Zahnärztinnen und Zahnärzte auf der ganze Welt schlagen Alarm. Denn ein Jahr nach den ersten Lockdowns bemerken diese die zahnmedizinische Katastrophe, die sich aus der Covid-19-Pandemie für die Mundgesundheit der Menschen ergeben: Aufgrund der veränderte Tagesabläufe vernachlässigen Menschen das zweimalige Zähneputzen pro Tag, naschen zwischen den Mahlzeiten zu Hause und gehen nicht zur Zahnärztin/ zum Zahnarzt. Die logische Konsequenz: Mehr Karies und fortgeschrittenere Zahnfleischerkrankungen. Daher der dringende Appel: gehen sie auch in Pandemie-Zeiten regelmäßig zum Zahnarzt/ Zahnärztin!
Nennen wir das Kind beim Namen: Es ist eine zahnmedizinische Katastrophe!
Im Vorfeld des Weltmundgesundheitstages [WOHD] am 20. März, und ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie berichten Verbands- und Ratsmitglieder der FDI World Dental Federation, dass sie die katastrophalen Auswirkungen des Corona-Virus auf die Gesundheit der Zähne und des Zahnfleisches der Menschen rund um die Welt beobachten können.
„Nennen wir das Kind beim Namen: Es ist eine zahnmedizinische Katastrophe,“ sagt Dr. Gerhard Konrad Seeberger, Präsident der FDI. „Die Einschränkungen haben sicherlich eine Rolle bei der Zurückhaltung in Sachen Mundgesundheit gespielt, das ist jedoch längst nicht alles.“
Mundgesundheit bei medizinischer Grundversorgung am stärksten beeinträchtigt
Während der ersten Welle des Covid-19-Ausbruchs waren Zahnarztpraxen auf der ganzen Welt gezwungen zu schließen. Zwei bis drei Monate lang mussten alle zahnmedizinischen Termine verschoben oder abgesagt werden, dringende Notfallbehandlungen ausgenommen. Die WHO berichtete, dass die Leistungen für die Mundgesundheit bei der medizinischen Grundversorgung zu den am stärksten von der Pandemie beeinträchtigten Bereichen gehören. In 77 Prozent der Länder wurden zahnmedizinische Leistungen teilweise oder vollständig ausgesetzt.
Zwischen der ersten und zweiten Welle konnten die Zahnarztpraxen in vielen Ländern wieder öffnen. Zahnärztinnen und Zahnärzte haben sich stets an die strengsten Sicherheitsmaßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle gehalten und auch die während der Covid-19-Pandemie von den Regierungen angeordneten Hygienemaßnahmen dahingehend überarbeitet. Zudem zeigt eine kürzlich durchgeführte Umfrage, dass zahnärztliches Personal in den meisten Teilen der Welt deutlich niedrigere SarS-CoV-2-Infektionsraten aufweist als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in anderen Bereichen des Gesundheitswesens.
Trotzdem meiden viele Menschen Routineuntersuchungen und gehen erst dann zur Zahnärztin bzw. zum Zahnarzt, wenn sie starke Schmerzen haben. Viele haben dann bereits fortgeschrittene Karies und damit verbundene Komplikationen – etwa Infektionen – entwickelt, was die Behandlung komplexer macht.
Die Folgen von einem Jahr ohne zahnmedizinischer Behandlung
Heute sehen sich Zahnärztinnen und Zahnärzte mit den Folgen eines ganzen Jahres unterbrochener zahnmedizinischer Versorgung und Behandlung konfrontiert. Prof. Paulo Melo, ein FDI-Ratsmitglied, das in Porto, Portugal, Zahnmedizin lehrt und praktiziert, berichtet von einem Dutzend Hochrisikopatientinnen und -patienten, die ihre Termine verschoben haben, weil sie Angst hatten, sich mit Covid-19 zu infizieren – trotz der Empfehlung, alle drei bis sechs Monate eine zahnmedizinische Untersuchung durchführen zu lassen. Stattdessen haben viele Patientinnen und Patienten bis zu einem Jahr oder mehr zwischen den Terminen verstreichen lassen. Viele berichteten von starken Zahnschmerzen und Komplikationen, die bei einigen zu Extraktionen oder Wurzelbehandlungen führten.
