Wenn Medikamente ungünstig kombiniert oder zu hoch dosiert werden, treten oftmals unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen auf. Das kann soweit führen, dass eine Wiederaufnahme ins Krankenhaus notwendig ist. Um Patientinnen und Patienten maßgeschneiderte Arzneimitteltherapien, abgestimmt auf deren individuelle Gegebenheiten zu ermöglichen, wurde an der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie von AKH Wien und MedUni Wien die österreichweit erste Spezialambulanz für Arzneimitteltherapie und Interaktion eingerichtet.
Medikationsanalyse für optimale Arzneimittel in der richtigen Dosis
Besonders bei Patientinnen und Patienten, bei denen gleichzeitig mehrere Krankheiten bestehen und die Einnahme verschiedener Medikamente notwendig ist, sowie bei jenen mit einer eingeschränkten Organfunktion wie beispielsweise einer Niereninsuffizienz können rasch unerwünschte Wechsel- oder Nebenwirkungen von Medikamenten eintreten.
„Medikamente helfen Patientinnen und Patienten, Krankheiten zu heilen, Schmerzen zu lindern oder die Verschlimmerung einer Erkrankung zu vermeiden. Sie können aber auch rasch zum Stolperstein im Behandlungserfolg werden“, so Martina Anditsch, pharmazeutische Leiterin der Spezialambulanz für Arzneimitteltherapie und Interaktion sowie Leiterin der Anstaltsapotheke im AKH Wien. Eine umfassende und individuelle Medikationsanalyse ermöglicht, dass die optimalen Arzneimittel in der richtigen Dosis angewendet werden.
Wirkung, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen – alles eine Frage der Dosis und der Kombination
Auf Basis von Labordaten und eines Patient•innengesprächs werden an der Spezialambulanz Interaktionen von Medikamenten und deren Wirkungen genau analysiert und eine maßgeschneiderte Arzneimitteltherapie erstellt. So kann beispielsweise ein anderer Wirkstoff für die Patientin bzw. den Patienten verträglicher sein oder die Anpassung der Dosis Nebenwirkungen und Wechselwirkungen reduzieren. Auch der Wechsel auf eine andere Einnahmeform kann zur Verbesserung für Patientinnen und Patienten beitragen. Wichtig ist auch, dass die Patientinnen und Patienten über die Wirkstoffe und wie sie diese einzunehmen haben, informiert werden, insbesondere wenn Medikamente regelmäßig über einen längeren Zeitraum hinweg eingenommen werden müssen.
An der Spezialambulanz für Arzneimitteltherapie und Interaktion arbeiten Expertinnen und Experten aus der Medizin und der Klinischen Pharmazie interdisziplinär zusammen und stehen nicht nur den Patientinnen und Patienten, sondern auch den Behandlungsteams der Universitätskliniken von AKH Wien und MedUni Wien mit spezifischem Fachwissen rund um das Thema Arzneimittel zur Verfügung. Die Behandlungsteams können sich in der Spezialambulanz rasch und niederschwellig eine zweite Meinung zur geplanten Arzneimitteltherapie einer Patientin bzw. eines Patienten einholen.
Zweitmeinung von der Spezialambulanz
Seit Kurzem stehen die Leistungen der Spezialambulanz für Arzneimitteltherapie und Interaktion nicht nur stationären und ambulanten Patientinnen und Patienten des Universitätsklinikums AKH Wien zur Verfügung, sondern auch Patientinnen und Patienten von außerhalb. „Wenn sich bei Patient•innen Probleme mit der Medikation zeigen oder Wirkungen auftreten, von denen unklar ist, woher diese kommen, können sich Zuweiser•innen wie beispielsweise Hausärzt•innen eine Zweitmeinung über die Spezialambulanz einholen“, so Anditsch.
Sicherheit als roter Faden in der Arzneimittelentwicklung
Die Herstellung von Arzneimitteln unterliegt strengen medizinischen und regulatorischen Vorgaben, um die Sicherheit aller, die sie einnehmen oder anwenden, zu gewährleisten. „Der Sicherheitsaspekt eines Arzneimittels hat stets oberste Priorität und zieht sich durch den gesamten Prozess der Entwicklung. Ein Medikament durchläuft von der ersten klinischen Phase bis hin zur behördlichen Zulassung mehrere und genauestens festgelegte Prüfungsschritte und wird auch danach weiterhin systematisch überwacht. Denn was Patientinnen und Patienten zur Verfügung gestellt wird, muss sicher sein“, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig*.
Arzneimittel werden nur dann behördlich zugelassen, wenn ihr Nutzen die Risiken der Anwendung übersteigt. Dies wird vor der Zulassung mittels klinischer Studien ermittelt. Dabei geht es darum, die Wirksamkeit und Verträglichkeit neuer Behandlungsformen nachzuweisen und die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Jede klinische Prüfung in Österreich muss vorab vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen genehmigt werden.
Medikamente werden auch nach der Zulassung kontinuierlich überprüft
Einmal zugelassen und in der Versorgung angelangt, ist die Überwachung eines Arzneimittels aber nicht zu Ende. Vielmehr wird dessen Sicherheit im Rahmen des sogenannten Pharmakovigilanz-Systems überwacht. Das Nutzen-Risiko-Profil eines Arzneimittels wird vor allem durch die Auswertung von etwaigen Nebenwirkungsmeldungen und Sicherheitsdaten aus Studien, Registern und anderen organisierten Datenerhebungen, die nach der Zulassung stattfinden, kontinuierlich überprüft. Denn auch nach der Zulassung können neue Erkenntnisse gewonnen werden, die zu einem neuen Nutzen-Risiko-Profil des Arzneimittels führen.
Dazu Herzog: „Leiden Patientinnen und Patienten unter verschiedenen Krankheiten, nehmen sie möglicherweise mehrere und unterschiedliche Medikamente ein. Da Arzneimittel eine besondere Wirkung auf die Gesundheit haben, ist es daher gut, wichtig und richtig, dass deren Überwachung so lange andauert, wie diese Arzneimittel verfügbar sind. Denn die Sicherheit der Patientinnen und Patienten geht immer vor, gerade bei so heiklen Produkten wie Arzneimitteln.“
*Über die Pharmig
Die Pharmig ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband ca. 120 Mitglieder [Stand September 2022], die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die Pharmig und ihre Mitgliedsfirmen sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt.
(Bilder: AdobeStock (2x), MedUni Wien)