„Mich trifft der Schlag“ – ein Ausdruck, der im Volksmund oft leichtfertig verwendet wird, ist für rund 19.000 Österreicherinnen und Österreicher jährlich erschreckende Realität. Der Schlaganfall ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Österreich. Schockierenderweise erleidet jede•r Vierte im Laufe seines Lebens einen leichteren oder schwereren Schlaganfall.
Selbst wenn es nicht zum Tod kommt, hinterlassen Schlaganfälle oft massive neurologische Beeinträchtigungen. Die Schwere dieser Defizite hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Schnelligkeit der Akuttherapie – hier gilt das Motto „Time is Brain“ – sowie von der Stelle im Gehirn, wo der Schlaganfall auftritt. In letzter Zeit gab es im Bereich der Behandlung bemerkenswerte Fortschritte, die neue Hoffnung für Betroffene bringen.
FitForBrainRun als Auftakt zum Welt-Schlaganfalltag
Der Schlüssel zur wirksamen Behandlung umfasst Prävention, Akutbehandlung, Nachsorge und Rehabilitation. Um Todesfälle oder schwere Behinderungen durch einen Schlaganfall zu verhindern, ist das Wichtigste, den Schlaganfall zu erkennen, damit der bzw. die Patient•in rasch auf eine Schlaganfallspezialeinheit gebracht werden kann.
Der „FitForBrainRun“ im Wiener Prater, eine gemeinsame Initiative der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft mit dem LCC Wien [Lauf und ConditionsClub Wien], soll – sozusagen als Auftakt zum Welt-Schlaganfalltag am 29. Oktober – Aufmerksamkeit für die Erkrankung schaffen. „Es geht aber vor allem darum, für die Primärprävention des Schlaganfalles zu sensibilisieren“, erklärt Prim.a Priv.-Doz.in Dr.in Julia Ferrari, Präsidentin der Österreichischen Schlaganfallgesellschaft, Präsidentin elect Österreichische Gesellschaft für Neurologie [ÖGN] und Leiterin der Abteilung für Neurologie, Neurologische Rehabilitation und Akutgeriatrie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien.
Bahnbrechende Akutbehandlung mittels neuen Medikaments nach erfolgtem Schlaganfall
„Das Thrombolytikum Tenecteplase wurde nun auch zur Behandlung des akuten ischämischen Schlaganfalls zugelassen“, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Jörg Weber, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie [ÖGN] und Abteilungsvorstand der Neurologie im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee.
„Besonders vorteilhaft ist, dass es schnell und einfach mittels einmaliger Injektion verabreicht werden kann, was bei der Notfallversorgung entscheidend ist, da vor allem bei Patientinnen und Patienten mit großen Gefäßverschlüssen ein unmittelbarer Transport in ein spezialisiertes Krankenhaus bzw. ein endovaskuläres Zentrum erfolgen muss“, so Prof. Weber.
Neue Schlaganfalltherapien: Schnelle Hilfe jetzt bis zu 24 Stunden nach dem Schlaganfall möglich
Im Bereich der rekanalisierenden Therapien [Thrombolyse und endovaskulären Therapie] hat sich das Indikationsspektrum enorm erweitert. Das Zeitfenster für die Anwendung rekanalisierender Therapien konnte mit entsprechender Diagnostik mittlerweile von zuvor 4,5 Stunden auf bis zu 9 Stunden bei der Thrombolyse und von zuvor 6 Stunden auf bis zu 24 Stunden bei der endovaskulären Therapie erweitert werden.
Die endovaskuläre Therapie kann außerdem auch bei Patient•innen mit bereits ausgedehnten Infarkten noch von Nutzen sein und schwerste Beeinträchtigungen zum Teil verhindern, dies konnte zumindest im 6h-Zeitfenster in 5 von 6 großen randomisierten Studien gezeigt werden.
Weiterer bahnbrechender Durchbruch mittels „Stroke Card“: Neue Nachsorge senkt Schlaganfall-Risiko um 35 Prozent und verbessert Lebensqualität spürbar
Rund 30 Prozent aller Patient•innen werden innerhalb des ersten Jahres nach erfolgtem Schlaganfall wieder stationär aufgenommen, einerseits aufgrund eines neuerlichen vaskulären Ereignisses, andererseits aber auch aufgrund anderer Folgen des Schlaganfalls wie zum Beispiel Stürzen, epileptischen Anfällen, Depressionen oder Inkontinenz. Daher ist es von immenser Bedeutung, sowohl die Patient•innen als auch die Angehörigen nach einem Schlaganfall zu begleiten, um möglichen Komplikationen vorzubeugen.
Einen Durchbruch brachte hier die „Stroke Card“-Studie, die in Innsbruck und Wien durchgeführt wurde und zeigen konnte, dass ein strukturiertes Nachsorgekonzept mit einer einmaligen Kontrolle nach drei Monaten durch ein multidisziplinäres Team zu einer 35-%igen Risikoreduktion von vaskulären Rezidivereignissen im ersten Jahr nach Schlaganfall und zu einer deutlich verbesserten Lebensqualität führen kann. Ziel ist, die strukturierte Schlaganfallnachsorge flächendeckend in Österreich zu etablieren.
Dringende Hilfe bei intrazerebralen Blutungen: Neuer Durchbruch im „Bundle of Care“ verbessert Überlebenschancen!
Einen weiteren großen Durchbruch gab es rezent auch bei der intrazerebralen Blutung, einer Schlaganfallform mit besonders schlechtem Outcome, die rund 15 Prozent aller Schlaganfälle ausmacht. Auch hier gilt „Time is Brain“, da jede Minute zählt. Das sogenannte Bundle of Care führt zu einer verringerten Ausdehnung der Blutung und zu einem verbesserten funktionellen Outcome dieser Patient•innen. Es handelt sich hierbei um eine kombinierte Behandlung des Blutdrucks, Fiebersenkung im Bedarf, Blutzuckereinstellung und gegebenenfalls Antagonisierung bei Einnahme gerinnungshemmender Medikamente innerhalb einer Stunde [der sogenannten Golden Hour] nach Aufnahme des Patienten bzw. der Patientin mit intrazerebraler Blutung.
Schlaganfallbehandlung: Jede Sekunde zählt – für Patient•innen und Angehörige!
„Time is Brain“ trifft also auf alle Aspekte der Akuttherapie – sowohl des ischämischen Schlaganfalls als auch der intrazerebralen Blutung zu. Dies beginnt beim Erkennen von Schlaganfallsymptomen über die rasche Aktivierung der Rettungskette, die Akutdiagnostik und -therapie im versorgenden Krankenhaus und reicht bis zur frühzeitigen, multidisziplinären Schlaganfallnachsorge und Rehabilitation. Der Schlaganfall betrifft fast nie einen Menschen allein! Nicht nur die Patient•innen, sondern auch deren Angehörige müssen mit den Folgen eines Schlaganfalls leben.
(Bilder: AdobeStock, Österreichische Schlaganfall-Gesellschaft, AdobeStock)