Zwei Ohren sind wesentlich, um sich im Leben verlässlich zu orientieren. Wenn nur eines ausfällt, ist das Verstehen von Gesprächen in lauter Umgebung so gut wie unmöglich. Auch das Richtungshören funktioniert mit einem Ohr nicht. Bei Senioren steigt durch einseitigen Hörverlust zudem das Sturzrisiko. Daher macht der Innsbrucker Hör-Implantate-Hersteller MED-EL auf diese oft unterschätzte Form des Hörverlusts aufmerksam und weist darauf hin, dass es wichtig ist, bei jeder Art von Schwerhörigkeit auf beide Ohren zu achten. Wenn Hörgeräte nicht mehr helfen, erleichtern moderne Hör-Implantate das Leben enorm.
Beidseitiges Hören wichtig für Gespräche in lauter Umgebung und Richtungshören
Fachleute sprechen vom „binauralen Hören„, wenn sie das Hören mit zwei Ohren meinen. Wer Töne auf diese Weise wahrnimmt, kann unter anderem die Richtung erkennen, aus der ein Geräusch kommt. Menschen, die sich auf nur ein Ohr verlassen müssen, haben diese Fähigkeit nicht. Im besten Fall macht das den Familienalltag anstrengender – im schlimmsten Fall kann es im Straßenverkehr zu Unfällen führen.
Das Hören mit zwei Ohren ermöglicht auch das Verstehen von Gesprächen in lauter Umgebung. Menschen mit einseitigem Hörverlust können sich in einer großen Runde oder bei Festen nicht mehr mit anderen unterhalten, meiden diese daher und büßen auf diese Weise viel von ihrer ursprünglichen Lebensfreude und Lebensqualität ein. Mit zwei Ohren sind die Höreindrücke darüber hinaus lauter, was bei feinen Tönen natürlich von Vorteil ist.
Schlechtes Musikverständnis, Müdigkeit und erhöhtes Sturzrisiko
Besonders bei Musik kommt das Hören mit zwei Ohren zum Tragen: Nur die Kombination aus rechtem und linkem Ohr kann die vielen Facetten des Klangs authentisch wiedergeben. Wer mit nur einem Ohr hört, dem erscheint die Musik stumpf und eintönig.
Menschen mit zwei funktionierenden Ohren müssen sich beim Hören nicht anstrengen. Selbst das Filtern von Wichtigem und Unwichtigem in lauter Umgebung lässt sich mit relativ geringem Energieaufwand bewerkstelligen. Wer dagegen auf nur ein Ohr angewiesen ist, muss sich beim Verstehen mehr konzentrieren, was auf Dauer sehr müde macht.
Eine Reihe von Studien hat sich mit dem Thema Sturzrisiko und Hörverlust beschäftigt. Zuletzt kamen Forscher der Korea-Universität in Seoul zu dem Schluss, dass einseitiger mittelschwerer Hörverlust das Risiko für Haltungsinstabilität um das 2,7-fache erhöht. Bei beidseitigem mittelschwerem Hörverlust lag es um das 2,3-Fache höher. Die Forscher untersuchten 3.800 über 40-jährige Personen mit Hörverlust.[1]
Hör-Implantate für jede Form des Hörverlusts
Egal, ob es sich um einseitigen Hörverlust handelt, oder ob beide Ohren gleichermaßen schwer beeinträchtigt sind: Heute gibt es für jede Form von Hörverlust die ideale Versorgung. Bei mildem Hörverlust ist ein Hörgerät meist ausreichend. Mittel- und hochgradige Schwerhörigkeit verlangen nach einer komplexeren Methode: Hör-Implantate werden operativ hinter dem Ohr eingebracht und ersetzen bzw. umgehen funktionsuntüchtige Hörstrukturen. Am häufigsten kommt das sogenannte Cochlea-Implantat [CI] zum Einsatz [Cochlea = Hörschnecke], dessen Elektrode in der Cochlea im Innenohr für elektrische Impulse sorgt, die naturnahes Hören ermöglichen.
„Die ein- bis zweistündige Operation zählt seit Jahren zu den Routineeingriffen und zu den sichersten Eingriffen in der HNO-Heilkunde“, erklärt Prim. Dr. Thomas Keintzel, Leiter der Abteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten am Klinikum Wels-Grieskirchen. „Wir raten unseren Patienten auch bei einseitiger Ertaubung zu einem Implantat, denn nur so lässt sich das volle Hörvermögen ausschöpfen – und damit auch die volle Lebensqualität.“
Hör-Implantate Made in Austria simulieren naturnahes Hören – inklusive Musik
Der Tiroler Hör-Implantate-Hersteller MED-EL hat sich seit jeher einer ausgeklügelten Technik verschrieben, um naturnahes Hören selbst mit Hörhilfe möglich zu machen. Heute ist das Unternehmen Vorreiter in Sachen Musikwahrnehmung mit CI. Die langen Elektroden des Cochlea-Implantats decken dabei die gesamte Länge der Hörschnecke ab. So können die Nutzer das gesamte natürliche Tonspektrum wahrnehmen. Denn in der Hörschnecke befinden sich die Sinneszellen für die Verarbeitung von hohen Tönen am Eingang, jene für tiefe Töne im Inneren der Cochlea. Die lange Elektrode ermöglicht das Hören all dieser Frequenzen.
