Laut WorldCancerDay.org sterben jedes Jahr mehr als 10 Millionen Menschen weltweit an Krebs. Bis 2030, so schätzen ExpertInnen, wird die Zahl 13 Millionen erreichen. In diesem Sinn ist das Motto „Together all our actions matter“ wichtiger denn je.
Allein in Österreich erkranken jährlich 40.000 Menschen an Krebs. Nach Herz-Kreislauferkrankungen ist Krebs die zweithäufigste Todesursache sowohl für Frauen als auch Männer [lt. Statistik Austria 20.000 Menschen im Jahr 2017]. Vor allem ältere Menschen sind von diesen Erkrankungen betroffen – Krebs tritt im Alter häufiger auf und die schweren Krankheitsverläufe sind belastender. Eine regelmäßige und umfassende Gesundheitsvorsorge trägt dazu bei, eine Erkrankung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Vorsorge ist «immer» wichtig, egal in welchem Alter man ist
Die [Gesundheits-]Vorsorge ist in jedem Lebensabschnitt wichtig, auch im Alter. In diesem Zusammenhang kritisiert Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec „blinde Flecken“ bei den Angeboten für ältere Menschen. Etwa, dass Frauen ab 70 keine automatische Einladung zur Früherkennungs-Mammografie bekommen, Brustkrebsuntersuchungen ab 75 nur mehr bei Schmerzen und Verdacht von der Krankenkassa bezahlt werden und älteren Menschen viele Kassenleistungen bei der Krebsrehabilitation verwehrt bleiben.
„Das ist sehr kurzsichtig, da sie auf diese Art und Weise die Bemühungen von SeniorInnen torpedieren, von sich aus gesund zu bleiben, was dem System in weiterer Folge Behandlungs- und Pflegekosten sparen würde. Denn für ein gesundes Leben ist man nie zu alt!,“ so Korosec. Sie fordert sowohl eine Abschaffung der Altersgrenzen bei Kassenleistungen als auch eine Ausweitung der Rehabiliationsangebote für ältere Menschen.
Together all our actions matter
Laut Statistik Austria sinkt seit rund zwei Jahrzehnten die Zahl der Menschen, die in Österreich jährlich an Krebs versterben. Obwohl, wie erwähnt, bei älteren Menschen noch Luft nach oben ist, sind die Gründe dafür eine frühere Diagnosestellung und Verbesserungen in der Therapie. Laut den KrebsexpertInnen von MedUni Wien und AKH Wien hat die Weiterentwicklung der sogenannten „Präzisionsmedizin“ einen wesentlichen Anteil an diesem Trend.
Der Begriff „Präzisionsmedizin“ umfasst eine Reihe von Verfahren, die von der molekularbiologischen Analyse des Krebsgewebes über die Weiterentwicklung in der Bildgebung bis zur digitalen Analyse der Daten mittels „machine learning“ reicht und zur Therapieentscheidung beitragen. Um PatientInnen weiterhin am aktuellsten Stand der Forschung behandeln zu können, errichtet die MedUni Wien ein neues Zentrum für Präzisionsmedizin.
OnkologInnen in Österreich, aber auch weltweit, arbeiten intensiv an der Weiterentwicklung von Strategien, die zu einer besseren Behandlung von Krebs und letztlich auch zur Heilung der Erkrankung führen können.
Präzisionsmedizin mit maßgeschneiderten Behandlungskonzepten
Bei der Präzisionsmedizin wird versucht, maßgeschneiderte Behandlungskonzepte zu entwickeln, die auf spezielle und individuelle Merkmale der Tumoren eingehen. Das reicht von der Analyse der spezifischen Mutationen in der Krebszelle über die Nutzung von „Big Data“ in der Auswertung von Ergebnissen der Bildgebung bis hin zur Möglichkeit, chirurgische oder radiotherapeutische Eingriffe exakt auf individuelle anatomische oder physiologische Gegebenheiten abzustimmen oder individuell optimierte Nachsorgekonzepte zu erstellen.
Joachim Widder, Leiter der Universitätsklink für Radiotherapie von MedUni Wien und AKH Wien und Leiter des Comprehensive Cancer Center [CCC] der beiden Institutionen, sagt anlässlich des Weltkrebstags dazu: „Die Fortschritte in der maßgeschneiderten Therapie, ob auf molekularbiologischer oder technologischer Ebene, bedeuten in vielen Fällen direkte Vorteile für PatientInnen: längeres Leben mit weniger Beschwerden und verbesserter Lebensqualität. Präzisionsmedizinische Konzepte sind daher aus Diagnose und Behandlung von Krebs, aber auch von anderen Erkrankungen, heute nicht mehr wegzudenken.“
Onkologie als Wegbereiter
Die Onkologie fungiert dabei als Wegbereiter für viele Bereiche der Medizin. Gut sichtbar wurde dies am Beispiel der mRNA-Impfung, die gegen Covid-19 entwickelt wurde. mRNA steht schon seit einigen Jahrzehnten im Fokus der KrebsforscherInnen, weil sie einen vergleichsweise kurzlebigen Bauplan darstellt, nach dem in der Zelle Eiweißmoleküle hergestellt werden. Selbst genetisch fremde Baupläne können in die Zelle eingeschleust und in Proteine umgesetzt werden.
Da das Immunsystem auf fremde Eiweißstrukturen auf der Zelloberfläche, sogenannte Antigene, reagiert, arbeiten KrebsforscherInnen daran, Baupläne für Tumorantigene zum Beispiel in dendritische Zellen einzubringen. Diese sind dafür zuständig, dem Immunsystem die Antigene zu präsentieren, gegen die es sich richten soll. Damit soll eine Immunantwort gegen die Tumorzellen ausgelöst werden. Das Prinzip wurde dann auf die Covid-19 Impfung „umgelegt“, die daher so besonders rasch und effizient realisierbar wurde.
