Wie jedes Jahr wird auch 2022 am letzten Februartag der Tag für seltene Erkrankungen begangen. Dieser Tag soll auf Erkrankungen aufmerksam machen, die maximal 5 von 10.000 Menschen betreffen. Weltweit gibt es etwa 8.000 Rare Diseases. 80 Prozent davon sind genetisch bedingt und gelten als chronisch oder lebensbedrohlich. Laut Hochrechnungen werden insgesamt 6-8 Prozent der Gesamtbevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer seltenen Erkrankung betroffen sein.
Die Betroffenen machen oft einen wahren Leidensweg durch und hoffen auf lebensrettende oder zumindest lebensverändernde Therapien. „Deshalb ist pharmazeutische Forschung gerade im Bereich der Rare Diseases unverzichtbar“, betont Bernhard Ecker, Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich. „Und gar nicht so selten gelingt es, Menschen mit einer seltenen Erkrankung neue Perspektiven zu geben.“
Auf dem Gipfel des Olymps
Rund 400.000 Menschen leben in Österreich mit einer seltenen Erkrankung – das entspricht der Bevölkerung von ganz Vorarlberg. In Deutschland sind etwa 4 Millionen Menschen von einer seltenen Erkrankung betroffen, in der Europäischen Union 30 Millionen. Umso schöner ist es zu sehen, dass von einer seltenen schwerwiegenden Krankheit betroffene Menschen oftmals sehr viel Lebensmut beweisen und richtige Vorbilder sein können. Zwei von ihnen haben es im vergangenen Jahr vorgemacht und bei den Paralympics Gold gewonnen. Auch mit einer seltenen Erkrankung kann man viel erreichen!
Eine seltene Erkrankung – was heißt das?
Zum Großteil handelt es sich bei seltene Erkrankungen um genetische Erkrankungen, die bereits im Kindesalter Symptome verursachen, chronisch verlaufen und mit deutlichen Beeinträchtigungen von Lebensqualität und Lebenserwartung einhergehen. Ihre Symptome sind oft schwer zu deuten, besonders zu Beginn. „Diagnostik und Therapie stellen daher häufig eine große Herausforderung dar. Dementsprechend dauert es im Schnitt fünf Jahre – in einigen Fällen sogar bis zu 30 Jahre –, bis eine seltene Erkrankung diagnostiziert wird“, erklärt Dr. Birgit Hutz, Geschäftsführerin der PTC Therapeutics Deutschland. Und oft ist der korrekten Diagnosestellung auch eine wahre Odyssee von Arzt zu Arzt vorausgegangen.
Für betroffene Familien ist es meist ein Schock, wenn sie beispielsweise für ihren Kinder die Diagnose Duchenne-Muskeldystrophie [DMD] erhalten. Dabei handelt es sich um eine seltene, stetig fortschreitende und lebensverkürzende Erbkrankheit, bei der zunehmend Muskulatur des Bewegungsapparates, dann auch Atem- und Herzmuskulatur abgebaut wird.
Ja zum Leben – trotz seltener Erkrankung!
Trotz der häufig massiven krankheitsbedingten Einschränkungen zeigen Menschen mit DMD oder einer anderen seltenen Erkrankung oft eine außerordentlich lebensbejahende Haltung und ausgeprägten Lebensmut. Damit können sie Vorbilder für alle sein. Glänzendes Beispiel hierfür sind die beiden ersten Goldmedaillengewinner mit DMD bei den Paralympics: 2021 gewannen in Tokyo der 27-jährige Schwede Philip Jönsson im Luftgewehrschießen und der 24-jährige Adam Peska aus Tschechien im Einzel-Boccia Olympisches Gold. Damit haben die beiden jungen Männer eindrücklich gezeigt, was sich alles mit Lebensmut und Durchsetzungswillen erreichen lässt – selbst mit einer so schweren Erkrankung wie DMD.
„Es muss aber nicht jeder gleich bei den Paralympics gewinnen. Familien sollten keinesfalls den Mut verlieren, wenn sie die Diagnose einer seltenen Erkrankung erhalten. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die das Leben für Betroffene [er-]lebenswert machen und ihnen eine eigene Lebensgestaltung ermöglichen“, sagt Kristina Kempf, Senior Marketing Direktorin der PTC Therapeutics Deutschland. „Eine besondere Rolle spielen dabei soziale Netzwerke. In der Gemeinschaft Gleichgesinnter lässt sich das Leben mit der Krankheit leichter bewältigen. Starke Netzwerke helfen über schwierige Phasen hinweg und bringen oftmals neue Ideen: Rollstuhlsport, Mütter-Workshops, Vater-Sohn-Wochenenden und viele andere mehr.“
Verständnis bringt Möglichkeiten
Daneben braucht es vor allem auch Information für die breite Öffentlichkeit. Denn mit Verständnis für seltene Erkrankungen und die Betroffenen gelingt es leichter, für sie und ihre Familien bessere Möglichkeiten im alltäglichen Leben zu schaffen – auch in Hinblick auf Bildung und Arbeitsleben sowie Versorgung und Assistenz. Damit wird viel eher ein selbstbestimmtes Leben möglich – und das nicht nur im Augenblick des Medaillengewinns bei den Paralympics. Das Leben kann auch so voller Höhepunkte sein!