Ist der Hörverlust an einem Ohr schwerwiegender als am anderen, lassen sich Hörgerät und Hör-Implantat auch miteinander kombinieren. „MED-ELs Hör-Implantate sind mit jedem Hörgerät am Markt kompatibel“, erklärt DI Ewald Thurner, Area Manager von MED-EL Österreich. „Auf diese Weise lassen sich beide Ohren jederzeit flexibel und präzise mit der passenden Hörlösung stimulieren und die Systeme ergänzen sich zum optimalen Hören.“
Beidseitige Implantate bei Kindern und Erwachsenen möglich
Etwa eines von 1.000 Neugeborenen kommt mit einem hochgradigen, einseitigen Hörverlust zur Welt. Auch in diesem Fall können CIs die Hörbeeinträchtigung ausgleichen – mittels Operation, die in der Regel noch im ersten Lebensjahr durchgeführt wird. Kinder mit beidseitigem Hörverlust erhalten in Österreich standardmäßig gleich zwei Implantate.
Doch auch im Erwachsenenalter braucht es zwei Ohren. Daher werden zunehmend mehr beidseitig hochgradig schwerhörige Erwachsene auch auf dem zweiten Ohr implantiert – selbst dann, wenn die erste Implantation schon Jahre her ist. Ideal gilt hier ein Zeitraum von maximal zehn Jahren zwischen den beiden Implantationen.
Im Laufe eines Lebens kann ein Ohr ausfallen, etwa in Folge einer Infektion, eines Hörsturzes oder der sogenannten Altersschwerhörigkeit. In diesem Fall, beim sogenannten einsteigen Hörverlust, auch Single Sided Deafness [SSD] genannt, ist es wichtig, das betroffene Ohr möglichst bald mit einem Hör-Implantat zu versorgen – denn der Alltag mit nur einem Ohr ist deutlich anstrengender und risikobehafteter als mit zwei.
Oberösterreicherin hört dank CI wieder
Diese Erfahrung machte auch Sabine Weinberger-Pramendorfer nach ihrer Ertaubung auf dem linken Ohr: Von einem Tag auf den anderen verlor die Oberösterreicherin ihr Hörvermögen durch einen Hörsturz. Das Hören mit nur einem Ohr belastete die geforderte Angestellte täglich: „Man braucht einfach für alles länger, es ist wie ein chronischer Schlafmangel: Zu Mittag hätte ich mich jeden Tag niederlegen können, so müde war ich. Ich habe dann die Arbeit aufgegeben, weil es zu schwierig war.“
Auch Treffen in großen Runden waren nicht mehr machbar. Im Dezember 2019 erhielt sie schließlich ihr CI. Heute kann sie Gesprächen auch in schwierigen Situationen wieder folgen, egal ob im halligen Restaurant oder im Kaffeehaus mit regem Betrieb. Und auch den Einstieg ins Berufsleben hat die knapp 50-Jährige wieder geplant. „Ich bin sehr zufrieden und ermutige jeden Menschen mit Hörverlust an die Möglichkeit eines CI zu denken.“
Hörverlust nicht auf die leichte Schulter nehmen
Schwerhörigkeit ist nach wie vor mit einem Stigma behaftet. Viele Menschen verbergen ihren Hörverlust, denn die Angst, als kognitiv eingeschränkt betrachtet zu werden, ist groß. Dabei ist es wichtig, trotz aller Ängste, den Weg zum HNO-Facharzt/ Fachärztin zu finden und das oder die beeinträchtigten Ohren versorgen zu lassen. Denn Hörverlust erhöht nicht nur das Sturzrisiko, sondern ebenso das Risiko für Demenz, Depression und soziale Isolation.
Dabei gilt: Es ist nie zu spät für eine adäquate Versorgung mit Hörgerät oder Hör-Implantat!
Implantationen werden in Österreich an jeder Universitätsklinik und an nahezu jedem Landeskrankenhaus angeboten. Im Fall einer eindeutigen Indikation übernimmt das öffentliche Gesundheitssystem die Kosten.
Quellenangabe
[1] Bang SH et al.: Association Between Hearing Loss and Postural Instability in Older Korean Adults. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. 2020 Apr 23.
(Bilder: Pixabay.com (2x), Nik Fleischmann, privat)