Der Welttag für psychische Gesundheit [auch Welttag der seelischen Gesundheit und Welttag der geistigen Gesundheit] ist ein Aktionstag, der seit 1992 von der World Federation for Mental Health und der WHO psychisch erkrankte Menschen in den Mittelpunkt rückt. Er thematisiert die psychische Gesundheit von Menschen, teilt neue Erkenntnisse über psychische Erkrankungen und stärkt die Solidarität mit psychisch Kranken und deren Angehörigen.
Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser [KWP] Geschäftsführer Mag. Christian Hennefeind dazu: „Beim Thema Gesundheit denken wir immer zuerst an den Körper. Gleich wichtig ist es, auf die geistige Gesundheit zu achten. Denn nur wer psychisch fit, robust und widerstandsfähig ist, kann gut mit den Belastungen im Alltag umgehen.“
Der Psychologische Dienst der Häuser zum Leben hilft mit Rat und Tat
Den Wiener „Häusern zum Leben“ war die psychische Gesundheit ihrer Kundinnen und Kunden stets wichtig, daher gibt es die Angebote des psychologischen Dienstes. Ausgehend vom biopsychosozialen Modell berät und begleitet dieser Bewohnerinnen und Bewohner mit entsprechendem Bedarf.
Maria Seidenschwann, die gemeinsam mit Regina Rajecky die Abteilung leitet, meint: „Wichtig ist uns die Entstigmatisierung von psychischen Belastungen und Erkrankungen.“ So hat der Psychologische Dienst – speziell für ältere Menschen und deren Angehörige – die Online-Beratungsplattform „Rat im Netz“ entwickelt. Auf www.rat-im-netz.at erhalten Hilfesuchende kostenlose, anonyme professionelle Unterstützung von Psycholog•innen und Sozialarbeiter•innen des KWP. Einsamkeit, Hilflosigkeit, Gesundheit, Demenz, finanzielle Sorgen, Tod oder Trauer sind Beispiele für die Vielfalt des Beratungsangebots. Jede Frage wird innerhalb weniger Tage beantwortet und vertraulich behandelt. Bei Bedarf wird auf weiterführende Hilfsangebote hingewiesen.
Online-Beratungs-Tool für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Parallel dazu entwickelte die für interne Gesundheitsmaßnahmen verantwortliche Abteilung „Miteinander“ unter der Leitung von Ursula May ein Online-Beratungs-Tool für die 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens, denn: „Die Arbeit bei der Pflege und Betreuung kann zu psychischen Belastungen führen“, so der Bereichsleiter für Pflege und Interdisziplinäre Betreuung der Häuser zum Leben, Heinz Stieb. Daher werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsame, gesundheitsfördernde Aktivitäten sowie Fortbildungen, Coachings und Supervisionen angeboten – sowohl im Team als auch einzeln.
Psychiatrische Versorgung in Österreich prekär
Trotz derart positiver Beispiele ist die psychiatrische Versorgung in Österreich allerdings prekär. Immer mehr psychisch erkrankte Menschen müssen stationär im Krankenhaus untergebracht werden. „Waren es von Jänner bis Juli 2019 in Wien 2.325 gemeldete Unterbringungen, sind es heuer im gleichen Zeitraum 2.720, also ein Plus von 17 Prozent. In ganz Österreich haben wir im ersten Halbjahr 2022 13.590 Unterbringungen verzeichnet – Tendenz steigend“, berichtet Bernhard Rappert, Fachbereichsleiter der Patientenanwaltschaft. Diese steht jenen Menschen zur Seite, die zwangsweise auf einer psychiatrischen Abteilung untergebracht sind.
