Manchmal passieren noch Wunder: Eigentlich teilte die Amerikanerin Kitty O’Meara das Gedicht „Und die Menschen blieben zu Hause“ im März 2020 lediglich auf ihrer privaten Facebook-Seite. Was dann passierte, hätte sie sich niemals träumen lassen, denn innerhalb kürzester Zeit wurden ihre Zeilen von Millionen begeisterten Menschen weltweit geteilt.
Das Gedicht wurde durch soziale Medien, Nachrichten und einflussreiche Persönlichkeiten wie Deepak Chopra, Lindsey Lohan und Kate Winslet weit verbreitet, und „O, The Oprah Magazine“ bezeichnete O’Meara sogar als „Poesie-Preisträgerin der Pandemie„. Wir haben uns auf „Spurensuche“ begeben, was hinter dieser Geschichte steht und mit der Autorin gesprochen.
Ermutigende Worte in herausfordernden Zeiten
In einer Zeit, in der sich ein Großteil der Menschheit hilflos dem Corona-Virus ausgeliefert fühlt, werden O’Mearas Zeilen dringend gebraucht. Sie ermutigen uns dazu, überholte Denkmuster loszulassen, neue Lebensweisen zu erschaffen und dadurch mehr und mehr im Einklang mit uns selbst und unserer Umwelt zu leben. Zentrale Themen des Buches sind die Kraft der Kunst in schwierigen Zeiten und die große Bedeutung von Umweltschutz für uns und unseren Planeten.
In den letzten Monaten gab es zahlreiche Fehlinformationen über die Urheberschaft des Gedichts. Es wurde zum Beispiel vermutet, es stamme aus der Zeit der Pest. Verbreitet war auch die Annahme, Kitty O’Meara sei Kathleen O’Meara [1839 – 1888], eine irisch-französischen Schriftstellerin, die auch unter dem Künstlernamen Grace Ramsay bekannt war.
Besonders bemerkenswert war der Dominoeffekt, den das Gedicht in Bezug auf die Entstehung zahlreicher neuer Kunstwerke hatte, darunter Kurzfilme, Lieder, Musikvideos, Tänze, Kompositionen und vieles mehr. Zu den vielen Höhepunkten zählt ein Musiksolo des Komponisten John Corigliano, das von Renée Fleming in der Online-Veranstaltung „We Are Here“ uraufgeführt wurde: ein Fest der Widerstandsfähigkeit und der Hoffnung.
Hoffnung und Zuversicht oder: „Und die Menschen blieben zu Hause“
„Die Resonanz ist überwältigend„, sagt O’Meara, pensionierte Lehrerin und Seelsorgerin. Sie hat seit frühester Kindheit voller Leidenschaft geschrieben, war vor der Komplexität der Buchbranche aber immer zurückgeschreckt. Jetzt plötzlich schenkt eines ihrer Gedichte unzähligen Menschen auf der ganzen Welt in dieser schwierigen Zeit Hoffnung und Zuversicht.
O’Meara lebt zusammen mit ihrem Ehemann Phillip Hagedorn im amerikanischen Wisconsin, die beiden haben fünf Hunde und drei Katzen. „Und die Menschen blieben zu Hause“ ist ihr erstes gedrucktes Buch. O’Meara hat im Laufe ihres Lebens als Lehrerin, Seelsorgerin im Krankenhaus, Werbetexterin und Redakteurin gearbeitet.
Jetzt erscheint ihr Gedicht als eindrucksvolles Bilderbuch für Kinder und Erwachsene, illustriert von den preisgekrönten Illustratoren Stefano Di Cristofaro und Paul Pereda. Die Botschaft des Buches ist zeitlos, denn es geht um das Potenzial von Krisen für uns Menschen.
Oder wie Jim Carrey einmal gesagt hat: „When I say life doesn’t happen to you, it happens for you, I really don’t know if that’s true. I’m just making a conscious choice to perceive challenges as something beneficial so that I can deal with them in the most productive way.“ [„Wenn ich sage, dass alles im Leben zu deinem Besten geschieht, dann weiß ich wirklich nicht, ob das stimmt. Ich treffe damit nur eine bewusste Entscheidung, Herausforderungen anzunehmen und auf eine produktive Weise zu bewältigen.“]
Das Buch richtet sich sowohl an Kinder als auch an Erwachsene und fordert uns auf, die derzeitige Situation zum Wendepunkt für die Menschheit werden zu lassen. Denn wenn wir uns auf uns selber besinnen und auf das, was wirklich wichtig ist, dann können wir gemeinsam Schritt für Schritt eine bessere Welt gestalten. Wir dürfen unserer Trauer und unserer Wut Raum geben, aber nicht dauerhaft resignieren und den Kopf in den Sand stecken. Und die Menschen blieben zu Hause kann uns dabei helfen, den Mut und die Hoffnung nicht zu verlieren.
