In einer repräsentativ zusammengesetzten Online-Umfrage der Medizinischen Universität Wien unter Leitung von Tanja Stamm, gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus der Politik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, bewerteten 1.500 ungeimpfte Corona-Impfskeptikerinnen und -skeptiker hypothetische Impfkampagnen und fiktive Medienberichte über Covid-19-Impfstoffe, damit mögliche Motivationen ausgelotet werden können. Es zeigte sich, dass der „Wunsch nach Rückkehr zur Normalität“ und Empfehlungen von Ärztinnen und Ärzten sowie der Bundesregierung zu einer Corona-Schutzimpfung motivieren könnten.
Was könnte Impfskeptiker•innen am ehesten zu einer Impfung gegen Covid-19 motivieren
„Das Ziel unserer Studie war es herauszufinden, welche hypothetische Impfkampagne Zögerliche und Impfskeptikerinnen und -skeptiker am ehesten dazu motivieren könnte, sich doch noch zu einer Impfung zu entschließen. Außerdem wollten wir wissen, wie Informationen zur Wirksamkeit und zu Nebenwirkungen der Impfung kommuniziert werden sollten. Dazu wurden im Rahmen der Umfrage zwei sogenannte Conjoint-Experimente durchgeführt“, erklärt Tanja Stamm vom Institut für Outcomes Research der MedUni Wien.
Experiment 01: Empfehlung von Ärztinnen und Ärzten und der Bundesregierung relevanter als von Prominenten
Im ersten Experiment wurde den Befragten eine Auswahl unterschiedlicher Impfaufrufe präsentiert und deren generelle Meinungen und Einstellungen dazu abgefragt. Die unterschiedlichen Sujets dazu wurden, auf wissenschaftlicher Literatur basierend, erarbeitet. Als Ergebnis dieses Experiments zeigte sich der Wunsch nach Rückkehr zur Normalität als größeres Impfmotiv als zum Beispiel Selbst- oder Fremdschutz. Regeländerungen [zum Beispiel 2-G statt 3-G] wurden schlechter bewertet als die Beibehaltung der aktuell gültigen Regeln. Ebenfalls zeigten insbesondere die Empfehlungen von Ärztinnen und Ärzten, aber auch der Bundesregierung größere Effekte als etwa solche von prominenten Personen. Eine Impf-Lotterie, wie sie in manchen [Bundes-]Ländern durchgeführt werden, stieß auf wenig Begeisterung.
Experiment 02: Medienberichte zu Impfdurchbrüche verunsichern
Im zweiten Experiment wurden eine Auswahl fiktiver Medienberichte zum Impfthema vorgelegt: „Während Berichte zu Impfdurchbrüchen abschreckend wirkten, hinterließen hingegen Berichte zur guten Wirksamkeit der Impfstoffe einen positiven Eindruck. Und das, obwohl das Zahlenverhältnis der Impfdurchbrüche so gewählt wurde, dass es der erwartbaren Anzahl bei gegebener Wirksamkeit des Impfstoffs entsprach“, sagt Tanja Stamm. „Es machte also definitiv einen Unterschied, wie über den Impfstoff berichtet wurde.“
Infografiken überraschend wenig überzeugend
Unerwarteter Weise zeigte die Verwendung einer Infografik einen geringeren Nutzeneffekt als einfache Text-Botschaften ohne graphische Darstellung. „Möglicherweise sind graphische Darstellungen für Menschen, die nicht gewohnt sind, diese zu interpretieren, schwierig zu verstehen oder können sogar unbeabsichtigt abschreckend wirken.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben auch an, einem normalen Zulassungsverfahren der EU-Behörden für einen Corona-Impfstoff mehr zu vertrauen als einem rein österreichischen Verfahren.
Zusammenfassend ließe sich aber sagen, so die Studienautorinnen und -autoren, dass gesamt gesehen alle diese Nutzeneffekte eher gering ausfielen. Unter Umständen liege dies daran, dass manche jener Personen, die sich auch im Herbst 2021 noch zu keiner Impfung entscheiden wollten, schon sehr stark verfestigte Meinungen haben, die durch positive Anreize und effektive Kommunikation nur zum Teil [noch] beeinflusst werden können. Umso wichtiger wird es sein, dass aktuelle und zukünftige Impfkampagnen vor allem die noch Zögerlichen unter den Ungeimpften mit klaren Botschaften und auf unterschiedlichsten Kanälen erreichen.
#ImpfenSchützt
Durch die Corona-Pandemie ist das Thema Impfung in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Allerdings wird hier in der Diskussion leider oft vergessen, dass es neben der Corona-Schutzimpfung auch noch viele andere Schutzimpfungen gibt, die in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden müssen. Nur so können wir neben einem Individualschutz gegen bestimmte Erkrankungen in vielen Fällen auch einen kollektiven Schutz erreichen.
Damit schützen wir auch Personen, die selbst [noch] nicht geimpft werden dürfen. Viele Erkrankungen konnten durch Impfungen stark zurückgedrängt oder sogar ausgerottet werden. Durch den Erfolg der Impfungen werden zahlreiche Gesundheitsgefahren weitgehend gebannt – allerdings treten dadurch Impfreaktionen und [vermeintliche] Nebenwirkungen vermehrt ins Blickfeld. Letztlich ist es jedoch eine Tatsache, das Menschen, die einen komplizierten Verlauf von Covid-19 erleiden, fast ausschließlich ungeimpft sind. Und: Wer nicht geimpft ist, wird sich anstecken
#ImpfenSchützt
Über die Studie
An der Studie „Conjoint-Experimente zur Impfkommunikation in der Corona-Krise“ haben folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitgearbeitet: Tanja Stamm, Erika Mosor, Valentin Ritschl [Medizinische Universität Wien, Institut für Outcomes Research], Julia Partheymüller, Sylvia Kritzinger [Universität Wien, Institut für Staatswissenschaft], Jakob-Moritz Eberl [Universität Wien, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft].
(Bilder: AdobeStock)