Die Caritas erhöht den Druck in Sachen anstehender Pflegereform. „Wie unter einem Brennglas hat die Corona-Krise die Stärken und Schwächen des bestehenden Pflegesystems offengelegt„, betonte Caritas Präsident Michael Landau. Die vergangenen Monate hätten sehr deutlich gemacht: Die Pflege ist in einigen Bereichen nach Jahren schleppender Reformen selbst zu einem Pflegefall geworden. „Fragen nach ausreichender Schutzausrüstung und Hygienemaßnahmen sind wichtig, doch sie dürfen uns jetzt nicht davon abhalten, die Pflege endlich auch für die Zeit nach Corona zukunftstauglich auszugestalten.“
Im Fokus der von der Bundesregierung nun angekündigten Reform der Pflege müsste aus Sicht der Caritas zu allererst die Personalfrage stehen. „Die Pflege ist systemrelevant. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben uns durch diese Krise getragen und benötigen mehr als [nur] Applaus. Wir schulden den Heldinnen und Helden der Corona-Krise nicht nur Dank und Anerkennung, sondern auch nachhaltige und vor allem auch längst versprochene Strukturreformen zur Attraktivierung ihres Arbeitsumfeldes„, so Landau. „Die Pflegereform, die im Sommer mit dem digitalen Beteiligungsprozess gestartet ist [Anmerkung: digitaler Fragebogen des Gesundheitsministeriums], muss jetzt zügig fortgesetzt werden, denn sonst drohen Langzeitschäden im Pflegebereich selbst. Wir müssen verhindern, dass die Pflege selbst zum Pflegefall wird.“
Personaloffensive + Abschaffung der Ausbildungskosten
Während die Zahl der pflegebedürftigen Personen in Österreich weiter steigt, rechnen Expertinnen und Experten mit einem Rückgang von familiären Betreuungsressourcen. Nicht zuletzt auch angesichts der demographischen Entwicklung wird die Zahl der zusätzlich benötigten Pflegekräfte bis ins Jahr 2030 auf 75.000 Personen geschätzt. Zuletzt waren in Österreich schon etwa 127.000 Menschen in der Pflege beschäftigt.
„Die Personalfrage ist die Schlüsselfrage einer gelingenden Pflegereform“, betont Landau. „Wir brauchen ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um die wachsende Zahl der pflegebedürftigen Menschen auch weiterhin gut pflegen und betreuen zu können.“ Um dieses Ziel zu erreichen, fordert die Caritas etwa eine Ausbildungs- und Jobgarantie für künftige Pflegekräfte, eine Abschaffung von Schulgeld und Studiengebühren, berufsbegleitende Ausbildungsformen und Möglichkeiten für Berufsumsteigerinnen und -einsteiger.
Aber auch darüber hinaus sieht Landau Handlungsbedarf: „Wir müssen uns als Gesellschaft insgesamt dafür einsetzen, dass die Pflege unserer Eltern das Ansehen und die Wertschätzung erhält, die sie verdient. Für eine solche Veränderung wird eine breite politische Debatte nötig sein. Für eine solche Debatte möchten wir werben. Denn diese Frage kann kein Pflegeträger im Alleingang lösen.“
Mobil vor stationär + Digitalisierungsoffensive für die Pflege
Neben der Personalfrage sieht die Caritas die Bundesregierung vor allem aber auch dann gefordert, wenn es um die stärkere Unterstützung der pflegebedürftigen Menschen selbst und um die Entlastung pflegender Angehörigen geht. Landau: „Wir müssen vorhandene Betreuungslücken schließen. Mehrstündige Betreuungsformen würden die Lebensqualität Betroffener deutlich verbessern, Einsamkeit mindern und pflegende Angehörige entlasten.“ Es müsse das Motto gelten: Mobil vor stationär.
„In Österreich sollte jeder Mensch die für sie oder ihn passende Form der Betreuung und Pflege erhalten können. Es braucht mehr Angebote in der mobilen Pflege sowie mehrstündige Unterstützungs- und Entlastungsdienste, mehr Kurzzeitpflege, Tageszentren und teilstationäre Einrichtungen„, so Landau.
Die fortschreitende Digitalisierung bringe hier durchaus auch Chancen mit sich: „Wenn wir in der Pflege von Digitalisierung sprechen, dann geht es nicht um Pflegeroboter. Denn der wichtigste Teil der Pflege wird auch künftig analog von Mensch zu Mensch stattfinden. Doch die Digitalisierung kann dazu führen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr Zeit für die betroffenen Menschen haben anstatt mit Dokumentationsleistungen und Bürokratie beschäftigt zu sein.“
Einheitliche Standards vom Boden- bis zum Neusiedlersee
„Die Angebote in Betreuung und Pflege weisen in den einzelnen Bundesländern große Unterschiede in Sachen, Kosten, Leistungen, Verfügbarkeiten sowie Qualitätskriterien auf. Wir brauchen gleiche Standards bei gleichen Kosten vom Boden- bis zum Neusiedlersee. Die Betreuungsqualität darf nicht länger von der Postleitzahl abhängen“, bezieht sich Landau auf den Rechnungshofbericht vom Februar 2020. Der Caritas Präsident schließt sich der Empfehlung des Rechnungshofes an, ein nachhaltiges Finanzierungssystem zu entwickeln: „Es braucht eine langfristige und vorausplanende Finanzierung, die berücksichtigt, dass alternde Gesellschaften besondere Anforderungen an eine öffentliche Ausgabenstruktur haben.“
Pflegekampagne der Caritas Österreich
Die Qualität der Pflege hängt von den Menschen ab, die diese Arbeit mit viel Kompetenz und Herz erfüllen. Die Caritas-Pflegekampagne 2020 zeigt, wie wertvoll und wichtig die Arbeit ist, die von den Fachkräften täglich geleistet wird und welche Werte in der Caritas Pflege hochgehalten werden: Herzlichkeit. Mitmenschlichkeit. Wertschätzung und ein Miteinander.
Die Caritas lädt Menschen dazu ein, sich selbst in der Pflege zu engagieren. Es werden laufend in ganz Österreich qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Mit einer Reihe von Aktivitäten auf den Social-Media-Kanälen der Caritas wird im Herbst 2020 gezeigt, dass die Arbeit im Bereich Pflege & Betreuung – neben all ihren anstrengenden Aspekten – ein Beruf mit sehr vielen positiven Seiten ist.
(Bilder: Pixabay.com (2x), Caritas Österreich/ Michael Appelt)