Egal, ob es die leidige Chips-Packung am Abend auf dem Sofa ist, oder zu viel Schokolade, oder die schlechte Körperhaltung am Schreibtisch, das Rauchen, zu wenig Bewegung – unliebsame Gewohnheiten kennt jede und jeder von uns. Und mutmaßlicher Weise haben ebenso viele schon einmal probiert, die eine und/ oder andere davon abzulegen. Aber einmal antrainiert, sind sie meist nur schwer wieder loszuwerden. Mit unseren Experten-Tipps kann es aber jeder und jedem gelingen!
Gewohnheiten sind angelernt und automatisch
Manchmal sind es ja „nur“ Kleinigkeiten, ohne die das Leben „einfacher“ wäre. Wie zum Beispiel die schon erwähnte ungesunden Sitzhaltung am Schreibtisch oder ständig ein paar Minuten zu spät aus dem Haus zu gehen. Derartige gewohnheitsmäßige Handlungen sind im Gehirn abgespeichert und werden immer dann aktiviert, wenn es einen Auslösereiz gibt. Auf die Handlung, die vom Reiz initiiert wird, folgt ein positives Gefühl oder Belohnung. Bei mehrmaliger Wiederholung wird dieses Muster zur Gewohnheit.
„Gewohnheiten sind nicht plötzlich da. Sie sind erlernte Verhaltensmuster. Ein Verhalten hat irgendwann einmal zu einem positiven Gefühl geführt und dieses Gefühl will man dann immer wieder abrufen, indem man sein Verhalten wiederholt“, sagt Dirk Tischer, NLP-Lehrtrainer und Geschäftsführer der Zugspitzakademie München. Das heißt aber glücklicherweise nicht, dass man sich seinem Schicksal ergeben muss. Ganz im Gegenteil. Gerade neuere Erkenntnisse aus der Gehirnforschung zeigen, dass man sehr wohl ungeliebte Gewohnheiten auch wieder loswerden kann.
Wieso ist es so schwer alte Gewohnheiten abzustellen?
Nur leider ist es leichter gesagt als getan. Denn alte bzw. unliebsame Gewohnheiten abzustellen ist deshalb schwer, weil der Mensch nicht bewusst auf das Hirnareal, das die Gewohnheiten „verwaltet“, zugreifen kann. Wissenschaftler•innen haben herausgefunden, dass es sich dabei um die so genannten Basalganglien handelt.
Dieser Bereich in unserem Gehirn ist dafür verantwortlich, dass wir uns bei gewohnheitsmäßigen Handlungen nicht mehr bewusst überlegen müssen, was wir nun genau machen müssen. Das „Problem“ mit den Basalganglien ist, dass wir eben bewusst kaum auf sie zugreifen können. Wir können also kaum eingreifen, wenn eine Gewohnheit erst einmal in Gang gesetzt ist. Die Basalganglien reagieren nämlich „automatisch“ auf bestimmte Auslösereize und sorgen so dafür, dass unser gewohnheitsmäßiges Handeln in Gang gesetzt wird.
Zum Beispiel kann der Anblick einer Zigarettenschachtel der Auslöser für das Rauchen sein. Oder das gemütliche Liegen auf der Couch für Heißhunger auf Chips. Der Auslösereiz ist allerdings nicht alleine für unser gewohnheitsmäßiges Handeln verantwortlich. Hinzu kommt noch, dass wir mit jeder gewohnheitsmäßigen Handlung ein Verlangen stillen. Jedes Mal, wenn wir unsere Gewohnheit ausführen, erhalten wir eine Belohnung, zum Beispiel ein Entspannungsgefühl nach einem Stück Schokolade. Die Routine einer Handlung ist also immer eingebettet zwischen Auslöser und Belohnung.
Die gute Nachricht hier ist: Man muss sich trotzdem nicht an seine Gewohnheiten gewöhnen! Denn es gibt spezielle Techniken, die dabei helfen, alte unliebsame Gewohnheiten abzulegen und neue anzunehmen. Denn wie bei vielen Dingen ist es auch hier so: Wenn man erst einmal weiß, wieso eine Sache schwierig ist, lässt sich dafür bzw. dagegen leichter eine – langfristig wirksame – Lösung finden.
Gewohnheiten langfristig loswerden
Auch wenn es noch so schwierig scheint, ist es tatsächlich möglich, schlechte Gewohnheiten wieder loswerden. Dirk Tischer bringt es auf den [einfach klingenden] Punkt: „Am besten gelingt es, indem alte unliebsame Gewohnheiten mit neuen überlagert bzw. ersetzt werden.“ Dazu muss ein neues Verhalten mit dem alten Auslöser verknüpft werden und möglichst gut das gleiche Bedürfnis erfüllen, das bisher mit der alten Gewohnheit befriedigt wurde.
