Der Prozess des Alterns wird am deutlichsten an der Haut sichtbar. Im neu eröffneten Christian-Doppler-Labor „Skinmagine“ [Multimodal Imaging of Aging and Senescence of the Skin] haben sich DermatologInnen der MedUni Wien mit BiotechnologInnen der Universität für Bodenkultur Wien und ChemikerInnen der TU Wien sowie die Firma Chanel zusammengetan, um das Zusammenspiel von Metabolismus [Stoffwechsel], Zellkommunikation und zellulärer Qualitätskontrolle in der durch Umweltstress beschleunigten Hautalterung zu erforschen.
Hautalterung passiert nicht in Isolation, sondern im Zusammenspiel mit der Umwelt und mit sich verändernden Prozessen im ganzen Körper. Sie wird durch das „städtische Exposom“ – die kombinierte Einwirkung von Faktoren wie Umweltverschmutzung und Sonnenlicht – beschleunigt.
Normale und vom städtischen Lebensstil beschleunigte Alterung der Haut betreffen den Fett-, Protein- und Zuckerstoffwechsel, die Fähigkeit zur Regeneration und Kommunikation im Gewebe. „Wir wollen das Zusammenspiel der Mechanismen, die zur Hautalterung beitragen, mit höchster optischer, chemischer und biochemischer Präzision auf der Zellebene analysieren,“ erklärt Laborleiter Florian Gruber von der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien.
MedUni Wien, TU Wien und BOKU: Ein großes Forschungsnetzwerk
Hautalterung ist die sichtbarste Manifestation des Alterns. Dieses CD-Labor wird neues Wissen über die Mechanismen der Zellalterung bringen und zugleich die Grundlage für neue und innovative Hautpflegeprodukte sein.
Ein weiteres Ziel der ForscherInnen ist die Entwicklung von neuen Methoden, mit denen Alterungserscheinungen der Haut in gesunden Personen einfach, schnell und schmerzfrei verfolgt werden können. Dies könnte mit der Raman-Mikrospektroskopie gelingen, die seit mehreren Jahren für Zellkulturen und Gewebeproben von Markus Schosserer in der BOKU Core Facility „Multiscale Imaging“ etabliert wird. „Abgesehen von unserem akademischen Interesse an neuen nicht-invasiven Methoden zur Untersuchung der Hautalterung, werden diese Verfahren zukünftig die Testung von neuen Hautpflegeprodukten deutlich vereinfachen,“ so Schosserer.
Rasche Information über den Hautzustand einer Person
„Die bildgebende Massenspektrometrie ermöglicht die exakte Lokalisierung von Tausenden von biologischen Molekülen in Gewebe, aber auch von Pflegeprodukten in der Haut. Wir können somit ein „Abbild“ eines Hautzustandes liefern,“ erklärt Martina Marchetti-Deschmann. Die Massenspketrometrie wird mit anderen bildgebenden Verfahren zu einer multimodalen Anwendung entwickelt, die umfassende Informationen über zugrundeliegende biologischen Prozesse liefert. Ebenso wird das Potential getestet, sofort eine Aussage über den Hautzustand einer Person zu geben, in dem eine Probe direkt von der Hautoberfläche genommen und online in das Gerät eingebracht wird.
„In diesem CD-Labor wird die Dermatologie der MedUni Wien gemeinsam mit der Technischen Universität Wien, der Universität für Bodenkultur und dem Unternehmenspartner Chanel eng zusammenarbeiten, um unser Verständnis von Alterungsprozessen in der Haut zu verbessern. Es braucht neue, innovative Ansätze, um zum Beispiel den Einfluss von Umweltfaktoren zu untersuchen,“ sagt Michaela Fritz, Vizerektorin für Innovation und Forschung an der MedUni Wien.
Gelebte Vernetzung von Grundlagen- und angewandter Forschung
„Christian Doppler Labore stellen ein einmaliges Förderinstrument dar, das auf effiziente und unbürokratische Weise langfristig den Wissenstransfer von den Universitäten zur Wirtschaft garantiert und aufzeigt, wie fruchtbar die gelebte Vernetzung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung sein kann,“ betont Christian Obinger, Vizerektor für Forschung und Innovation an der Universität für Bodenkultur Wien. „Mit diesem interdisziplinären CD-Labor setzen die beteiligten Wiener Universitäten ihre erfolgreiche Zusammenarbeit fort.
