreide- und Milchprodukte, zwei Kilogramm Fleisch oder Fisch, ein halbes Kilo Öl oder Fett, sechs Kilo Obst und Gemüse sowie 21 Liter Wasser und Getränke. Beim Anlegen eines Vorrats sollten jedenfalls auch die individuellen Ess- und Trinkgewohnheiten beachtet werden und nur Lebensmittel angeschafft werden, die auch sonst gegessen werden.
Neben Nahrung empfiehlt der Zivilschutzverband auch eine Notfallapotheke mit den wichtigsten Medikamenten anzulegen. Dazu gehören vor allem persönlich verschriebene Medikamente – etwa bei Allergien oder Diabetes. Außerdem sollte in keinem Haushalt ein Erste-Hilfe-Kit fehlen. Neben Medizinprodukten wird aber auch dazu geraten, Batterien und eine Notbeleuchtung wie Kerzen, Zündhölzer, Taschenlampen etc. vorrätig zu haben.
Nuklearmedizin: gezielte Diagnose, kontrollierte Therapie und Strahlenschutz
Die Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und Molekulare Bildgebung [OGNMB] ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft für das medizinische Sonderfach Nuklearmedizin. In diesem Fach werden leicht radioaktive Medikamente gezielt eingesetzt, um eine Reihe von gutartigen und bösartigen Erkrankungen zu erkennen und zu behandeln.
Das Fach beschäftigt sich zudem mit dem Strahlenschutz gegenüber offenen radioaktiven Stoffen und allfälligen zusammenhängenden Gefahren und Schäden, sowohl im kontrollierten [zum Beispiel medizinisch] als im unkontrollierten Bereich [Unfälle jeglicher Größenordnung]. Ziel des Strahlenschutzes ist es, akute Strahlenschäden zu vermeiden und Spätschäden so gering wie möglich zu halten.
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