Während der Coronavirus-Krise verzeichnete „Vergissmeinnicht“ eine massive Steigerung der Nachfrage bei den Informationsangeboten zu Testamentsberatung und Erbrecht. Die „Initiative für das gute Testament“ präsentiert neue Online-Serviceangebote, darunter der Testamentsrechner. Dieses digitale Tool gibt in einfacher Sprache Einblick in die gesetzliche Erbfolge je nach persönlichen Verwandtschaftsverhältnissen und zeigt, welche Möglichkeiten ein Testament beim Vererben eröffnet. Derzeit haben nur 30 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher über 40 ein Testament, in dem sie ihren letzten Willen regeln. Mit der Digitalisierungsinitiative möchte Vergissmeinnicht dazu beitragen, Schwellenängste vor den Tabuthemen Testament und Vererben abzubauen.
„Die Beschäftigung mit dem eigenen Ableben ist für die meisten Menschen ein unangenehmes Thema. Dementsprechend groß ist der Informationsbedarf in der Bevölkerung. Nur 30 Prozent der über 40 jährigen Menschen haben ein Testament gemacht. Die wenigsten wissen über die rechtlichen Rahmenbedingungen des neuen Erbrechts 2017 Bescheid“, hält Günther Lutschinger fest, der das Projekt „Vergissmeinnicht“ 2012 ins Leben gerufen hat.
Vergissmeinnicht liefert in Kooperation mit der Österreichischen Notariatskammer umfangreiche Informationen zum Vererben und zur Möglichkeit, neben Angehörigen auch einen wohltätigen Zweck im Testament zu verankern.
Testamentsberatung – stark gestiegener Informationsbedarf in Corona-Zeit
„Infolge der Coronavirus-Krise und der massiven Einschränkungen des sozialen Lebens haben wir bei Vergissmeinnicht einen starken Anstieg der Nachfrage nach Informationsangeboten zum Vererben verzeichnet“, so Lutschinger. „Offensichtlich befassen sich gerade jetzt besonders viele Österreicherinnen und Österreich mit der Thematik.“
Aufgrund dessen hat Vergissmeinnicht eine Digitalisierungsinitiative gestartet und ihr Online-Serviceangebot um den neuen Testamentsrechner, Online-Vorträge und –Interviews mit Notarinnen und Notaren sowie ein Erklärvideo [ab September online], das die wichtigsten rechtlichen Fakten kurz und einfach vermittelt, erweitert. „Ein Serviceangebot für alle, die sich kostenlos, neutral und ortsunabhängig informieren möchten!“, betont Lutschinger und führt aus: „Die Erfahrungen der vergangenen Wochen zeigen, dass sich durch unsere digitalen Angebote sowohl ältere als auch jüngere Menschen über die Wichtigkeit eines Testaments informieren.“
Mit dem neuen Testamentsrechner können Interessierte kostenlos und mit einfachen Erklärungen berechnen, wie sich die Aufteilung der eigenen Verlassenschaft angesichts der jeweiligen Verwandtschaftsverhältnisse gestaltet. Außerdem zeigt der Testamentsrechner die Gestaltungsmöglichkeiten der Erbfolge mit einem Testament auf. Die Ergebnisse dienen als Orientierung, sind jedoch kein Ersatz für eine Beratung durch eine Notarin oder einen Notar.
Testamentsspenden in Österreich
Rund zehn Prozent des gesamten Spendenaufkommens in Österreich [700 Mio. Euro] werden mittlerweile über Testamente gespendet. Laut market-Umfrage können sich 13 Prozent der ÖsterreicherInnen ein Vermächtnis für den guten Zweck vorstellen. Das Interesse an einer Testamentsspende im Bundesländervergleich ist in Wien mit 22 Prozent und Salzburg mit 21 Prozent am größten, am niedrigsten in Vorarlberg.
Ein Testament generell hat man am häufigsten in Oberösterreich [42 Prozent], am seltensten in Tirol [16 Prozent]. Bei der Testamentserstellung ist die Notarin/ der Notar erster Ansprechpartner.
Gute Gründe für ein Testament
Wie positiv und nachhaltig sich einzelne Testamentsspenden auf die wichtigen Aufgaben und Projekte gemeinnütziger Organisationen auswirken, führt derzeit die Verlassenschaft von Frau Adele H. aus Niederösterreich mit einem Gesamtwert von 3,5 Mio. Euro vor Augen. Die gebürtige Tirolerin hat in ihrem Testament neben Verwandten und Freundinnen auch mehrere österreichische NPOs bedacht – darunter auch die Vergissmeinnicht-Mitgliedsorganisation „Jugend eine Welt“, der Adele H. als Dauerspenderin schon zu Lebzeiten treu verbunden war.
Dennoch kam die Mitteilung über die großzügige Testamentsspende überraschend, wie Reinhard Heiserer, Geschäftsführer Jugend Eine Welt betont: „Erbschaften sind wie Sternschnuppen, sie kommen überraschend, nur selten werden sie noch zu Lebzeiten des Erblassers angekündigt. Mit der testamentarischen Zuwendung von Frau Adele H. kann ‚Jugend Eine Welt‘ wichtige Verbesserungen und dringend notwendige Erneuerungen innerhalb der Organisation durchführen, um zukünftig noch besser auf die Nöte unserer Projektpartner in den armen Ländern reagieren zu können. So hilft das Gute Testamente immer dort, wo Soforthilfe dringend gebraucht wird.“
Von Adele H. ebenfalls testamentarisch bedacht wurde die Organisation „DEBRA Austria“, die sich seit 25 Jahren um „Schmetterlingskinder“ annimmt. „Im Mittelpunkt unserer Hilfeleistung stehen die Sicherstellung der medizinischen Versorgung, die Forschung auf dem Weg zur Heilung der folgenschweren Erkrankung und die Unterstützung für betroffene Familien. Bei all diesen Aktivitäten ist DEBRA Austria auf Spenden angewiesen. Besonders dankbar sind wir, wenn sich Menschen zu einem Vermächtnis oder einer Erbschaft entschließen. Denn so wirkt die Spende über das Leben hinaus und hilft nachhaltig dort, wo Hilfe notwendig ist“, so Obmann Dr. Rainer Riedl.
Über die Initiative Vergissmeinnicht
Hinter Vergissmeinnicht steht die gemeinsame Überzeugung der 89 Mitgliederorganisationen, dass man mit einem Vermächtnis für den gemeinnützigen Zweck über das Leben hinaus Gutes tun kann. „Viele Menschen möchten selbst bestimmen, was mit ihrem Vermögen nach ihrem Tod passiert. Sie möchten, dass es jenen gemeinnützigen Zwecken zugutekommt, die ihnen schon zu Lebzeiten wichtig sind, etwa dem Tier- und Umweltschutz oder der Hilfe für bedürftige Menschen“, betont Günther Lutschinger.
Liegt kein Testament vor und sind auch keine gesetzlichen Erben vorhanden, fällt die Erbschaft automatisch an den Staat [2012-2015 über 12 Mio. Euro].
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