Seit 1994 vertritt der Lebenswelt Heim Bundesverband die Interessen der Alten- & Pflegeheime in ganz Österreich und ist die „Stimme fürs wertvolle Alter[n]“. In dieser langen Zeit konnten viele Entwicklungen in den Pflegeberufen miterlebt und auch mitgestaltet werden, damit die Pflege nicht selbst zum Pflegefall wird. So reicht die Bandbreite vom Gesundheits- und Krankenpflegegesetz [GuKG] mit seinen vielfältigen Novellierungen und Entwicklungen bis hin zur Akademisierung der Ausbildung zum gehobenen Dienst und nun jüngst zur Pflegelehre.
Der internationale Tag der Pflege soll jedes Jahr an die vielfältigen und großartigen Leistungen aller in der Pflege Tätigen erinnern. Gemeinsam mit dem Bundesverband Lebenswelt Heim möchten wir zu dieser Gelegenheit das „jüngste Kind“ im Reigen der Berufsgruppen vor den Vorhang holen – die Pflegefachassistenz. Das Berufsbild wurde 2016 im Zuge der damaligen GuKG-Novelle geschaffen. Ziel war es, den gehobenen Dienst der Krankenpflege sowie die Ärzteschaft zu entlasten. Nachdem gleichzeitig die Regelung verabschiedet wurde, dass Pflegeassistent•innen im Krankenhausbereich nur mehr eine bestimmte Zeit angestellt werden sollten, war die Idee, dass diese zur Entlastung in den Alte- & Pflegheimen eingesetzt werden.
Pflegeassistenz wichtige Stütze in der Langzeitpflege
Heute, sechs Jahre später, hat sich das Berufsbild der Pflegefachassistenz langsam implementiert und ist eine wichtige Stütze in der Langzeitpflege geworden. Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen und sie unter anderem gefragt, warum ihr Beruf aus ihrer Sicht ein unverzichtbarer Teil in der Pflege und Betreuung alter Menschen ist.
„Ich kann den Diplomierten sehr viel abnehmen. Man muss nur wissen, wie man diese Berufsgruppe richtig einsetzt.“ erklärt Lea Ströbinger, die im Pflegeheim Mater Salvatoris als Pflegefachassistentin arbeitet.
„Die Leute denken bei den Pflegeberufen immer ans Hintern saubermachen und Essen geben, aber es ist weit mehr: es ist eine erfüllende und sinnstiftende Tätigkeit. Ich habe schon viele Jobs gehabt und ich kann sagen, es gibt keinen leichten Beruf. Es ist auch hier nicht immer leicht, aber es ist eine Aufgabe, die erfüllt. Man geht am Abend nach Hause und weiß, was man gemacht hat und dass es einen Sinn gehabt hat.“ erklärt Thomas Fessl, ebenfalls Pflegefachassistent im Pflegeheim Mater Salvatoris.
Alberta Herfert, Pflegefachassistentin in der Hauskrankenpflege bei der Caritas Socialis, unterstreicht diese Ansicht und wünscht sich: „Es ist dringend nötig, dass die Öffentlichkeit mehr über unseren Beruf erfährt! Als ich im Bekanntenkreis erzählte, dass ich die Ausbildung zur Pflegefachassistentin machen werde, haben mich viele abschätzig betrachtet. Es existiert bei vielen die Vorstellung: Handerl halten und Spazieren gehen und Waschen, das kann doch jeder. Wir haben nicht nur ein großes medizinisches Hintergrundwissen, sondern brauchen auch weitreichende psychologische Kompetenzen. Wir müssen zudem sehr genau beobachten, Situationen korrekt einschätzen und Entscheidungen treffen. Ohne uns könnte zum Beispiel der Arzt nur schwer eine optimale Therapie verschreiben. Wir liefern ihm mit unseren Beobachtungen und fachlichen Einschätzungen die wichtige Grundlage dafür.“
Die Rahmenbedingungen müssen passen, damit die Pflege nicht selbst zum Pflegefall wird
Pflege ist so viel mehr als Händchen halten, Körperpflege und Spaziergänge. Pflege macht Sinn und braucht ein hohes Maß an Kompetenz. Pflege ist nahe am Menschen – sie gibt Wertschätzung und bekommt noch mehr Wertschätzung zurück. Dafür ist es aber unbedingt notwendig, dass die Pflegepersonen die richtigen Rahmenbedingungen erhalten.
„Wir danken allen unseren Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort täglich für pflegebedürftige Menschen da sind. Wir gratulieren ihnen zu ihrer Berufsentscheidung. Und wir plädieren dringend an die Politiker•innen dafür zu sorgen, dass unsere Pflegekräfte gut arbeiten können“, so Bundesverband Präsident Jakob Kabas zum internationalen Tag der Pflege. „Wir sind jedenfalls bereit, mit unserer Erfahrung und Expertise zu unterstützen“, fügt er hinzu. Denn die Zeit drängt. Bedarfsprognosen zeigen nämlich, dass es bis zum Jahr 2030 eine Lücke von 75.000 Mitarbeiter•innen im Pflegebereich gibt. Wird nicht rasch gehandelt, so wird die Pflege selbst immer mehr zum Pflegefall!