Das klingt jetzt erst einmal recht theoretisch und ist in der Praxis auch zumeist nicht so einfach, wie es in der Theorie klingt, weil unsere Gewohnheiten ja automatisch ablaufen. Dadurch merken wir oftmals erst, wenn es schon zu spät ist, dass wir uns wieder wie gewohnt verhalten. Oft ist schon wieder die halbe Tafel Schokolade aufgegessen, bevor uns das überhaupt bewusst wird. Der Auslöser war da und dann läuft die Gewohnheit ab, ohne, dass wir direkten Zugriff darauf haben.
Daher bedarf es für das „Umprogrammieren“ unserer unliebsamen Gewohnheiten einer gezielten Strategie. Und natürlich auch viel Übung und auch die eine und andere Portion Geduld. Die Basis ist jedenfalls, dass wir uns unserer Verhaltensmuster bewusst werden. Denn nur so können wir aktiv eingreifen und unser Verhalten verändern.
Auf los geht´s los – in sechs Schritten unliebsame Gewohnheiten loswerden
Damit sie nun nicht lange herum überlegen müssen, haben wir hier für sie ein konkretes Beispiel bzw. eine konkrete Anleitung, wie sie eine lästige und/ oder ungeliebte Gewohnheit loswerden können. Also: Worauf warten, wenn sie gleich jetzt starten können? 😉
Schritt 1: die unliebsame Gewohnheit benennen
Zu Beginn ist es wichtig, sich ganz konkret für ein gewohnheitsmäßiges Verhalten zu entscheiden, das man gerne loswerden möchte. Zum Beispiel:
- weniger Süßigkeiten essen
- Unpünktlichkeit
- eine ungesunde Sitzhaltung
- auf der Couch vor dem Fernseher einschlafen
- mit dem Rauchen aufhören etc.
Schritt 2: den Auslösereiz identifizieren
In einem zweiten Schritt ist es notwendig zu überlegen, welche Reize die Auslöser für meine Gewohnheiten sein könnten. Um das herauszufinden, kann man sich folgende drei Fragen stellen:
- Was passiert kurz bevor ich diese Gewohnheit verfolge/ ausübe?
- Welche Gedanken habe ich, bevor ich die gewohnten Handlungen durchführe?
- In welchen Situationen tritt die Gewohnheit auf?
Am Beispiel der Süßigkeiten könnte das so aussehen: Ich esse am Abend zu viele Süßigkeiten. Das passiert immer dann, wenn ich auf der Couch sitze und fernsehe. Die Couch ist also mein indirekter Auslösereiz. Mein Unterbewusstsein assoziiert diese mit Süßigkeiten, weil ich es gewohnt bin, auf der Couch sitzend Süßes zu essen.
Vielleicht erkennen sie im ersten Moment nicht, was genau ihr unliebsames Verhalten auslöst. Das ist völlig normal, weil es ja gewohnheitsmäßig abläuft und uns meist nicht bewusst ist. Da hilft es, wenn sie sich einige Male bei ihrem gewohnheitsmäßigen Verhalten beobachten, sozusagen aus der Vogelperspektive. Denn je konkreter sie den Auslösereiz identifizieren können, desto besser können sie in der Folge eine neue Gewohnheit darauf abstimmen.
Beim Beispiel Schokolade auf der Couch essen könnte der wahre Auslösereiz eventuell die Sehnsucht nach gemütlicher Stimmung, Geborgenheit und Harmonie sein.
Schritt 3: Auslöser bewusst wahrnehmen
Und da wären wir schon beim 3. Schritt: Dabei geht es nämlich darum zu lernen, den Auslösereiz bewusst zu erkennen und wahrzunehmen. Damit wir eine neue Gewohnheit etablieren können, ist es nämlich wichtig, zu erkennen, wann und wodurch unser gewohnheitsmäßiges Verhalten ausgelöst wird.
In diesem Sinn gilt es, achtsamer zu werden und sich erst einmal nur darauf zu konzentrieren, die Auslöser zu erkennen und bewusst wahrzunehmen – vorerst noch ohne das unliebsame Verhalten an sich verändern zu wollen. Versuchen sie, ihre Auslösereize ein bis zwei Wochen bewusst wahrzunehmen, sodass sie immer öfter merken, wann ihr unliebsames Verhalten [unbewusst] in Gang gesetzt wird.
Hier hilft es zum Beispiel, jedes mal, wenn sie wahrnehmen, dass sie beim Fernsehen auf der Couch gerne Schokolade essen möchten, einen Strich auf ein Blatt Papier zu machen. So lernen sie, diese mehr und mehr bewusst wahrzunehmen.
