Ängste, Sorgen, Isolation – die aktuelle Corona-Pandemie und die damit einhergehende Quarantäne und häusliche Isolation stellt die Menschen in in unserem Land vor völlig neue Herausforderungen. Sie sind für alle eine Ausnahmesituation, die de facto noch nie jemand erlebt hat. Covid-19 beeinflusst unser aller Leben und auch unseren Umgang mit unseren Partnerinnen und Partnern, Kindern, Familie und Freunden oder Arbeitgeber.
Um in der aktuellen Corona-Krise so gut wie möglich zu helfen, hat der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen [BÖP] ein Informationsblatt erstellt, das zeigt, wie man die Quarantäne und häusliche Isolation trotz Einschränkungen gut überstehen kann. Wir haben hier für sie die wichtigsten Ratschläge zusammengefasst.
Verhaltensmaßnahmen, die uns allen helfen können
Die gute Nachricht: Es gibt klare, wissenschaftlich erforschte und bewährte Verhaltensmaßnahmen und mentale Strategien, die es uns ermöglichen, diese Ausnahmesituation gut zu meistern. Auf Basis dieser Erkenntnisse gibt es praktische Tipps, die unterstützen, die aktuell herausfordernde Zeit gut zu überstehen. Grundsätzlich gilt dabei: Jeder Mensch ist anders. Jede/ r sollte sich daher die Empfehlungen übernehmen, die für ihn/ sie am besten passen, um mit überbordenden Ängsten, aufkommenden Konflikten, Sorgen und/ oder umzugehen.
Um unmittelbar helfen zu können, wurde darüber hinaus die telefonischen Beratungszeiten an der BÖP-Helpline bis auf Weiteres ausgeweitet. Die Helpline ist nun Montag bis Freitag von 9.00 bis 16.00 Uhr unter der Telefonnumer 01/ 504 8000 oder via eMail unter helpline@boep.or.at für Hilfesuchende zu erreichen.
Praktische Tipps für den Alltag
Geben sie dem Tag Struktur
Struktur hilft gegen Chaos, gibt Sicherheit und stärkt in Stresssituationen. Unsere Tagesstruktur ist mit einem Ritual vergleichbar: also nicht im Pyjama bleiben, sondern wie immer aufstehen, sich anziehen, die üblichen Essens-, Schlafens-, Arbeits- oder Lernzeiten einhalten. Passen sie ihre Tagesstruktur an die aktuelle Situation an.
Planen sie ihren Tag so genau wie möglich
Geplantes Handeln beugt Kontrollverlust und Hilflosigkeit vor. Durch geplantes Handeln hat man das Gefühl, einer Situation nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern diese aktiv zu gestalten.
Konsumieren sie Medien bewusst und gezielt
Fakten helfen gegen überschwemmende Gefühle. Seriöse und klare Informationen geben Orientierung und Sicherheit. Vermeiden sie aber ununterbrochenen Medienkonsum und glauben sie nicht alles, was vor allem in den Sozialen Medien an Information verbreitet wird. Medienkonsum mit gesundem Hausverstand ist angesagt.
Auf die eigenen Stärken besinnen
Ressourcen helfen, Krisensituationen durchzustehen. Innere Ressourcen sind alles, was sie an positiven Erfahrungen in ihrem bisherigen Leben gemacht haben, alle Probleme die sie schon überwunden und gelöst haben, ihre Stärken und Talente, alles, was an Fähigkeiten, Neigungen etc. vorhanden ist.
Ressourcen sind Kraftquellen. Aktivieren und nutzen sie diese.
#BewegungISTgesund
Bewegung bewirkt Wunder im Kopf und wirkt sich, wissenschaftlich nachgewiesen, positiv auf unsere Psyche aus. Sport ist auch auf engem Raum möglich: Videos im Internet liefern Anregungen und Trainingsprogramme. Jeder Muskelkater ist jetzt ein Erfolg 😉
Pflegen sie ihre sozialen Kontakte über Videotelefonie
Verbundenheit mit der Familie und/ oder dem Freundeskreis gibt Halt. Nutzen sie dazu das Telefon und Videotelefonie wie zum Beispiel Skype oder WhatsApp.
