Das Alter als Bereicherung und Chance sehen, Falten als Zeichen für Reichtum an Erfahrung und Weisheit akzeptieren und Wert schätzen, geistig und körperlich in Bewegung bleiben, dazugehören und gebraucht werden auch und v.a. im Alter – Volkshilfe Österreich Präsidentin Barbara Gross im Gespräch mit Generation55plus.net.
Wie war Ihr Bild vom Altsein, als Sie 25 waren? Wie hat es sich bis heute geändert?
Mit „Altsein“ habe ich vor allem den Austritt aus der Erwerbstätigkeit verbunden.
Wer das Pensionsalter erreichte, war eindeutig alt. Heute identifiziere ich Altsein mit einer stabilen Identität, Gelassenheit, Kontaktfreude und die Bereitschaft zu Hilfeleistung für andere.
Was bedeutet für Sie „älter werden“?
Es heißt doch, man ist so alt wie man sich fühlt. Und wie ich mich fühle, entscheiden meine Gedanken und Einstellungen. Heute, mit 65 Jahren, sehe ich das Alter nicht mehr als Bedrohung an, sondern als Bereicherung und Chance. Natürlich lässt die körperliche Leistungsfähigkeit nach. Doch es ist auch bewiesen, dass ältere Menschen nur geringfügig an geistigen Fähigkeiten verlieren und dies ist für das intellektuelle Funktionieren bedeutungslos.
Ist das Bild der älteren Menschen in Ö noch verbesserungswürdig?
Leider wird heute Vieles dafür getan, Spuren des Alterns zu beseitigen. Gleichzeitig wird aber suggeriert, dass das Alter eine Ressource ist. Das ist paradox, denn Altsein bedeutet nun mal nicht mehr jung auszusehen. Meine Idee: Das Aussehen im Alter gesellschaftlich zu „modernisieren“.
In einigen Völkern werden beispielsweise Falten als Zeichen für Reichtum an Erfahrung und Weisheit angesehen. Vielleicht ist das der Weg, um eine gesellschaftliche Akzeptanz für das Alter und Altsein zu schaffen?
Sind ältere Menschen in Österreich gut vertreten?
Gesetzlich werden die Interessen der SeniorInnen durch den Bundesseniorenbeirat und den Österreichischen Seniorenrat vertreten. Zudem gibt es zahlreiche Organisationen wie die Volkshilfe, die sich für die Interessen der Älteren einsetzen. Grundsätzlich würde ich die Frage also mit Ja beantworten. Einen anderen Eindruck könnte man bei der Betrachtung der aktuellen Armutszahlen gewinnen: In Österreich sind 200.000 Menschen über 65 armutsgefährdet, 140.000 davon sind Frauen.
Wie müssten die Strukturen in Österreich aussehen, damit v.a. ältere Menschen 2050 immer noch gut leben?
Eine Pension, von der man leben kann sowie gute Versorgung, wenn Pflege und Betreuung notwendig werden, sind die Voraussetzungen für ein gelingendes Leben im Alter. Das alleine reicht aber nicht aus.
Dazugehören und gebraucht werden sind Wünsche, die jeder Mensch hat. Um dies zu verwirklichen, muss das Miteinander von Jung und Alt neu belebt und gefördert werden. Im Rahmen unserer Volkshilfe-Projekte machen wir sehr gute Erfahrungen mit der gemeinsamen Aufbereitung von gesellschaftspolitischen Handlungsfeldern mit Jung und Alt.
Auch am Arbeitsmarkt gibt es gemeinsamen Handlungsbedarf: Für junge Menschen sind Ausbildung und Berufseinstieg zentrale Themen, für ältere ArbeitnehmerInnen die Verdrängung und Diskriminierung am Arbeitsplatz.
Insgesamt bedarf es mehr Solidarität. Denn keine Generation kann auf Kosten der anderen leben. Aktiv altern bedeutet eine Verantwortung der Älteren gegenüber der Jüngeren ebenso wie die der Jüngeren gegenüber der Älteren.
Was können die „Alten“ von den „Jungen“ lernen?
Oft hat man den Eindruck, dass sich Ältere bewusst gegen den gesellschaftlichen Fortschritt stellen. Natürlich nimmt man Veränderung im Alter sensibler wahr – auch aufgrund der körperlichen Veränderung. Jedoch haben auch jüngere Menschen mit den Symptomen der Moderne zu kämpfen. Der Unterschied ist nur: Die Jungen konzentrieren sich häufiger auf das Positive, das Veränderung mit sich bringt. Offenheit für Neues und Flexibilität sind heute fixe Voraussetzungen, um in einer schnelllebigen Welt wie unserer Fuß zu fassen.
Im Sinne eines stärkeren Miteinanders wünsche ich mir diese Offenheit auch von den Älteren.
Wie wichtig ist lebenslanges Lernen?
Gerade im Sinne der erwähnten Flexibilität ist das lebenslange Lernen von großer Bedeutung. Durch Interesse und Wissbegierde eröffnen sich nämlich immer wieder neue Möglichkeiten, womit die steigende Flexibilität gewährleistet wird.
Außerdem macht es uns glücklich! Und Gefühle wie Freude, Liebe und Wohlbefinden wirken sich wiederum positiv auf unsere Gesundheit aus, da sie das Infarktrisiko verringern.
Haben Sie einen „persönlichen“ Tipp für gesundes Altern bzw. was kann der einzelne tun, um gesund alt zu werden?
In Bewegung bleiben – und zwar nicht nur im sportlichen Sinne!
Es sind die sozialen Beziehungen, die uns ausmachen. Eine gute Möglichkeit, das bis ins hohe Alter aufrecht zu erhalten: Freiwilliges Engagement. Ehrenamtliche HelferInnen sind zufriedener und durch ihr Engagement besser in ihr soziales Umfeld eingebunden. Ob Besuchsdienst, Kinderbetreuung oder Erste Hilfe – die Möglichkeiten sind vielfältig!
Worauf werden Sie bis zum Schluss nicht verzichten wollen?
Ich möchte möglichst selbstbestimmt – in Würde – leben, weiterhin gut vernetzt mit FreundInnen bleiben – mir sind vor allem „Gute Gespräche“ wichtig!
In knapp vier Jahren wird die Volkshilfe Österreich 75. Was wünschen Sie der Volkshilfe Österreich zum dreivierte Jahrhundert?
Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Das birgt Gefahren, aber auch Chancen. Wir müssen bereit sein, die Dinge zu verändern, im Großen und im Kleinen. Neben Einsatz und Engagement erfordert das vor allem auch Zusammenhalt. Diesen Zusammenhalt eines starken ehren- und hauptamtlichen Teams wünsche ich der Volkshilfe auch für die nächsten 75 Jahre und darüber hinaus. Und dass sich der Leitgedanke – mit Herz und Verstand – der inzwischen Leidenschaft und Versprechen gleichermaßen geworden ist, auch weiterhin so stark bemerkbar macht.
Wordrap
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[accordion title=“Welche Jahreszeit haben Sie am liebsten?“ load=“hide“]Ich liebe den Frühling und den Herbst zu gleichen Teilen[/accordion]
[accordion title=“Worüber freuen Sie sich am meisten?“ load=“hide“]Wenn ich Menschen – in welcher Form auch immer – helfen kann.[/accordion]
[accordion title=“Wer hat Sie persönlich am meisten geprägt?“ load=“hide“]Mich hat das Leben in seiner Vielfalt, mit seinen Höhen und Tiefen geprägt.[/accordion]
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Frau Gross, vielen Dank für das Interview.
(Bilder: Volkshilfe Österreich)