Vor kurzem versuchte ein Panel hochkarätiger Expertinnen und Experten die konkreten Potenziale der Digitalisierung für die Bereiche Pflege und Soziales zu erfassen und ihre etwaigen Grenzen auszuloten. Boris Marte [CEO der ERSTE Stiftung] begrüßte die Expertinnen und Experten sowie mehr als 100 Gäste vor Ort im Presseclub Concordia und online: „Wir reden über etwas, das uns alle früher oder später betreffen wird. Im Sozialsystem, und da insbesondere bei der Beratung von pflegenden Angehörigen, braucht es Unterstützung und Stärkung durch einfach zugängliche und vor allem auch richtige Informationen. Technologie schafft diese Erreichbarkeit, davon profitieren wir alle.“
Nicole Traxler, Geschäftsführerin der Two Next GmbH, die auch die Plattform „Alles Clara“ entwickelt hat, betonte in ihrer Einführung: „Kooperation bei der Digitalisierung ist für uns der Schlüssel für Innovationen bzw. deren erfolgreiche Umsetzung – bei der Entwicklung von »Alles Clara« wirken beispielsweise seit mittlerweile mehr als drei Jahren Privatwirtschaft, gemeinwirtschaftlicher Sektor und öffentliche Hand konstruktiv zusammen.“ Mittlerweile haben auch bereits mehr als 100.000 Beschäftigte in Pilotbetrieben und -organisationen Zugang zu der „App, die Pflegen leichter macht“.
Einbindung »aller« Beteiligten und/ oder Betroffenen als zentrales Element in der Entwicklung
Am Podium diskutierten neben den eingangs zitierten weiters Christine Bachler [Platform Evolution Lead, Erste Group], Markus Golla [Leiter Institut für Pflegewissenschaft IMC Krems], der CIO der Stadt Wien, Klemens Himpele und Caritas Österreich Generalsekretärin Anna Parr als Vertreterin der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt. Sie betonte: „Bei jeder Digitalisierungsoffensive ist die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Klientinnen und Klienten sowie auch der pflegenden Angehörigen ganz zentral für den späteren Erfolg. Ziel der Digitalisierung muss sein, mehr Zeit für Pflege und Betreuung zu haben und hier bestmöglich unterstützt zu werden. Aktuell fehlen uns im gemeinnützigen Bereich dafür die finanziellen Mittel – hier würde zum Beispiel ein bundesweiter Digitalisierungsfonds helfen. Außerdem treten wir für eine Integration der Pflege als Gesundheitsdiensteanbieter in ELGA ein.“
Laufende Verbesserungen
Klemens Himpele erklärte: „Als Stadtverwaltung sind wir im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt. Wir arbeiten im hoheitlichen wie im privatwirtschaftlichen Bereich laufend an Verbesserung der User Journey bei Anträgen, Verfahren und im Bürgerservice. Daneben organisieren wir natürlich auch die Stadtverwaltung nach innen mit entsprechenden digitalen Angeboten. Die Hauptarbeit liegt dabei im Verständnis und in der Vereinfachung der dahinter liegenden Prozesse.“
Die Innovationsexpertin Christine Bachler wies darauf hin, dass die Digitalisierung bisherige Berufsbilder laufend verändert – Ziel muss der effektive Mehrwert sein: „Die Frage ist, welches Problem einer ganz konkreten Zielgruppe wir messbar vereinfachen und lösen. Dabei hat es sich bewährt, erst Prozesse zu optimieren, skalierbar machen – und dann diese entsprechend umzusetzen bzw. zu digitalisieren. Datenschutz-Themen sind von Anfang an umfassend mit zu berücksichtigen.“
Pflegeforscher Markus Golla erläuterte: „Wer in den Pflegeberuf einsteigt, will vorwiegend mit Menschen arbeiten. Für komplexe digitale Lösungen fehlt allerdings leider oftmals die Zeit, das lässt manche Lösung scheitern. Es braucht auf jeden Fall professionelle Beratung für einfache Lösungen. Die medial transportierte Vision des Pflegeroboters ist jedenfalls falsch, niemand wird im Bereich der Pflege durch Maschinen ersetzt!“
Bürokratie belastet und „frisst“ Zeitressourcen
In der weiteren Diskussion wurde das Potenzial von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz [KI] angesprochen, und dass die rund eine Million pflegenden Angehörigen in Österreich durch Bürokratie zusätzlich belastet sind. Ebenfalls angesprochen wurde die aufwändige Nostrifizierung [die Anerkennung von ausländischen Schul- und Studienabschlüssen sowie akademischen Graden] von Qualifikationen von ausländischen Fachkräften.
Service | Hintergrundinformationen
Alle Interessierte können einen Aufzeichnung der Veranstaltung HIER nachschauen.
Die Ergebnisse der Online-Konferenz „Perspektiven und Potenziale für pflegende Angehörige“, die Anfang letzten Jahres stattgefunden hat, sind HIER abrufbar.
(Bilder: AdobeStock, Caritas/ Ingo Pertramer, AdobeStock)