Rückzugsmöglichkeiten und Freiräume
Auf engen räumlichen Verhältnissen entsteht sogenannter „Dichtestress„. Auch durch die ungewohnt viele gemeinsame Zeit können Konflikte in der Partnerschaft oder im Familienleben entstehen. All dies kann sich in Streit bis hin zu Gewalthandlungen entladen.
Ganz wichtig ist es daher, für alle Familienmitglieder Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen und klar abgegrenzte Zeiten zu schaffen, in denen jede und jeder für sich sein und alleine sein kann.
Offene Kommunikation
Sprechen sie Ärger an, noch bevor die Situation eskaliert. Offene Kommunikation hilft, um Konflikte nicht eskalieren zu lassen.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Seien sie nachsichtiger als sonst, sich selbst und den anderen gegenüber. Um Spannungen zu verhindern und abzubauen, hilft – auch – nicht alles so ernst wie vielleicht sonst immer zu nehmen. Humor stellt eine gesunde Krisenbewältigungsstrategie dar. Und auch der eine oder andere Coronavirus-Witz zwischendurch kann durchaus helfen 😉
Aufmerksamkeit vs. Achtsamkeit
Die Unsicherheit und Angst, die sich in der Corona-Krise breit machen, triggern ein unspezifisches Aktivierungsprogramm in uns – körperlich, emotional und kognitiv. Sozusagen eine evolutionäre Errungenschaft, die Menschen mit Säugetieren teilen. Es hilft, in einer Gefahrensituation flexibel bestehen zu können. Wenn wie jetzt die Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Gefahr und den eigenen Handlungsmöglichkeiten zu groß erscheint, machen sich Angst, Wut, Ärger, Hilflosigkeit, Dauersorgen und -grübeln, Nervosität, Schlafstörungen, aggressives Verhalten u.a. breit. Diese Gedanken und Gefühle hindern, angemessen zu handeln und verstärken sich gegenseitig.
Aufmerksamkeit ist ein wichtiger Motor der Industriegesellschaft. Straßenverkehr, Werbung, soziale Medien etc. fordern Aufmerksamkeit bzw. sind darauf aufgebaut. Medien haben gelernt, die Aufmerksamkeit der Medienkonsumenten auf sich zu ziehen, indem sie Emotionen und Wünsche ansprechen. In einer Krisensituation ist Aufmerksamkeit allerdings ein zusätzlicher Stressfaktor.
Man sieht oder liest unzählige Berichte und gerät dabei allmählich in Panik. Man agiert wie ein Hamster im Laufrad – man rennt und kommt in immer heftigeren Stress. Mehr Zigaretten, Schokolade, Alkohol etc. sind nicht nur ungesund, sondern helfen nicht. Die Fixierung der Aufmerksamkeit auf das „Außen“, sprich darauf, was in der Welt und im Land gerade passiert, verhindert, rechtzeitig die Stress-Spirale zu unterbrechen. Dabei kann Achtsamkeit helfen, diese Spirale zu stoppen.
Wer achtsam ist, spürt den eigenen Körper und merkt wie Gedanken und Gefühle kommen und gehen. Achtsam sein heißt alles, was gerade da ist – Sinneswahrnehmungen, Körperwahrnehmungen, Gedanken, Gefühle – zunächst unvoreingenommen und freundlich aufzunehmen und dann erst zu entscheiden. Achtsamkeit heißt nicht alles zu akzeptieren, sondern aktiv auf Situationen angemessen antworten zu können.