Für all das setzt sich beispielsweise PTC Therapeutics ein und betreibt darüber hinaus seit Langem intensive Forschung zu seltenen Erkrankungen und möglichen Therapien. Die seltene Erbkrankheit Aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase [AADC]-Mangel stellt dabei einen weiteren Forschungsschwerpunkt dar.
Beim AADC-Mangel handelt es sich um eine Erkrankung des Zentralnervensystems, die sich bei den betroffenen Kindern meist mit verminderter Muskelstärke und Muskelspannung [Muskelhypotonie], Bewegungsstörungen, unwillkürlichen Augenbewegungen, Entwicklungsverzögerungen sowie unterschiedlichen weiteren Störungen [wie zum Beispiel exzessives Schwitzen und verstopfte Nase] zeigt. Diese Erkrankung ist, wie viele seltene Erkrankungen, lebensbedrohlich, aber es gibt oft nur wenige oder gar keine Behandlungsmöglichkeiten für die Patient•innen.
Pharmazeutische Forschung gerade bei seltenen Erkrankungen unverzichtbar: Hoffnung für tausende Betroffene
Gerade was die Therapie und Behandlungsmöglichkeiten von seltenen Erkrankungen betrifft, kommt der pharmazeutischen Forschung eine besondere Rolle zu. So stehen immer mehr Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen zur Verfügung und verdeutlichen das Engagement der pharmazeutischen Industrie für Betroffene. „An die 200 Medikamente zur Behandlung von seltenen Erkrankungen stehen derzeit Patientinnen und Patienten in der Europäischen Union zur Verfügung. 130 davon mit aktivem Orphan Drug-Status“, informiert Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog.
Drei Beispiele, die stellvertretend für viele stehen
Lungenhochdruck
Arterieller Lungenhochdruck [medizinisch: pulmonal arterielle Hypertonie – PAH] ist eine seltene Herz-Lungen-Erkrankung, die unbehandelt vergleichbar schnell tödlich verlaufen kann wie eine fortgeschrittene Krebserkrankung. Etwa 500 Menschen sind in Österreich davon betroffen. Bei PAH verengen und verdicken sich die Blutgefäße in der Lunge immer mehr. Die Folge: Die Patient•innen erschöpfen schnell, sind weniger leistungsfähig und leiden an Luftnot – in einem fortgeschrittenen Stadium selbst bei geringster körperlicher Betätigung.
PAH ist zwar immer noch nicht heilbar, aber es stehen inzwischen – anders als vor 20 Jahren – verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, um den Verlauf zu verbessern und Lebensqualität zu erhöhen. „Wesentlich ist allerdings eine frühzeitige Diagnose, um eine längere Überlebenszeit zu ermöglichen„, sagt Dr. Holger Bartz, Medical Director Janssen Austria.
Rare Diseases mit genetischen Ursachen
80 Prozent der Rare Diseases sind auf genetische Defekte zurückzuführen, dazu zählen etwa auch spinaler Muskelschwund [SMA] oder erbliche Netzhaut-Erkrankungen. Erblich bedingte Netzhauterkrankungen treten meist schon im Kindesalter auf und können unbehandelt die völlige Erblindung der Betroffenen zur Folge haben. Ebenfalls schon bei Kleinkindern wird Spinale Muskelatrophie [SMA] diagnostiziert.
SMA ist eine schwerwiegende Krankheit, die zu fortschreitender Muskelschwäche, Lähmung und [wenn sie in ihrer schwersten Form (Typ 1) unbehandelt bleibt] zum Tod führt. Sie wird durch das Fehlen eines funktionsfähigen Survival Motor Neuron Gens [SMN1] verursacht, was zu einem raschen und irreversiblen Verlust von Motoneuronen führt und alle Muskelfunktionen einschließlich Atmung, Schlucken und Grundbewegungen beeinträchtigt. „Gerade bei solchen monogenetischen Erkrankungen können Gentherapien eine neue Therapieoption für Betroffene darstellen“, beschreibt Shirley Gil Parrado von Novartis Österreich.
Wie Gentherapie wirkt, sehen sie HIER:
ANCA-assoziierte Vaskulitis
Ebenfalls folgenschwer ist ANCA-assoziierte Vaskulitis [AAV] für Patient•innen. AAV ist eine seltene, schwere Erkrankung, die kleine Blutgefäße betrifft und sich damit auf verschiedene Bereiche des Körpers auswirkt. Mitunter können neun unterschiedliche Organe und Körperteile in Mitleidenschaft gezogen werden. Erkrankte haben ein 7-mal höheres Infektionsrisiko, ein 8-mal höheres Osteoporose-Risiko und ein um 65 Prozent erhöhtes Risiko von Herz-Kreislaufschädigungen. Außerdem bekommen 26 Prozent der Patient•innen nach drei Jahren schwerwiegende Nierenleiden.
Das wirkt sich unweigerlich auf die Lebenssituation und Lebensqualität aus. Immerhin 20 Prozent der AAV-Patient•innen im arbeitsfähigen Alter wurden aufgrund ihrer Erkrankung arbeitslos. Auch hier konnte Arzneimittelforschung helfen: „In der Regel wird Patient•innen eine Kombination von Therapien zur Behandlung ihrer AAV verordnet. Alle diese Therapien reduzieren die Aktivität des Immunsystems, um die Entzündung zu vermindern und die mit der AAV verbundenen Schäden aufzuhalten„, so Patricia Tschabitscher von Vifor Pharma.
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