Ein Mangel an Mikronährstoffen kann Entzündungen fördern und das Immunsystem besonders empfindlich gegenüber allergenen Stoffen machen. Ein gezielter Ausgleich dieser Stoffe, Stichwort Mikroernährung, könnte laut einer aktuellen Studie die Symptomlast für Allergikerinnen und Allergiker bei allergischen Reaktionen verringern.
Die „Macht“ der Mikroernährung
Mikronährstoffmängel können Entzündungen fördern und das Immunsystem besonders empfindlich gegenüber allergenen Stoffen machen. Vor allem Eisenmangel signalisiert den körpereigenen Abwehrzellen Gefahr und führt zu einer erhöhten, übertriebenen [allergischen] Immunreaktion. Eine aktuelle Studie von Wissenschafterinnen und Wissenschafter des Messerli Forschungsinstituts der MedUni Wien, Vetmeduni Wien und Uni Wien zeigt nun erstmals, dass eine gezielte diätische Maßnahme die Symptomlast bei allergischen Reaktionen verringern kann.
Mikronährstoffe sind im Gegensatz zu den Makronährstoffen wie Fett, Kohlenhydrate und Eiweiß Stoffe, die der menschliche Organismus aufnehmen muss, ohne dass sie Energie liefern. Zu den Mikronährstoffen zählen in erster Linie Vitamine, Mineralstoffe [Mengenelemente und Spurenelemente], proteinogene Aminosäuren und Omega-Fettsäuren. Mikronährstoffe sind essentiell für den Ablauf diverser Reaktionen im Organismus.
Damit schlagen die Forscherinnen und Forscher in der Betreuung von Allergiker•innen eine völlig neue Richtung ein. Die Studie[1] wurde vor Kurzem in „The Journal of Allergy and Clinical Immunology: In Practice“ publiziert.
Teufelskreis der Allergie
Hintergrund der Untersuchungen von Forscherinnen und Forscher des interuniversitären Messerli Forschungsinstituts in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten der MedUni Wien ist der Teufelskreis der Allergie: Ein hyperaktives Immunsystem versetzt den Körper in Alarmbereitschaft und hemmt die Aufnahme von Eisen – obwohl genau dieser Mikronährstoff zur Beruhigung der Überreaktion vermehrt gebraucht würde. Um diesen Mangel der Abwehrzellen auszugleichen, entwickelte das wissenschaftliche Team eine Lutschtablette, die im Rahmen der Studie erstmals doppel-blind und Placebo-kontrolliert getestet wurde.
Hemmung der Eisenaufnahme umgehen
Die Lutschtablette basiert auf dem Molkenprotein Beta-Lactoglobulin von Kühen, welches als Träger für zahlreiche Mikronährstoffe fungiert. „Durch diesen Träger erfolgt die Aufnahme statt über Blutgefäße über die Lymphe – also genau dort, wo Abwehrzellen vermehrt anzutreffen sind und wir die Mikronährstoffe gezielt aufnehmen können,“ erläutert Studienleiterin Franziska Roth-Walter vom Messerli Forschungsinstitut. Da eine Tablette mit weniger als einem Milligramm eine sehr kleine Eisenmenge aufweist, gilt sie nicht als Eisenpräparat. Vielmehr ist der Mikronährstoff darin in einer Form enthalten, mit der die allergiebedingte Hemmung der Eisenaufnahme umgangen werden kann.
Laut Studienergebnissen verringerte sich mit der Einnahme dieser Lutschtablette die Symptomlast bei Birken- und Gräserpollenallergiker•innen sehr deutlich. Darüber hinaus verbesserten sich der Eisenstatus in den zirkulierenden Monozyten sowie die Werte der roten Blutzellen. Nach sechsmonatiger Einnahme der Lutschtablette in Kombination mit den notwendigen Medikamenten [„Combined Symptom Medication Score“] konnte in der Hauptsaison der Birkenpollen bei den Patientinnen und Patienten eine 45-prozentige Reduktion der allergischen Symptome erreicht werden.
Überempfindlichkeit der Abwehrzellen herabsetzen
Bisher gilt die spezifische Allergen-Immuntherapie als einzige ursächliche Behandlungsmöglichkeit zur Linderung allergischer Erkrankungen. Dabei wird ein Allergen spezifisch gegen die jeweilige Allergie eingesetzt, zum Beispiel Birkenpollen gegen Birkenpollen-Allergie. „Die Versorgung der Abwehrzellen mit Mikronährstoffen über die Lutschtablette zeigte eine ähnlich starke Wirksamkeit, und zwar auf komplett Allergen-unabhängige und daher universelle Weise,“ verdeutlicht Franziska Roth-Walter.
Die Studie zeigt daher einen neuen Ansatz in der Betreuung von Allergikerinnen und Allergikern auf. Dabei wird durch eine diätische Maßnahme nicht die Allergie selbst, sondern die zugrundeliegende Überempfindlichkeit der Abwehrzellen gegenüber allergenen Stoffen herabgesetzt.
Service & Hintergrund
Die Studie [1] ist vor Kurzem im „The Journal of Allergy and Clinical Immunology: In Practice“ erschienen und kann HIER als Pdf in englischer Sprache downgeloadet werden:
Ameliorating Atopy by Compensating Micronutritional Deficiencies in Immune cells: a Double-Blind Placebo-Controlled Pilot Study
Bartosik T, Jensen SA, Afify SM, Bianchini R, Hufnagl K, Hofstetter G, Berger M, Bastl M, Berger U, Rivelles E, Schmetterer K, Eckl-Dorna J, Brkic FF, Vyskocil E, Guethoff S, Graessel A, Kramer MF, Jensen-Jarolim E, Roth-Walter F.
(Bilder: AdobeStock)