Generell ist zur Zeit ein gewisser „Hype“ in Bezug auf Vitamin D zu beobachten. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn bei oftmals dürftiger Beweislage werden von in der Regel selbst ernannten Expert•innen unüblich hohe Dosen Vitamin D als Prophylaxe oder Behandlung vieler Erkrankungen unreflektiert verordnet und konsumiert. Das deutsche Giftinformationszentrum berichtet im Jahr 2022 über 162 Fälle einer Vitamin D Überdosierung [gegenüber 131 im Jahr 2021] – was sicher nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten ist. Daher haben wir uns einmal die Sache mit dem Vitamin D genauer angeschaut.
Vitamin D – das Vitamin, das eigentlich gar keines ist
Vitamin D ist streng genommen kein richtiges Vitamin. Laut Definition sind Vitamine nämlich lebensnotwendige organische Verbindungen, die der Körper regelmäßig mit der Nahrung aufnehmen muss, weil er sie nicht oder nicht in ausreichender Menge selbst herstellen kann. Das trifft aber nicht auf Vitamin D zu, denn bei ausreichender Sonnenbestrahlung kann der Körper den Großteil des benötigten Vitamins [80 bis 90 Prozent] selber produzieren – und zwar in der Haut mittels der sogenannten »endogenen Synthese«. Die Ernährung hat mit etwa 10 bis 20 Prozent nur einen relativ geringen Anteil an der Versorgung mit Vitamin D.
Im Winter ist in unseren Breiten die Sonnenstrahlung allerdings zu schwach für eine ausreichende Vitamin-D-Produktion in der Haut. Der Körper greift dann – falls vorhanden – auf das in Form von Calcifediol gespeicherte Vitamin D3 zurück. Die Speicher befinden sich vor allem im Muskel- und Fettgewebe.
Diese Aufgaben hat Vitamin D im Körper
Die Hauptfunktion von Vitamin D im Körper liegt im Bereich der Knochen. Vitamin D fördert nämlich die Bildung und Reifung der Knochenstammzellen. Außerdem regelt es die Aufnahme von Kalzium im Darm und fördert den Einbau von Kalzium und Phosphat in die Knochen [Mineralisation], sprich die Knochen werden dadurch hart und stark. Darüber hinaus sind Kalzium und Phosphat auch Bestandteil starker und gesunder Zähne.
Weitere – aber teils noch nicht eindeutig wissenschaftlich belegte – Wirkungen von Vitamin D sind:
- Stärkung des Immunsystem, sowohl bei der Abwehr von Krankheitserregern als auch bei der Hemmung überschießender Immunreaktionen
- Kräftigung der Muskulatur
- Schutzwirkung für die Nervenzellen im Gehirn
- positive Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem
- Verringerung von Gefäßerkrankungen
- Schutzwirkung gegen Krebs
- Schutz vor Rachitis
- positive Wirkung auf die Psyche
Vitamin D-Mangel
Ein Vitamin D-Mangel tritt oft bei Menschen auf, die sich hauptsächlich in geschlossenen Räumen und kaum im Freien aufhalten. Den größten Teil seines Bedarfs an Vitamin D deckt der Körper nämlich – wie bereits erwähnt – durch Eigenproduktion mithilfe von Sonnenlicht ab. Wird die Haut aber nicht mit genügend UV-Strahlen „versorgt“, muss das benötigte Vitamin D vermehrt über die Nahrung beziehungsweise über ergänzende Präparate zugeführt werden.
Über die Ernährung lässt sich der geschätzte Tagesbedarf an Vitamin D aber nur schwer decken, selbst wenn man ausgewogen und abwechslungsreich isst. Es gibt nämlich nur wenig Lebensmittel, die Vitamin D in nennenswerter Menge enthalten. Dementsprechend häufig ist hierzulande ein Vitamin D-Mangel die Folge eines Lebensstils, der mehr drinnen als draußen stattfindet und des geringen Vitamin-D-Vorkommens in Lebensmitteln. Darüber hinaus sind manchmal auch Erkrankungen für einen niedrigen Vitamin D-Spiegel verantwortlich.
Ein Risiko für Vitamin D-Mangel besteht unter anderem bei:
- zu geringer Sonnenexposition [vor allem bei alten Menschen und Heimbewohnern]
- Mangel- bzw. Fehlernährung
- gestörter Verwertung und Aufnahme von Vitamin D, zum Beispiel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Zöliakie, nach größeren Magen-Darm-OPs
- erhöhtem Bedarf in der Schwangerschaft und Stillzeit, sowie bei Kindern
- Einnahme bestimmter Medikamente zum Beispiel Mittel gegen Epilepsie
- erhöhter Ausscheidung von Vitamin D über die Nieren [Niereninsuffizienz, nephrotisches Syndrom]
Symptome bei Vitamin D-Mangel gibt es viele, denn der Körper braucht Vitamin D für verschiedenste Vorgänge. Eine seiner Hauptaufgaben ist die Knochengesundheit. Vitamin D unterstützt aber beispielsweise auch das Immunsystem, die Muskulatur und die Haare.