Schritt 4: die Belohnung/ das Verlangen herausfinden
Im nächsten Schritt geht es nun darum, das Bedürfnis, das sie mit der Gewohnheit befriedigen möchten, herauszufinden. Auch hier gilt es, sich beim gewohnheitsmäßigen Verhalten zu beobachten. Versuchen sie ganz konkret zu spüren, welches Verlangen sie in der jeweiligen Situation stillen wollen. Stellen sie sich zu diesem Zweck folgende Fragen:
- Wozu bzw. warum mache ich gerade das, was ich da mache?
- Was bekomme ich, wenn ich meine Gewohnheit ausführe?
- Was würde ich vermissen, wenn ich mich »nicht« so verhalte, wie ich es gewohnt bin?
Schritt 5: eine neue Gewohnheit finden
Damit sie unliebsame Gewohnheiten ablegen können, müssen sie sich eine Alternative suchen. Sprich, wenn sie die Couch sehen, Lust auf etwas Süßes bekommen und das auch bewusst bemerken, suchen sie nach etwas, das sie stattdessen darauf machen können und zugleich auch Spaß macht, beispielsweise Stricken oder Lesen. Das gehört – zugegeben – mit zur schwierigsten Aufgabe, wenn wir alte Gewohnheiten loswerden wollen. Weil wir oft gar nicht so einfach darauf kommen, wie wir dieses Bedürfnis auch noch auf andere Weise befriedigen könnten. Fragen sie sich konkret:
- Wie könnte ich dieses Verlangen noch stillen?
- Wie gehen andere mit diesem Bedürfnis um?
- Welche Handlungen gibt es in meinem Leben schon, mit denen ich dieses Bedürfnis befriedige?
Am Beispiel mit dem Schokolade Essen: Wenn sie zu Süßem greifen, weil sie ein Bedürfnis nach Geborgenheit, gemütlicher Stimmung und Harmonie haben, können sie dieses auch erreichen, indem sie sich zum Beispiel in eine feine Wolldecke kuscheln, einen Tee aus ihrer Lieblingstasse trinken oder ein paar Kerzen anzünden.
Schritt 6: mit der neuen Gewohnheit beginnen
Wenn sie nun ihre Auslösereize zuverlässig und leicht wahrnehmen können, ist es an der Zeit, die neue Gewohnheit einzuüben. Dazu müsse sie sich in dem Moment, wenn sie ihren Auslösereiz wahrnehmen, bewusst für das neue Verhalten entscheiden. Je öfter sie diesen Vorgang wiederholen, desto schneller und vor allem auch nachhaltiger ändern sie ihre Gewohnheit.
Wenn sie merken, dass es ihnen nicht gelingt, das gewohnte Verhalten durch ihr neues Verhalten zu ersetzen, stellen sie sich folgende Fragen:
- Welche Auslösereize könnte es noch geben?
- Muss ich noch besser lernen, die Auslöser wahrzunehmen und mir dafür vielleicht noch ein wenig mehr Zeit nehmen?
- Gibt es noch andere Bedürfnisse, die durch die alte unliebsame Gewohnheit befriedigt werden, die ich bei der neuen Gewohnheit noch nicht berücksichtigt habe?
- Wie könnte mein Bedürfnis, das durch die alte Gewohnheit befriedigt wird, durch eine neue Gewohnheit noch besser gestillt werden?
Und wenn sie wirklich „anstehen“ und nicht mehr weiter wissen, welche Auslöser es noch geben könnte oder wie sie ein Bedürfnis auf eine andere Weise befriedigen können, reden sie mit ihrer Partnerin/ ihrem Partner oder mit einer guten Freundin/ einem guten Freund darüber. Oft kommen durch das Gespräch mit anderen Personen durchaus sehr kreative Ideen heraus, auf die man alleine nicht gekommen wäre. Und mit diesen Ideen gilt es dann, einfach weiter zu probieren.
Und wie schon gesagt: verlieren sie nicht die Geduld, wenn es nicht gleich so klappt wie sie es gerne hätten. Denn es ist alles andere als einfach, mit alten Gewohnheiten zu brechen und neue anzunehmen. Geben sie nicht auf und lassen sie sich auch durch Rückschläge nicht entmutigen. Sich selbst zu beobachten und besser und aufmerksamer wahrzunehmen, ist auf jeden Fall einen Versuch wert, eine neue »liebsame« Gewohnheit anzunehmen. Denn wie heißt es auch so treffend: „Der stete Tropfen höhlt den Stein.“ 🙂
(Bilder: AdobeStock)