Sehen sie hier ein paar Impressionen aus dem Buch:
Persönlicher Bezug der Verlegerin zum Buch
Inwieweit man von einer Infektion mit Corona aus der Bahn geworfen werden kann, hat die Verlegerin Marie Franz am eigenen Leib erfahren. Wochenlang litt sie an Erschöpfungszuständen und Schlafstörungen. Ausgerechnet in dieser Zeit arbeitete sie unter Zeitdruck an der deutschen Ausgabe von „Und die Menschen blieben zu Hause“ – in Quarantäne mit ihrem Partner und ihren beiden kleinen Kindern. „In dieser Zeit bin ich öfter an meine Grenze gekommen,“ erzählt sie. „Mein Körper und meine Kinder wollten meine volle Aufmerksamkeit, als Selbstständige konnte ich mich aber nicht krankschreiben lassen und der Erscheinungstermin rückte immer näher. Es war ein richtiges Dilemma.“
Diese Situation eröffnete ihr aber auch die Möglichkeit, die Botschaft des Buches auf Herz und Nieren zu prüfen. „Als es mir wegen Corona überhaupt nicht gut ging, hat mir dieses Gedicht sehr geholfen. In diesen Momenten habe ich mich dafür entschieden, mich auf alles Positive zu konzentrieren und wirklich zu hinterfragen, was meine Prioritäten im Leben sind. Nach einer Erkrankung sieht man die Welt oft mit anderen Augen, alles Unwichtige verliert an Bedeutung und man ist dankbar für vieles, was einem vorher selbstverständlich schien. Diesen Perspektivwechsel versuche ich seitdem beizubehalten.“
Ein Gespräch mit der Autorin Kitty O’Meara
Das Gedicht „Und die Menschen blieben zu Hause“ entstand in der Anfangszeit der Corona- Pandemie. Auch für Kitty O’Meara und ihren Ehemann Phillip wurde das Leben ruhiger. Kitty hatte Zeit, intensiv über die Menschen und unseren Planeten nachzudenken.
Eines Tages schrieb sie ein Gedicht über das, was während der Pandemie und danach passieren könnte. O’Meara beschreibt, wie wichtig es ist, Zeit mit uns selbst und unseren Lieben zu verbringen, aufmerksam zuzuhören und das zu tun, was wir lieben.
Wie kam es dazu, dass sie dieses Gedicht geschrieben haben?
Ich war nervös, weil man noch nicht viel über dieses neue Virus wusste. Ich machte mir Sorgen um meine Familie und meine Freunde, die in Krankenhäusern arbeiten. Ich habe über die Quarantäne nachgedacht und wie uns diese Zeit zu Hause beeinflussen könnte. Und ich habe auch an unseren Planeten gedacht. Die Erde liegt mir sehr am Herzen. Sie ist es, die uns unsere Nahrung, unsere Lebensräume und die Schönheit der Natur schenkt. Wir müssen auf diesen Planeten aufpassen. Wir haben die Erde so lange missachtet, und diese Vernachlässigung hat ihr nicht gutgetan.
Aufgrund der Corona-Pandemie müssen wir alle momentan zu Hause bleiben. Aber ihr Gedicht legt uns nahe, dass uns diese Zeit auch Gutes bringt. Was kann das sein?
Ich glaube, es ist ein guter Moment, um innezuhalten und tief in uns hinein zu hören: was denken und fühlen wir wirklich? Wenn wir Angst haben, traurig, glücklich oder wütend sind, können wir diese Gefühle durch Tanzen ausdrücken, ein Lied komponieren, ein Bild malen, mit unserer Familie sprechen oder ein Theaterstück schreiben. Wir können so vieles tun. Wir haben Zeit geschenkt bekommen und wir können diese Zeit nutzen, um unseren Gefühlen auf den Grund zu gehen, unsere Talente zu entdecken und mehr darüber zu lernen, was uns begeistert. So können wir gegenseitig von unseren Gaben profitieren und sie auch dafür einsetzen, die Erde zu schützen.
Das Virus bringt uns zwar eine Krankheit, aber wir haben die Möglichkeit, uns lebendiger als je zuvor zu fühlen. Wir können uns ausruhen. Wir können uns hinsetzen und den Vögeln zuhören, wir können kreativ werden, etwas Neues lernen, Familiengeschichten miteinander teilen oder einen Blumensamen in die Erde legen und der kleinen Pflanze jeden Tag beim Wachsen zusehen.