Mögliche Auswirkungen von Vitamin D-Mangel sind:
- Haarausfall
- erhöhte Infektanfälligkeit
- Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Gliederschmerzen
- gestörte Knochenmineralisation [Rachitis bei Kindern, Osteomalazie bei Erwachsenen] mit Knochenschmerzen und -verformungen
- neuromuskuläre Übererregbarkeit [Tetanie] durch Kalziummangel als Folge von Vitamin D-Mangel mit Missempfindungen [etwa der Lippen und Finger], Muskelkrämpfe, Migräne etc.
Im Zuge eines Vitamin D-Mangels kann es besonders bei älteren und in Pflegeeinrichtungen lebenden Menschen zu einer Verschlechterung der Muskelfunktion und zu einer drastischen Erhöhung des Sturz- und Knochenbruchrisikos kommen. Eine Gabe von Vitamin D und Calcium kann nachgewiesenermaßen bei diesen älteren Menschen mit insuffizienten Vitamin D-Spiegeln das Sturz- und Frakturrisiko senken.
Vitamin D-Überdosierung
Neben einem Vitamin D-Mangel gibt es aber auch eine Vitamin D-Überdosierung. Diese kann allerdings nicht auf natürlichem Wege entstehen – also weder durch exzessive Sonnenbestrahlung noch durch reichlichen Verzehr von Lebensmitteln, die natürlicherweise viel Vitamin D enthalten [wie fetter Seefisch].
Anders sieht es aus, wenn man hochdosiert Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente mit Vitamin D einnimmt und/ oder große Mengen an Lebensmitteln verzehrt, die mit Vitamin D angereichert wurden. Wer so jeden Tag mehr als 100 Mikrogramm Vitamin D zu sich nimmt, riskiert Nebenwirkungen wie beispielsweise Nierensteine. Der Grund ist, dass der Körper einen Überschuss an dem fettlöslichen Vitamin D nicht einfach ausscheidet, sondern im Fett- und Muskelgewebe speichert.
Auf diese Weise kann eine übermäßige Vitamin D-Zufuhr sowohl in einer akuten als auch einer chronischen Vitamin D-Überdosierung münden. Eine akute Vergiftung entsteht, wenn man auf einen Schlag eine übermäßig hohe Dosis Vitamin D [zumeist als Präparat] einnimmt. Eine chronische Vitamin D-Intoxikation kann sich entwickeln, wenn man über einen längeren Zeitraum zu viel Vitamin D über Präparate und/ oder mit Vitamin D angereicherte Lebensmittel zu sich nimmt.
Eine Vitamin D-Überdosierung kann verschiedene gesundheitliche Beschwerden auslösen, die vor allem auf einem erhöhten Kalziumspiegel im Blut [Hyperkalzämie] beruhen. Der Überschuss an Vitamin D bewirkt nämlich, dass der Körper übermäßig viel Kalzium aus der Nahrung aufnimmt und zudem vermehrt Kalzium aus den Knochen herauslöst. Über diesen Mechanismus kann eine Überdosierung an Vitamin D unter anderem folgende Auswirkungen haben:
- Übelkeit und Erbrechen
- Appetitlosigkeit
- extremer Durst
- vermehrtes Wasserlassen
- Schwächegefühl
- Kopfschmerzen
- Nervosität
- Nierensteine und Nierenschäden bis hin zu Nierenversagen
Aus diesem Grund sollten sie nicht auf eigene Faust Vitamin D-Präparate einnehmen, wenn sie einen Vitamin D-Mangel vermuten oder einem solchen vorbeugen wollen. Besser ist, sie gehen zu ihrer Ärztin bzw. zu ihrem Arzt und lassen ihre Blutwerte bestimmen. Haben sie tatsächlich zu wenig Vitamin D, oder besteht bei ihnen ein erhöhtes Risiko für einen solchen Mangel, kann die Ärztin•der Arzt ihnen ein geeignetes Präparat verschreiben. Die Dauer der Einnahme und die Dosierung wird er so festlegen, dass sie keine Vitamin D-Überdosierung befürchten müssen.
Fazit
Die Vitamin D-Gabe für alle gesunden Menschen, egal welchen Alters, ist ganz generell nicht zu empfehlen. Für bestimmte Patientinnen und Patienten sowie bei Neugeborenen/ Kleinkindern und andere Risikogruppen gibt es allerdings klare, wissenschaftlich unumstrittene Kriterien, Vitamin D in adäquater und nicht extrem überhöhter Dosierung zu verabreichen. Aber um auf Nummer sicher zu gehen, sollte sie unbedingt Rücksprache mit ihrer Ärztin•ihrem Arzt halten und keinesfalls selbst experimentieren oder auf etwaige Werbebotschaften hören.
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