Gehalt und Arbeitsbedingungen
In allen Gesundheitsberufen herrscht eine hohe Fluktuation: Das nationale Forschungs- und Planungsinstitut Gesundheit Österreich stellte fest, dass die durchschnittliche Verweildauer im Beruf nur sechs bis zehn Jahre beträgt. Während der dritten Corona-Welle 2021 lieferte eine weitere Studie alarmierende Zahlen: Beinahe die Hälfte des Pflegepersonals denkt immer wieder an den Berufsausstieg. Das hat aber nicht nur mit der Überlastung durch die Pandemie zu tun. Bereits viel zu lange sind Hinweise und Warnungen des Personals ungehört geblieben. „Es muss jetzt sofort alles getan werden, damit das bestehende Personal nicht komplett ausbrennt und wegbricht. Dabei ist natürlich das Gehalt ein Thema. Mindestens genauso wichtig sind aber die Arbeitsbedingungen“, so Franz Schnabl, Präsident des Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs.
Der Samariterbund tritt unter anderem für den erweiterten Zugang zur sechsten Urlaubswoche, der sogenannten Entlastungswoche, für alle Berufsgruppen im Pflege- und Sozialbereich ein. „Die entstehenden Kosten müssen die Länder und Gemeinden, in deren Auftrag wir arbeiten, tragen. Es bedarf einer nationalen Kraftanstrengung, um den Kollaps in der Pflege zu verhindern. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren“, erklärt Schnabl.
Digitalisierung in Pflege und Gesundheit ist eine wichtige Zukunftsinvestition
Eines der großen Zukunftsthemen ist [weltweit] die Gesundheits- und Krankenpflege. Hochqualifiziertes Personal begleitet, unterstützt und versorgt die Gesellschaft 24 Stunden am Tag und steht tagtäglich Menschen zur Seite, die durch Schicksalsschläge aus dem Alltag gerissen wurden. In diesem Sinn ist es auch dringend notwendig, die Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitsbereich voranzutreiben. Sie bringt Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen und den Pflegekräften Entlastung, steigert die Effizienz im System und spart langfristig Kosten, mit denen andere Bereiche der Pflegereform finanziert werden können.
Das bringt die Digitalisierung in der Pflege
Ganz konkret bringt die Digitalisierung
- Pflegebedürftigen mehr Selbstständigkeit, etwa durch Smart-Home-Unterstützungen in der Küche oder Sprachassistenten für den Online-Einkauf.
- Pflegenden Angehörigen mehr Sicherheit und Unterstützung, etwa durch die rasche Kontaktaufnahme mit Pflegefachkräften via Telemedizin.
- Pflegepersonal [körperliche] Entlastung und mehr Zeit für ihre Schützlinge, beispielsweise durch die Reduktion administrativer Arbeiten oder Roboter, die Routinearbeiten wie Wäschesammeln verrichten.
- den Institutionen Zeit- und Kostenersparnis, womit zusätzliche finanzielle Mittel für Pflegereform frei werden.
- Assistenzroboter ermöglichen auch neue Therapiemöglichkeiten, etwa bei Demenz.
Digitalisierung in Pflege und Gesundheit birgt Milliardenpotenzial!
Das Potenzial von Digitalisierung in Pflege und Gesundheit ist enorm – neben den Entlastungen für alle Beteiligten besonders in finanzieller Hinsicht. Bereits vor zehn Jahren haben Expertinnen und Experten geschätzt, dass 500 Millionen Euro an Pflegegeld und 3,5 Milliarden Euro in der mobilen und stationären Pflege gespart werden können, wenn mittels digitaler Assistenzsysteme der Fortschritt der Pflegebedürftigkeit um ein Jahr verlangsamt wird. Diese Potenziale sind heute um ein Vielfaches größer.
Österreich hinkt allerdings Vorreitern wie Finnland und Estland hinterher – es braucht rasch einen gesetzlichen Rahmen für Digitalisierung in Pflege und Gesundheit! Während Digitalisierung in der Pflege und im Gesundheitswesen in den besagten nordischen Ländern bereits gelebter Alltag ist, steckt Österreich in vielen Bereichen noch in den Kinderschuhen. Wir haben nicht einmal einen Rechtsrahmen für Digitalisierung in Pflege und Gesundheit. Dieser muss – im Einklang mit geltenden Datenschutzbestimmungen – rasch geschaffen werden!
(Bilder: AdobeStock, Lebenswelt Heim Bundesverband, AdobeStock)