Nachdem sie das Gedicht geschrieben haben, hat es sich online rasend schnell verbreitet. Menschen auf der ganzen Welt sind begeistert. Können sie uns ein bisschen mehr darüber erzählen?
Es ist toll, wie Menschen das Gedicht weltweit interpretiert haben – mit Musik, Kunst oder Tanz. Es gibt mein Gedicht jetzt beispielsweise als Ballettstück und als Lied eines italienischen Kinderchores. Zwei Spanier haben sich ge!ilmt, während sie es auf ihrem Dach singen. Ein berühmter Opernstar hat ein Stück geschmettert, das auf meinem Gedicht basiert! Und es wurde bereits in über zwanzig Sprachen übersetzt. Dank dieses Gedichts habe ich neue Freunde aus den verschiedensten Teilen der Welt gewonnen. Am liebsten würde ich sie alle umarmen.
Wie sehen ihre Tage während der Quarantäne aus?
Unsere Vierbeiner wecken uns morgens auf. Wir gehen mit den Hunden spazieren und zelebrieren unsere Zeit miteinander. Mein Mann Phillip geht dann in die Werkstatt, um Möbel zu bauen. Ich schreibe. Außerdem verbringen wir viel Zeit in unseren Gärten.
Deine Vierbeiner sind fünf Hunde aus dem Tierheim und drei Katzen. Wie heißen sie?
Die Hunde hören auf die Namen Gracie, Micky, Marlarky, Dooley und Teagan. Die Katzen heißen Fiona, Murphy [sein Spitzname ist Bunny Bundles] und Fergus. Letzterer ist ein kleiner Streuner, der mir an einem kalten Novembertag nach Hause gefolgt ist.
Wann haben sie mit dem Schreiben angefangen?
Ich schreibe Geschichten, Gedichte und Bücher, seit ich sechs Jahre alt bin. Und ich habe immer gelesen. Meine Eltern haben uns sehr viel vorgelesen. Sobald ich selber lesen konnte, waren meine Aus!lüge in die Stadtbücherei die magischsten Abenteuer im ganzen Universum.
Wie waren sie denn als Kind?
Ich bin sehr gern in die Schule gegangen. Außerdem habe ich sehr viel erfunden. Ich war sportlich und selbstbewusst. Und habe es immer geliebt zu lachen. Ich habe Theaterstücke geschrieben und Regie geführt. Eigentlich habe ich ständig geschrieben. Jeden Sommer durfte ich einen kleinen Garten anlegen. Ich liebte meine Freunde sehr und es war mir schon immer wichtig, freundlich zu sein. Ich habe andere nie gehänselt und ich mag es überhaupt nicht, wenn Menschen andere schikanieren.
Und wie sind sie jetzt?
Ich lerne gern Neues und bin eine gute Freundin. Ich liebe es zu kochen und zu backen und Sahnebonbons und Karamell-Konfekt herzustellen. Ich liebe unseren Planeten und das Leben. Als Künstlerin bin ich nie zufrieden damit, wie die Dinge sind. Ich will immer etwas verändern und Neues erschaffen. Ich schreibe, fotografiere und arbeite im Garten. Am liebsten bin ich mit meinem Mann und unseren Vierbeinern zusammen.
Was würden sie einem Kind raten, das Künstlerin oder Künstler werden möchte?
Mach es! Lese viel und schreibe Tagebuch. Versuche Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und verwende so viele Ausdrucksformen wie möglich. Wie würde ich dieses Thema tanzen? Wie würde es gezeichnet aussehen? Wichtig ist es, nicht zu urteilen. Tu es einfach. Mach, was dich begeistert und lerne von anderen Künstlern. Wir lernen unser ganzes Leben lang.
Gibt es etwas, das sie ihren Leserinnen und Lesern sagen möchten?
Ich möchte alle daran erinnern, dass sie bereits Künstler sind. Kunst ist nicht nur für einige Wenige da. Jede Arbeit, alles was du tust, kann Kunst sein. Denn es geht um die Aufmerksamkeit und Anmut, die man dafür au!bringt, um Talent, ein Auge fürs Besondere, Großzügigkeit beim Denken, Erfindergeist und Menschlichkeit. Entdecke deine Gaben und biete sie der Welt an. Und versuche immer freundlich zu sein und das zu tun, was dir Spaß macht.
Das Buch ist erhältlich unter www.goldblattverlag.de/shop oder überall wo es Bücher gibt.
(Bilder: Goldblatt Verlag, Privat (2x))