Ein paar Tipps zum Ausprobieren
Entspannen statt Anspannen
Tief ausatmen hilft – also: Innehalten und ein paarmal tief ausatmen – das Einatmen kommt von selbst. Das geht überall, zum Beispiel wenn man warten muss.
Und das lässt sich auch eigens üben: suchen sie sich einen ruhigen Ort, setzen sie sich bequem und aufrecht hin, stellen sie den [Handy-]Wecker auf fünf oder zehn Minuten, und konzentrieren sie sich in dieser Zeit auf die Bewegung des Körpers beim Atmen.
Grübeln verhindern
Vorsorgen ist vernünftig. Doch Grübeln macht erschöpft und ängstlich. Wenn trübe oder ängstliche oder wütende Gedanken auftauchen, nehmen sie diese Gedanken wahr, aber lassen sie sich nicht von diesen vereinnahmen, sondern „verabschieden“ sie sich von ihnen und schalten sie auf angenehme Gedanken um.
Angst benennen und unterbrechen
Angst kann man nicht einfach vertreiben. Wenn sie auftritt, versuchen sie, diese zu benennen: „ah, da ist Angst, ich fürchte mich vor…“. Wenn sie sich ihren Ängsten bewusst werden, können sie darüber sprechen und diese sukzessive abbauen und damit fertig werden.
Gute Erfahrungen sammeln
Unser Sinnes- und Nervensystem ist durch Evolution entstanden. Daher bemerken wir auch eher Gefahren als Angenehmes. Das Gute im Leben zu sehen muss gelernt werden. Nehmen sie sich bewusst Zeit, um sich beispielsweise vor dem Schlafengehen drei angenehme, hilfreiche, schöne Situationen des Tages in Erinnerung zu rufen.
Licht am Ende des Tunnels
Denken sie daran, die Situation wird vorübergehen! Es ist es wichtig zu verstehen, dass der Covid-19-Ausbruch unweigerlich vorübergehen wird. Nutzen sie die einfachen Möglichkeiten, um ihr Erkrankungsrisiko zu vermindern: regelmäßig Händewaschen und Vermeiden von engem zwischenmenschlichem Kontakt, sprich halten sie mindestens 1 Meter Abstand zu anderen Personen.
Service: Hotlines und Beratungsstellen
- Von Gewalt betroffenen Frauen steht zu jeder Tages- und Nachtzeit die Telefonnummer 0800 222 555 mit Expertinnen zur Seite. Eine Onlineberatung ist – parallel zur telefonischen Beratung – täglich in der Zeit von 15.00 bis 22.00 Uhr unter Haltdergewalt.at erreichbar. Weitere Informationen unter Frauenhelpline.at.
- Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie bietet telefonische Beratung täglich von 8.30 bis 20.00 Uhr, samstags von 8.30 bis 13.00 Uhr und nach Vereinbarung am Wochenende unter 01 585 32 88.
- Telefonberatung der Kinderschutzzentren die Möwe: 01 532 15 15 [Montag bis Donnerstag 9.00 – 17.00 Uhr, Freitag 9.00 – 14.00 Uhr]
- Bei akuter Gewalt: Polizei unter 133 oder 112.
- Für eine sichere Unterkunft: Frauenhausnotruf Wien 05 77 22.
- 24h Telefonische Gesundheitsberatung: 1450
- 24h Hotline AGES: 0800 555621
- 24h Hotline Land Tirol: 0800 808030
- 24h Hotline Land Wien: 01/ 4000 4001
- Team Österreich: 0800 600600
- Telefonseelsorge: 142
- Rat auf Draht: 147
- Ö3 Kummernummer: 116123
- Hotline AK Steiermark, täglich, auch Sa und So 8.00 bis 18.00 Uhr: 0316/ 8044 – 850, 851, 852
- Kriseninterventionsteam des Landes Steiermark: 0664/ 8500224 täglich 15.00 bis 21.00 Uhr
- Ärztefunkdienst Wien: 141
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