Linderung der Nebenwirkungen der Antikörpertherapie
Auch an der MedUni Wien gibt es Beispiele für die erfolgreiche Entwicklung präzisionsmedizinischer Konzepte, die internationale Beachtung finden.
So konnten ForscherInnen der MedUni Wien [Forschungsgruppe Maria Sibilia vom Institut für Krebsforschung und CCC] die Ursachen für die belastende, entzündliche Hauterkrankung klären, die als Nebenwirkung bei der Blockade des EGF-Rezeptors auftritt. Diese Therapie wird erfolgreich eingesetzt, um die Zellteilung von Krebszellen und somit das Tumorwachstum zu unterbinden. Die ForscherInnen fanden auf der Basis der Studienergebnisse auch einen Weg, diese Nebenwirkungen zu verhindern.
Die Studie wurde Ende 2019 im Top-Journal „Science Translational Medicine“ publiziert. Der Erstautor der Studie, Thomas Bauer, wurde erst kürzlich dafür mit dem Wissenschaftspreis 2020 der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie ausgezeichnet.
Individuelle Therapie beim Gebärmutterhalskrebs
Ein weiteres Beispiel für Entwicklungen auf Basis von Präzisionsmedizin im Rahmen des CCC ist eine Weiterentwicklung einer speziellen Strahlentherapie, der bildgesteuerten adaptiven Brachytherapie beim Gebärmutterhalskrebs, die zu einer Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle um 15 Prozent führte [das heißt, dass bei 92 Prozent der Betroffenen auch fünf Jahre nach der Behandlung kein Tumor mehr im Bereich der Gebärmutter nachgewiesen werden konnte]. Die Ergebnisse wurden im Rahmen der internationalen, multizentrischen EMBRACE I-Studie gewonnen, die unter der Leitung einer Arbeitsgruppe der Universitätsklinik für Radioonkologie von MedUni Wien und AKH Wien durchgeführt wird.
Die WissenschafterInnen setzen ein Bildgebungverfahren [MRT] ein, das die individuelle hochpräzise Anpassung hoher Strahlendosen an Tumor und seine Umgebung und damit individualisierte und zielgerichtete Behandlung ermöglicht. Die Arbeit erscheint im Topjournal Lancet Oncology.
Zentrum für Präzisionsmedizin [zpm]
Um weitere Erfolge wie diese auch künftig zu fördern, errichtet die MedUni Wien das Zentrum für Präzisionsmedizin, dessen Errichtung für das Jahr 2022 geplant ist. Der Fokus des neuen Zentrums liegt insbesondere auf biomedizinischer Forschung, klinischen Studien, Genom-Technologie, Bioinformatik und IT. Die unmittelbare Nähe zum Universitätsklinikum AKH Wien bringt einen wesentlichen Vorteil für PatientInnen: Klinisch tätige ÄrztInnen und GrundlagenforscherInnen erarbeiten in enger Kooperation und räumlicher Nähe neueste Erkenntnisse, wodurch PatientInnen am aktuellsten Stand der Medizin behandelt werden können.
Verstärkung psychologischer Begleitung von KrebspatientInnen
„Eine Krebsdiagnose stellt für die Betroffenen ein krisenhaftes Ereignis dar, das mit vielfältigen Belastungen wie körperlichen Beschwerden und Ängsten, sinkender Lebensqualität und dergleichen, einhergeht. Rund 25 bis 30 Prozent aller KrebspatientInnen entwickeln zusätzlich eine behandlungsbedürftige psychische Störung, die auch den Krankheitsverlauf negativ beeinflusst. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie ist die Situation der KrebspatientInnen besonders ernst zu nehmen, da diese zur Hochrisikogruppe im Zusammenhang mit Covid-19 gehören und dieser Umstand eine zusätzliche Belastung darstellt. Daher ist es geboten, die psychoonkologische Versorgung verstärkt in den Fokus zu nehmen,“ erklärt Gesundheitsminister Rudolf Anschober.
Von Seiten des Gesundheitsressorts wurden am Gebiet der Psychoonkologie in der letzten Zeit bereits wesentliche Maßnahmen gesetzt. Es wurde eine Bestandserhebung zur psychoonkologischen Versorgung in Österreich durchgeführt – denn speziell für die Planung der psychoonkologischen Versorgung ist es notwendig, den Behandlungsbedarf sowie das tatsächliche Betreuungsangebot zu kennen.
„Wir arbeiten auch mit vollem Einsatz an der Umsetzung des Krebsrahmenprogramms. 2021 wird ein Schwerpunkt auf Maßnahmen zur krebsspezifischen Gesundheitskompetenz gesetzt. Die Qualität von Gesundheitsinformation und –kommunikation ist enorm wichtig für persönliche Entscheidungen bezüglich der Inanspruchnahme von Vorsorge-Untersuchungen, aber auch hinsichtlich Behandlungsentscheidungen und der aktiven Mitwirkung an einer Krebstherapie„.
„Auch, wenn Corona im Gesundheitsbereich derzeit das dominierende Thema ist: Krebserkrankungen sind für etwa ein Viertel der jährlichen Todesfälle verantwortlich. Daher braucht es Engagement und Initiative, um dazu beizutragen, diese Zahlen zu senken,“ so der Gesundheitsminister abschließend.
Together All Our Actions Matter
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(Bilder v.o.n.u.: Union for International Cancer Control, Pixabay.com (2x), MedUni Wien)