Die Lösung komplexer biologischer Fragestellungen erfordert institutionenübegreifende und komplementäre Fachkompetenz und eine Bündelung hochwertiger Forschungsinfrastrukturen. Die BOKU hat mit dem ehemaligen CD-Labor für Biotechnologie der Hautalterung den Grundstein für diese Kooperation gelegt und wird sich in ihrem Modul mit der Charakterisierung von seneszenten Hautzellen, v.a. im Hinblick auf Proteinsynthese und RNA Modifikationen, beschäftigen.“
„Gemäß unserem Motto ‚Technik für Menschen‘ betrachten wir es als primäres Ziel, Forschungsergebnisse in Anwendungen zu übersetzen, etwa chemische Prozesse oder Produkte. Zu diesem Zweck ist die Christian Doppler Gesellschaft mit ihrem Förderungsprogramm ein perfekter Partner,“ sagt Marko Mihovilovic, Dekan der Fakultät für Technische Chemie der TU Wien.
Zusammenspiel verschiedener Verfahren
Ermöglicht wird diese Forschung durch die Überlagerung verschiedener bildgebender chemischer, enzymatischer und immunhistologischer Verfahren. Experimente in Kulturzellen oder in Gewebeextrakten bilden die Zusammenhänge von zellulärer Alterung [Seneszenz], Stress, Kommunikation und Stoffwechsel nicht ganzheitlich ab, zumal die Haut ein komplexes und dynamisches Organ darstellt. Seneszente Zellen zeigen zudem Anzeichen für reduzierte interne Qualitätskontrolle. Ihren veränderten Zustand kommunizieren die seneszenten Zellen mit einem Mix aus Signalstoffen [Proteine, Lipide und Nukleinsäuren] an ihre „Mikroumgebung“, und diese wird dadurch verändert. Wenn diese Signale über längere Zeit ausgesendet werden, werden die Mikroumgebung und das Gewebe nachhaltig zerstört und pathologische Prozesse gefördert.
Diese Veränderungen zu charakterisieren ist mit Einzelmethoden jedoch sehr anspruchsvoll. Dieses CD-Labor verwendet daher eine sogenannte multimodale analytische Methode, um diese Herausforderungen bei der Analyse von Biopsien der Haut und selbst entwickelten Hautalterungsmodellen zu meistern. Dazu werden zum Beispiel massenspektrometrische Bildgebung mit Raman-Mikrospektroskopie, Immun[fluoreszenz]histologie und Metabolisches Imaging kombiniert. Die Ergebnisse der jeweiligen Methoden werden in der Folge mittels Algorithmen, die eigens weiterentwickelt werden, zusammengefügt. Dadurch entsteht ein analytisches Abbild der seneszenten Zellen in ihrer Mikroumgebung.
„Abgesehen von bislang unerreichtem Grundlagenwissen zur Alterung der Haut werden wir in den Modellen zielgerichtet testen können, ob und wie Aktivstoffkandidaten für Hautpflegeprodukte den stress- und seneszenzbedingten Änderungen im Metabolismus, der Mikroumgebung, der Kommunikation oder der zellulären „Qualitätskontrolle“ entgegenwirken können,“ erklärt Gruber.
[Bewegte] Bilder sagen mehr als 1.000 Worte
Zugegeben, das klingt alles sehr kompliziert bzw. sehr „medizinisch“. Sehen sie daher hier ein kurzes Video, in dem Florian Gruber das neue Labor und dessen Arbeit „kinderleicht“ erklärt 🙂
Medizinische Universität Wien – Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien, kurz: MedUni Wien, ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500 MitarbeiterInnen,
26 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.
Universität für Bodenkultur Wien – Kurzprofil
Die Universität für Bodenkultur Wien ist eine der führenden Life-Science-Universitäten Europas. Die Verbindung von Naturwissenschaften, Technik sowie Sozial- und Wirtschaftswissenschaften charakterisiert ihre Forschung und Lehre. Wichtige Forschungsschwerpunkte sind neben der Nachhaltigkeit und der Ressourcennutzung die medizinischen Biotechnologie.
Technische Universität Wien – Kurzprofil
Die Technische Universität Wien ist Österreichs größte Forschungs- und Bildungseinrichtung im Bereich Technik und Naturwissenschaften. Mehr als 4.000 WissenschaftlerInnen forschen in fünf Forschungsschwerpunkten an acht Fakultäten an „Technik für Menschen„. Der Inhalt der angebotenen Studien ist abgeleitet aus der exzellenten Forschung. Mehr als 27.000 Studierende in 55 Studien profitieren davon. Als Innovationsmotor stärkt die TU Wien den Wirtschaftsstandort, ermöglicht Kooperationen und trägt zum Wohlstand der Gesellschaft bei.
Über Christian Doppler-Labors
In Christian Doppler Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben. Dazu kooperieren hervorragende WissenschafterInnen mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel. Christian Doppler Labors werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert. Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort [BMDW].
(Bilder: Pixabay.com, MedUni Wien, Pixabay.com; Video: Youtube.com)