„Während der Pandemie haben Risikopatientinnen und -patienten meist mehr als nur ein Problem entwickelt. Oft waren es drei oder vier gleichzeitig, weil zu viel Zeit ohne eine Kontrolluntersuchung vergangen ist,“ erklärt Melo. „Zu den typischen Problemen gehören Kariesläsionen und Zahnfleischerkrankungen.“
„Karies, die mit einer einfachen Restauration hätte behandelt werden können, ist so in das Stadium der apikalen Parodontitis und in Abszesse übergegangen, die eine anspruchsvollere Behandlung erfordern,“ erläutert Dr. Vanishree MK, Professorin für Zahnmedizin im öffentlichen Gesundheitswesen in Bangalore, Indien. „Die Patientinnen und Patienten sollten ihre Angst überwinden und wichtige, routinemäßige Zahnbehandlungen nicht aufschieben.“
Eigentlich einfache Behandlungen werden komplizierter
„Zu den dramatischen Folgen der Pandemie gehört auch, dass Probleme der Mundgesundheit, die während des Ausbruchs der Pandemie nicht als dringlich erachtet wurden, tatsächlich dringlich wurden, nachdem zwei Monate auf eine Behandlung gewartet werden musste,“ betont Dr. Maria Fernanda Atuesta Mondragon, Präsidentin des kolumbianischen Zahnärzteverbands [FOC] und FDI-Ratsmitglied. „Wir haben einige Kieferorthopädie-Patientinnen und Patienten gesehen, bei denen sich die Lücken, welche für die Begradigung ihrer Zähne geschaffen wurden, wieder geschlossen haben. Gleichzeitig konnten sich andere erhebliche parodontale Probleme entwickeln.“
„Teenager leiden generell unter Karies, und ich habe in dieser Altersgruppe einen Anstieg des Zahnverfalls beobachtet,“ berichtet Dr. Nahawand Abdulrahman Thabet, der in Kairo, Ägypten, praktiziert und FDI-Ratsmitglied ist. „Ein 15-jähriger Patient von mir gab zu, dass er seit der Schließung seiner Schule mehr nasche, während er zu Hause festsitzt. Ich kann mir vorstellen, dass sich Tausende von Kindern in seinem Alter in einer ähnlichen Situation befinden.“
Die wiederholten Lockdowns, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Homeoffice-Anordnungen während der Pandemie haben allesamt zu einer Änderung der täglichen Gewohnheiten und Verhaltensweisen beigetragen – was sich letztlich auch auf die Mundgesundheit der Menschen auswirkt.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Das Vorleben guter Mundpflegegewohnheiten wie morgendliches und abendliches Zähneputzen ist unerlässlich, wie eine globale Forschungsstudie[1] von Unilever zeigt, die feststellte, dass Kinder das Verhalten ihrer Eltern zum Nachteil ihrer eigenen Gesundheit nachahmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder das Zähneputzen vernachlässigen, ist sieben Mal höher, wenn ihre Eltern nicht jeden Morgen und Abend Zähne putzen. Die befragten Zahnärztinnen und Zahnärzte waren sich einig, dass die Änderung der Mundpflegegewohnheiten bei Kindern auf die veränderten Routinen der Eltern zurückzuführen sei. Trotz der anhaltenden Herausforderungen durch die Pandemie ist es entscheidend, dass Eltern ihrer eigenen Mundpflegeroutine ebenso wie der ihrer Kinder Priorität einräumen.
Dr. Seeberger betont, dass „die Menschen keine Angst vor dem Zahnarztbesuch haben sollten. Die Erhaltung der Mundgesundheit ist von größter Bedeutung, um die allgemeine Gesundheit, das Wohlbefinden und eine gute Lebensqualität zu gewährleisten.“
[1] Unilever Global Research Summary Report 2021: Attitudes, Behaviours and Experiences of Oral Health During the Covid-19 Pandemic wurde von November bis Dezember 2020 mit 6.734 Eltern in 8 Ländern [Bangladesch, Ägypten, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Ghana und Vietnam] durchgeführt.
Über den Weltmundgesundheitstag
Der jährlich am 20. März stattfindende Weltmundgesundheitstag [World Oral Health Day, WOHD] wurde von der FDI World Dental Federation ins Leben gerufen, um das globale Bewusstsein für die Prävention und Bekämpfung von Munderkrankungen zu verbessern.
Globaler Partner des WOHD: Unilever
Unterstützer des WOHD: Wrigley Oral Healthcare Program, 3M, Planmeca
Über die FDI World Dental Federation
Die FDI World Dental Federation ist das wichtigste Vertretungsorgan für mehr als eine Million Zahnärztinnen und Zahnärzte weltweit. Zu ihren Mitgliedern gehören rund 200 nationale Zahnarztverbände und Fachgruppen in über 130 Ländern. Das Ziel der FDI besteht darin, auf der ganzen Welt für die bestmögliche Mundgesundheit zu sorgen.
(Bilder: Pixabay.com)