Fehlende Betten
Rita Gänsbacher, Bereichsleiterin der Patientenanwaltschaft für Wien, schlägt Alarm: „Dem Anstieg der Anzahl an Unterbringungen steht die Tatsache gegenüber, dass auf Grund des Personalmangels in der Pflege immer mehr Betten gesperrt sind und so Behandlungsplätze reduziert werden. Nur mehr wenige akut schwer Erkrankte erhalten kurzfristig einen Behandlungsplatz, alle anderen Patientinnen und Patienten werden nach Hause geschickt, bestenfalls notdürftig in den massiv unterbesetzten Spitalsambulanzen versorgt. Das ist fahrlässig.“
Auch in Salzburg und Tirol kennt man dieses Problem: „In Schwarzach fehlen aktuell 20 Betten, in Innsbruck zwölf Betten auf der offenen Frauenstation, die Landes-Pflegeklinik Tirol kämpft ebenfalls mit massiven Personalproblemen. Leidtragende sind die Patientinnen und Patienten mit psychischer Erkrankung“, ergänzt Christine Müllner-Lacher, Bereichsleiterin der Patientenanwaltschaft für Salzburg und Tirol.
Auswirkungen des Personalmangels
Wer ein Bett auf einer psychiatrischen Station erhalten hat, bekommt im Spital die Auswirkungen des Personalmangels zu spüren: „Uns erreichen Beschwerden darüber, dass Patientinnen und Patienten sehr lange auf Unterstützung bei der Körperpflege warten. So musste zum Beispiel ein Patient 40 Minuten in nasser Bettwäsche ausharren. Leider kein Einzelfall“, berichtet Gänsbacher.
Patientinnen und Patienten, die nur in professioneller Begleitung die Klinik kurzfristig verlassen können, um dringende Angelegenheiten zu erledigen oder einfach nur um ihr Recht auf Frischluft wahrzunehmen, haben immer häufiger das Nachsehen. Eine besonders drastische Auswirkung des Personalmangels: Umfassende Deeskalationsmaßnahmen in akuten Krisensituationen, ein wichtiges Instrument, um Freiheitsbeschränkungen zu vermeiden, entfallen immer häufiger. „Das bedeutet für die Patientinnen und Patienten Immobilisation, Absonderung in ein Zimmer oder Fixierung ans Bett – vermehrt auch mit Hilfe von nicht psychiatrisch ausgebildetem Personal. Eine rechtlich unzulässige Praxis, die nicht den gängigen fachlichen Standards entspricht“, kritisiert Gänsbacher.
Fehlende Heimplätze
Die ohnehin schon problematische Situation in den Kliniken wird durch fehlende Nachsorgeeinrichtungen zusätzlich befeuert. „Wir haben überall in den Psychiatrien Patientinnen und Patienten, die auf Pflegeheimplätze warten. Sie erhalten nicht die Betreuung, die sie in einer Nachsorgeeinrichtung bekommen und auch dringend benötigen würden. Außerdem fehlen diese Betten im Psychiatriebetrieb“, erklärt Müllner-Lacher.
In Kufstein vertritt sie einen Patienten, der seit zehn Monaten untergebracht ist, weil es für ihn keinen Heimplatz gibt. Er wurde zwischen Kufstein und Hall im Drei-Wochen-Takt hin und her verlegt, um die jeweilige psychiatrische Station zu entlasten. Erst ein von den Patientenanwältinnen und -anwälten angeregtes Gutachten stoppte diese Praxis, da jede Verlegung des Patienten zu einer weiteren psychischen Verschlechterung seines Zustandes führte.
Rasches Handeln notwendig
„Wenn bei der prekären psychiatrischen Versorgung in Österreich nicht rasch Abhilfe geschaffen wird, dann kollabiert das System“, ist Christine Müllner-Lacher überzeugt. Damit das nicht geschieht, muss die Versorgung verbessert werden. „Es braucht auf der einen Seite Hometreatment-Angebote, also eine Behandlung von Erkrankten in ihrem zu Hause, und einen Ausbau der ambulanten psychiatrischen Einrichtungen. Auf der anderen Seite muss es weiterhin genügend verfügbare Betten im Spital geben. Eine rasche Ausbildungsoffensive für die psychiatrische Pflege sowie die Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen sind daher unumgänglich“, appelliert Rappert an die Politik.
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